Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung von Personalrabatt durch den Unternehmer beim Einkauf von Waren durch seine Mitarbeiter ist keine Leistung gegen Entgelt in Form ideellen Arbeitsanteils, sondern Preisnachlaß.
Normenkette
UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), ein Kaufhausunternehmen, hat in den Jahren 1968 bis 1973 ihren leitenden Angestellten bei Wareneinkäufen in ihrem Unternehmen einen um 5 v. H. höheren Personalrabatt als den übrigen Arbeitnehmern gewährt. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) hat zu diesem Vorgang die Auffassung vertreten, in Höhe des zusätzlich eingeräumten Rabattanteils liege lohnsteuerrechtlich ein geldwerter Vorteil vor. Aus dieser lohnsteuerrechtlichen Beurteilung folge, daß umsatzsteuerrechtlich hinsichtlich dieser Rabattspitze von 5 v. H. ein Leistungsaustausch gegeben sei, dem eine Arbeitsleistung der leitenden Angestellten gegen Vorteilsgewährung zugrunde liege. Gemäß Tz. 18 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 23. Mai 1977 (BStBl I 1977, 309, Umsatzsteuer- Rundschau 1977 S. 113 - UStR 1977, 113 -) könnten nur die lohnsteuerlich nicht als geldwerter Vorteil behandelten Rabatte (vgl. Abschn. 53 Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1975) umsatzsteuerrechtlich als Preisnachlaß behandelt werden. Bei gestaffelten Rabatten (z. B. höheren Rabatten an leitende Angestellte) sei der überhöhte Teil der Rabatte nicht als Preisnachlaß anzuerkennen. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung hat das FA mit Sammelberichtigungsbescheid vom 7. April 1978 für die Jahre 1968 bis 1973 die Umsatzsteuerfestsetzung dieser Jahre um diejenigen Beträge erhöht, die sich aus der Anwendung des allgemeinen Steuersatzes auf die gewährten erhöhten Rabatte von 5 v. H. ergab (Mehrsteuer von 517 883,67 DM). Gegen diese Steuerfestsetzungen hat die Klägerin teils Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist; teils ist über die eingelegten Einsprüche noch nicht entschieden.
Den Antrag der Klägerin, die Vollziehung des Sammelberichtigungsbescheids auszusetzen, hat das FA abgelehnt. Daraufhin hat die Klägerin beim FG den Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gestellt und zu seiner Begründung vorgetragen, für die Umsatzbesteuerung sei das vereinbarte Entgelt maßgebend; eine Korrektur auf ein fiktives Entgelt lasse das Umsatzsteuerrecht nicht zu. Die leitenden Angestellten hätten lediglich um den (erhöhten) Personalrabatt verminderte Entgelte für die Warenlieferungen aufgewendet. Es sei auch nicht angängig anzunehmen, sie hätten einen ideellen Anteil ihrer Arbeitsleistung für den Ankauf der Waren aufgewendet. Das Finanzgericht (FG) hat dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im vollen Umfang entsprochen.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des FA. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung beständen nicht. Die leitenden Angestellten hätten für die Warenlieferungen neben dem Barbetrag einen ideellen Teil ihrer Arbeitsleistung aufgewendet, wobei ein Wert der Arbeitsleistung in Höhe des zusätzlich gewährten Rabatts angenommen werde. Beide Entgeltsteile zusammen bildeten die Gegenleistung. Von einem fiktiven Entgelt könne also keine Rede sein. Die notwendige kausale Verknüpfung von Warenlieferung und der Gegenleistung im vorbezeichneten Sinne sei dadurch begründet, daß ein tauschähnlicher Umsatz im Sinne des § 3 Abs. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) vorliege. Diese Beurteilung werde durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Februar 1975 V R 103/72 (BFHE 115, 75, BStBl II 1975, 255) bestätigt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist nicht begründet.
