Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Erledigung des Klageverfahrens bei Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme
Leitsatz (NV)
1. Über die Wirksamkeit der Klagerücknahme kann nur durch Urteil entschieden werden. Für eine Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluß besteht jedoch schon deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger durch den Beschluß formell in seinen Rechten verletzt wird.
2. Der Einstellungsbeschluß nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO führt auch dann nicht zur Beendigung des Klageverfahrens, wenn die Unwirksamkeit der Klagerücknahme erstmals mit der Beschwerde gegen diesen Beschluß geltend gemacht wird.
Normenkette
FGO § 72 Abs. 2 S. 2, § 128 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des Einstellungsbeschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere fehlt es nicht an der Statthaftigkeit und am Rechtsschutzbedürfnis.
Die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluß des FG, mit der die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht wird, folgt aus § 128 Abs. 1 FGO (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. Beschlüsse vom 9. Mai 1972 IV B 99/70, BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543, und vom 30. November 1987 IV B 103/87, BFH/NV 1988, 459 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, daß im Einstellungsbeschluß nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht über die Wirksamkeit einer Klagerücknahme entschieden wird (BFH-Beschluß in BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543). Denn ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ist schon deshalb zu bejahen, weil sie durch den Einstellungsbeschluß und durch die Nichtabhilfeentscheidung des FG formell in ihren Rechten beeinträchtigt wird. Im übrigen stellt die Beschwerde ein geeignetes Mittel dar, das Verfahren vor dem FG wieder in Gang zu setzen (BFH-Beschluß in BFH/NV 1988, 459).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Einstellungsbeschluß konnte wegen des durch die Beschwerde entstandenen Streits über die Klagerücknahme nicht zum Abschluß des Klageverfahrens führen.
a) Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Streit über die Klagerücknahme nicht im Beschwerdeverfahren gegen den Einstellungsbeschluß entschieden werden. Vielmehr muß die Beschwerde dazu führen, daß der Einstellungsbeschluß aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen wird, damit dieses im Urteilsverfahren sachlich über die Klage entscheidet oder ausspricht, daß die Klage zurückgenommen ist (BFH-Beschlüsse in BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543, und in BFH/NV 1988, 459 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
b) Obwohl damit der Senat aus verfahrensrechtlichen Gründen zum weiteren Fortgang des Verfahrens keine Stellung nehmen kann, weist er vorsorglich darauf hin, daß das FG neben der Frage des Vorliegens einer Klagerücknahme oder deren Wirksamkeit auch zu prüfen haben wird, ob sich aus dem BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 X R 1/80 (BFHE 151, 118, BStBl II 1988, 121) Folgerungen für den Streitfall ergeben können.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des FG im Hauptsacheverfahren vorbehalten (§ 143 Abs. 2 FGO). Da diese Kosten bei der gebotenen Abhilfe der Beschwerde vermieden worden wären, wird das FG hierbei auch festzustellen haben, ob von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren gemäß § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes abzusehen ist (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1988, 459).
Fundstellen
Haufe-Index 422987 |
BFH/NV 1990, 579 |