Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer zu privaten Zwecken als tauschähnlicher Umsatz
Hintergrund: Umsatzsteuer bei privater Nutzung von Firmenwagen
Die luxemburgische A-AG hatte Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg. Im Inland unterhielt sie keine feste Niederlassung.
Die A überließ ihren im Inland wohnenden Angestellten PS und FL jeweils ein zum Unternehmensvermögen gehörendes Firmenfahrzeug, das PS und FL auch privat nutzen konnten. Mit PS vereinbarte die A eine Eigenbeteiligung, die sie aber aufgrund einer vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht einforderte. Vom Gehalt des FL behielt die A einen Betrag ein, da die für das Fahrzeug zu zahlende Leasingrate insoweit das mit dem Mitarbeiter für die Fahrzeugüberlassung vereinbarte Budget überschritt.
In Luxemburg wurde (nach dem vereinfachten Besteuerungsverfahren) weder die Fahrzeugüberlassung besteuert noch kam es dort zu einem Vorsteuerabzug.
Die A reichte beim FA USt-Erklärungen ein, in denen sie das Entgelt für die Fahrzeugüberlassung nach der 1 %-Regelung (nebst Zuschlägen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte und Familienheimfahrten) berücksichtigte.
Mit der Klage gegen die entsprechenden USt-Festsetzungen wandte die A ein, die Überlassung der Dienstwagen erfolge nicht gegen Entgelt i.S. der EU-Vorgaben.
Das FG setzte das Verfahren aus und legte die Frage der Auslegung von Art. 56 Abs. 2 MwStSystRL im Zusammenhang mit der Überlassung von Firmenfahrzeugen dem EuGH vor.
Der EuGH antwortete mit dem Urteil Finanzamt Saarbrücken v. 20.1.2021, C-288/19 (EU:C:2021:32).
Im Anschluss daran gab das FG der Klage überwiegend statt. An PS habe die A das Fahrzeug nicht gegen Entgelt überlassen, da PS keine Zahlung geleistet habe. Auch in der (teilweisen) Arbeitsleistung sei kein Entgelt zu sehen. Dementsprechend sei auch die Fahrzeugüberlassung an FL nur in Höhe des Einbehalts (5.688 EUR) steuerbar.
Entscheidung: Fahrzeugüberlassung gegen Arbeitsleistung als tauschähnlicher Umsatz
Der BFH widerspricht dem FG. Auf die Revision des FA wurde das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das FG hat zu Unrecht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Fahrzeugüberlassung und der Arbeitsleistung im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes verneint. Die Fahrzeugüberlassung ist als Vermietung eines Beförderungsmittels im Inland steuerbar.
Tauschähnlicher Umsatz
Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG). Diese können auch mit einer Barzahlung verbunden werden (tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe, z.B. BFH v. 31.7.2008, V R 74/05, BFH/NV 2009, S. 226).
Unionsrecht
Obwohl die MwStSystRL keine § 3 Abs. 12 UStG entsprechende Bestimmung enthält, sind Gegenleistungen in Form von Geldzahlungen und Sachleistungen auch unionsrechtlich gleich zu behandeln (z.B. EuGH-Urteil Orfey v. 19.12.2012, C-549/11, EU:C:2012:832). Damit kann die Gegenleistung für eine Lieferung in einer Dienstleistung bestehen und Besteuerungsgrundlage der Lieferung sein, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung und der Dienstleistung besteht und der Wert der Dienstleistung in Geld ausgedrückt werden kann (z.B. EuGH-Urteil A v. 10.1.2019, C-410/17, EU:C:2019:12, Rz. 35 f.). Das Gleiche gilt, wenn eine Dienstleistung gegen eine andere Dienstleistung getauscht wird (EuGH-Urteil Serebryannay vek v. 26.9.2013, C-283/12, EU:C:2013:599, Rz. 38).
Ablehnung der Schrifttumsmeinung
Der BFH teilt nicht die im Schrifttum vertretenen Auffassung, nach der ein tauschähnlicher Umsatz ausgeschlossen ist, wenn nur die Arbeitsleistung als Entgelt für die Fahrzeugüberlassung in Frage kommt (z.B. Detmering/Haack, DStR 2022, 71, S. 72). Gegen die Ablehnung eines Sachentgelts spricht auch, dass vom nationalen Gericht zu prüfen ist, ob die Überlassung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs an dessen Arbeitnehmer eine Dienstleistung gegen Entgelt ist (EuGH-Urteil Finanzamt Saarbrücken, EU:C:2021:32, Rz. 32).
Steuerbarer Umsatz
Im Streitfall ist der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der Fahrzeugüberlassung und der (teilweisen) Arbeitsleistung gegeben. Denn die A und die Angestellten hatten das Recht zur Privatnutzung individuell arbeitsvertraglich vereinbart. Damit besteht ein das Dienstverhältnis prägender Zusammenhang. Die Zahlung eines Mietzinses ergibt sich als Sachvergütung aus der im unmittelbaren Zusammenhang mit der Fahrzeugüberlassung zu erbringenden Arbeitsleistung.
Lohnsteuerliche Werte als Bemessungsgrundlage
Der Wert des Umsatzes umfasst alle Ausgaben, die der Empfänger der jeweiligen Leistung aufwendet, um die fragliche Leistung zu erhalten. Es ist nicht zu beanstanden, wenn insoweit die der A entstandenen Kosten angesetzt werden (BFH v. 31.7.2008, V R 74/05, BFH/NV 2009, S. 226). Soweit der Wert nicht ermittelt werden kann, ist er zu schätzen (BFH v. 25.4.2018, XI R 21/16, BStBl II 2018, S. 505, Rz. 22). Die A hat ihren USt-Erklärungen die Vereinfachungsregelung in Abschn. 15.23 Abs. 11 Satz 2 Nr. 1 UStAE zugrunde gelegt. Danach können anstelle der Ausgaben die lohnsteuerrechtlichen Werte als Bruttowerte angesetzt werden, aus denen die USt herauszurechnen ist. Dies wird vom BFH zur erleichterten Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht beanstandet (BFH v. 25.4.2018, XI R 21/16, BStBl II 2018, S. 505, Rz. 27).
Hinweis: Klarstellung
Der BFH stellt klar, dass die einkommensteuerrechtliche Beurteilung geldwerter Vorteile grundsätzlich unerheblich ist für die umsatzsteuerrechtliche Frage des unmittelbaren Zusammenhangs. Ferner bringt die Entscheidung die Klarstellung, dass bei wirtschaftlicher Realität die Nutzungsmöglichkeit für Privatzwecke ein wesentliches Moment des Dienstverhältnisses ist und damit ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis besteht. Ob eine faktische betriebliche Übung für die Annahme einer Vergütung ausreicht (so Abschn. 15.23 Abs. Abs. 9 Satz 2 AEAO), lässt der BFH ausdrücklich offen.
BFH Urteil vom 30.06.2022 - V R 25/21 (veröffentlicht am 29.09.2022)
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