1. Die Klägerin hat an ihre Mitarbeiter, so auch an die leitenden Angestellten, Waren ihres Sortiments verkauft und ihnen dabei einen Rabatt auf den Ladenpreis eingeräumt (sog. Personalrabatt). Bei Kaufverträgen ist - wie auch bei allen anderen gegenseitigen Verträgen - die den Leistungsaustausch kennzeichnende innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung deutlich ausgeprägt. Diese innere Verknüpfung hat der Senat im Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495, UStR 1981, 147) des näheren beschrieben: Die Annahme eines Leistungsaustauschs erfordert auf seiten des leistenden Unternehmers ein zweckgerichtetes, d. h. auf den Erhalt einer objektiv erzielbaren Gegenleistung gerichtetes Verhalten (durch Lieferung oder sonstige Leistung), die die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung auslöst. Bei Kaufverträgen ist die zivilrechtliche und umsatzsteuerrechtliche Situation deckungsgleich. Der Verkäufer übergibt (liefert) die Kaufsache dem Käufer, weil er den Kaufpreis (das Entgelt) will. So hat auch die Klägerin nach den getroffenen Feststellungen ihren Angestellten die um den Personalrabatt verminderten Ladenverkaufspreise abverlangt und erhalten. Die Klägerin hat mithin für ihre Waren nicht mehr und nicht weniger verlangt und erhalten als diesen rabattierten Kaufpreis. Dieser bildet gemäß § 10 UStG 1967 die Bemessungsgrundlage für die entgeltliche (d. h. um des vereinbarten Kaufpreises willen erbrachte) Leistung der Klägerin in Form der Warenlieferung.
2. Das Vorbringen des FA läuft demgegenüber alternativ darauf hinaus, die leitenden Angestellten der Klägerin hätten entweder für die Warenlieferungen mehr als den vereinbarten Kaufpreis aufzuwenden gehabt und auch in Form anteiliger Arbeitsleistung tatsächlich aufgewendet oder sie hätten einseitig und zusätzlich zum vereinbarten, mit der Warenlieferung von der Klägerin erstrebten Kaufpreis eine zusätzliche Leistung erbracht, die zum Entgelt im Sinne des § 10 UStG 1967 gehöre (zusätzliches freiwillig aufgewendetes Entgelt in Form ideellen Arbeitsanteils).
a) Die erste Alternative (Vereinbarung und Vereinnahmung eines über den rabattierten Kaufpreis hinausgehenden Entgeltsteils in Form anteiliger ideeller Arbeitsleistung) findet schon in den tatsächlichen Vorgängen keine Stütze. Das räumt das FA selbst mit seinem Vortrag ein, der den leitenden Angestellten zusätzlich gewährte Rabatt von 5 v. H. werde lohnsteuerrechtlich nicht als Preisnachlaß anerkannt, sondern als geldwerter Vorteil behandelt; hieraus folge für das Umsatzsteuerrecht, daß dieser den Angestellten gewährte Vorteil einen ideellen Teil der Arbeitsleistung zur Gegenleistung habe, also beides in innerer Verknüpfung zueinander stehe. Diese Argumentation macht ersichtlich, daß die Angestellten von der Klägerin tatsächlich einen Preisnachlaß erhalten haben, der aber lohnsteuerrechtlich nicht anerkannt werden soll. Die hieraus gezogenen Schlußfolgerungen für die Umsatzsteuer erwecken den unzutreffenden Eindruck, die Klägerin und die leitenden Angestellten hätten Kaufverträge geschlossen, denen zufolge der vereinbarte Kaufpreis aus einer Zahlung von Bargeld und einer Arbeitsleistung bestehe. Richtig ist dagegen, daß das FA aus einer lohnsteuerrechtlichen Beurteilung, deren Richtigkeit hier dahingestellt bleiben kann, für die Umsatzsteuer einen tatsächlichen Hergang konstruiert hat, der mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereinstimmt.
