Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Verkündung des Urteils; Protokollberichtigung durch Instanzgericht
Leitsatz (NV)
- Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nach Verkündung des Urteils nicht mehr möglich.
- Eine Protokollberichtigung kann grundsätzlich nur durch den Instanzrichter oder den Protokollführer vorgenommen werden.
Normenkette
FGO § 93 Abs. 3 S. 2, §§ 94, 104 Abs. 1; ZPO § 164
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten war vor dem Finanzgericht (FG) die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) ausgebrachte Schätzung der Einkünfte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) streitig. Berichterstatter war der Richter am FG E. Der Rechtsstreit wurde ihm zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen. E wies in der Ladung zu der auf den 14. Oktober 1998 anberaumten mündlichen Verhandlung darauf hin, daß der Gerichtsprüfer mit der Vorbereitung des Falls betraut worden sei und dessen Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beabsichtigt sei. Nachdem E während der mündlichen Verhandlung erklärt hatte, die von den Klägern angeregte weitere Sichtung von Unterlagen in den Geschäftsräumen des Klägers solle nicht mehr stattfinden, beantragten die Kläger Akteneinsicht. Lt. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 1998 erging der Beschluß, daß eine Entscheidung am Schluß der Sitzung verkündet werde. Am 14. Oktober 1998, 14.30 Uhr wurde die Entscheidung verkündet. Das Protokoll führte E. Protokoll und Urteil wurden den Klägern am 3. November 1998 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 10. November 1998 --eingegangen am 11. November 1998-- beantragten die Kläger die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung mit der Begründung, E habe ihnen rechtliches Gehör verweigert. Er habe überraschend erklärt, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Gerichtsprüfer nach der mündlichen Verhandlung noch Nachweisungen, Belege und Begründungen prüfen und ihnen Gelegenheit zum Sachvortrag gegeben werde. Sie seien aufgrund der Ladung davon ausgegangen, der Gerichtsprüfer werde noch entweder im Büro in A oder im Hilfsbüro in S alle relevanten Unterlagen prüfen. E habe jedoch erklärt, daß der Prüfer ihm lediglich zuarbeiten solle. Dagegen habe er, der Kläger, sofort protestiert und diesen Protest während der gesamten mündlichen Verhandlung aufrechterhalten, weil er auf die Vorlage der ergänzenden Unterlagen zur Darlegung des kausalen Zusammenhangs mit den geltend gemachten Zinsen nicht vorbereitet gewesen sei. Auch sei entgegen dem Protokoll nicht der wesentliche Inhalt der Akten vorgetragen und die Streitsache nicht mit den Beteiligten erörtert worden.
Das FG lehnte durch Beschluß vom 11. Dezember 1998 die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ab, weil die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach der Verkündung des Urteils nicht mehr zulässig sei (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. April 1994 I R 43/93, BFH/NV 1995, 221). Der Antrag sei erst am 10. November 1998 gestellt worden.
Die Rüge der unzutreffenden Protokollierung sei als Antrag auf Protokollberichtigung zu werten. Doch sei der Antrag unbegründet. Soweit protokolliert worden sei, daß eine Entscheidung am Schluß der Sitzung verkündet werde, sei das Protokoll nicht unrichtig. Der Einzelrichter habe, dem Wortlaut des Protokolls entsprechend, die Sitzung geschlossen und den Beschluß mit dem protokollierten Inhalt verkündet. Dies habe auch dem Ablauf der anderen mündlichen Verhandlungen zur Einkommensteuer 1988 und 1989 entsprochen, in denen mehrfach auf den Abschluß durch Entscheidung hingewiesen worden sei.
Der Einzelrichter habe auch den wesentlichen Inhalt der Akten wiedergegeben. Der diesbezügliche Vortrag stimme mit dem Tatbestand des Urteils überein. Soweit die Beteiligten auf notwendige Korrekturen hingewiesen hätten, seien diese im Anschluß an die Darstellung des Akteninhalts erörtert, protokolliert und im Tatbestand berücksichtigt worden. Auch sei das Protokoll insoweit richtig, als im Anschluß an die Darstellung des Akteninhalts die Streitpunkte jeweils erörtert worden seien.
Die Kläger rügen die Verletzung materiellen und formellen Rechts und beantragen die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sowie die Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung wegen Rechtsbeugung, mit der Begründung, das FG hätte die Anfechtung zulassen müssen.
Das FA hat auf die Abgabe einer Stellungnahme verzichtet.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das FG den Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgelehnt. Zwar kann das FG nach Schluß der mündlichen Verhandlung diese wiedereröffnen (§ 93 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dies war hier aber nicht mehr möglich, weil das FG das Urteil bereits am 14. Oktober 1998 um 14.30 Uhr verkündet hatte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 221). Die Kläger haben die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erstmals mit dem am 11. November 1998 eingegangenen Schriftsatz vom 10. November 1998 beantragt.
Soweit sich die Kläger mit der Beschwerde gegen die Ablehnung der Berichtigung des Protokolls wenden, ist diese unzulässig. Denn eine Protokollberichtigung kann als unvertretbare Verfahrenshandlung nur durch den Instanzrichter oder den Protokollführer vorgenommen werden (BFH-Beschlüsse vom 12. Februar 1998 VII B 241/97, BFH/NV 1998, 873; vom 18. März 1997 VII B 147/96, BFH/NV 1997, 775). Gründe dafür, daß die Beschwerde ausnahmsweise dennoch zulässig sein könnte (vgl. BFH-Beschluß vom 23. November 1988 X B 1/88, BFH/NV 1989, 643), sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorwurf der Rechtsbeugung. Auch die Vertreterin des FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG hat erklärt, das beanstandete Protokoll sei richtig, insbesondere sei der Beschluß am Schluß der mündlichen Verhandlung richtig protokolliert, die Entscheidung werde heute am Schluß der Sitzung verkündet.
Fundstellen
Haufe-Index 422561 |
BFH/NV 2000, 211 |