b) Reduziert man daher das Vorbringen des FA auf eine zur Umsatzsteuer gezogene rechtliche Schlußfolgerung, die aus einer lohnsteuerrechtlichen Beurteilung hergeleitet worden ist, liegt dieser ein fehlsames Verständnis über das Verhältnis von Lohnsteuer zur Umsatzsteuer zugrunde. Zu ihm hat der Senat in Abschn. 3 Buchst. d seines Urteils in BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495, UStR 1981, 147 Stellung genommen. Auch im vorliegenden Fall ist irrigerweise aus dem Umstand, daß aus der (lohnsteuerrechtlich maßgeblichen) Sicht des Arbeitnehmers diesem ein geldwerter Vorteil (in Form eines Preisnachlasses) zugekommen ist, geschlossen worden, diese Zuwendung beruhe auf einer Leistung (gegen Entgelt). Das Nachgeben des Verkäufers bei Preisverhandlungen ist keine sonstige Leistung an den Käufer, sondern im Rahmen des angestrebten Leistungsaustauschs eine Bereitschaft, die eigentliche Leistung gegen ein geringeres Entgelt zu erbringen (Preisnachlaß).
Die Gewährung eines Preisnachlasses ist auch nicht gegen Entgelt erfolgt. Entgeltlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 erfordert die Feststellbarkeit einer objektiv erzielbaren und erbringbaren Gegenleistung. Die Preisnachlässe der Klägerin sind zwar durch das Arbeitsverhältnis und die Arbeitnehmereigenschaft ihrer leitenden Mitarbeiter veranlaßt, aber nicht im Austausch gegen einen entsprechenden Teil der Arbeitsleistung gewährt worden. Nach den objektiven Gegebenheiten kommt die Arbeitsleistung der Mitarbeiter als ein verfügbares, d. h. von der Klägerin als Verkäuferin anstrebbares Entgelt für die Warenlieferung nicht in Betracht. Den Einsatz der vollen Arbeitsleistung schulden die Mitarbeiter ohnehin aufgrund der bestehenden Arbeitsverträge. Die rechtsirrige Auffassung des FA würde dazu führen, daß der Mitarbeiter durch den Umfang seiner Einkäufe einseitig darüber bestimmen würde, wieviel Arbeitsleistung er monatlich für sein Monatsgehalt erbringt. Im Extremfall (z. B. beim Erwerb eines Fertighauses mit kompletter Einrichtung) könnte sich dann ergeben, daß der gewährte erhöhte Rabatt betragsmäßig an sein Monatsgehalt heranreicht. In diesem Fall würde der Mitarbeiter bei Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung sein Monatsgehalt erhalten, ohne dafür eine Arbeitsleistung erbracht zu haben, denn sie wäre nach dem irrigen Verständnis der Verwaltung für die Einkäufe aufgewendet worden.
c) Die zweite Alternative (ideeller Arbeitsanteil als zusätzliches freiwilliges Entgelt der Mitarbeiter für den verbilligten Wareneinkauf) kann aus den vorstehenden Erwägungen nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden, weil sie ebenfalls von einer einseitigen Verfügungsbefugnis des Mitarbeiters über seine Arbeitsleistung ausgeht.
3. Das FA hat mit der Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Warenlieferungen der Klägerin um 5 v. H. in Wirklichkeit eine Korrektur auf ein fiktives Entgelt vorgenommen, das es - beeinflußt durch die lohnsteuerrechtlichen Gedankengänge - für angemessen gehalten hat. Derartige Entgeltsveränderungen verstoßen gegen die Systematik der Umsatzsteuer im allgemeinen und gegen den Wortlaut des § 10 UStG 1967 im besonderen (vgl. zuletzt Urteil vom 26. Februar 1976 V R 167/70, BFHE 118, 261, BStBl II 1976, 443 UStR 1976, 202 mit Anmerkung).
Fundstellen
BStBl II 1981, 775 |
BFHE 1981, 65 |