Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für Aufhebung der Vollziehung; Auslegung des § 27 Abs. 3 und des § 28 Abs. 4 KStG a.F.
Leitsatz (NV)
- Die Vollziehung eines Steuerbescheids kann grundsätzlich nicht aufgehoben werden, wenn dies dazu führen würde, dass das FA eine bereits vereinnahmte Steuer wieder auskehren müsste und mit dem dadurch erneut aufgelebten Steueranspruch nur Insolvenzgläubiger wäre. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die besonderen Voraussetzungen für eine die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmende Eilentscheidung vorliegen.
- Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass ein handelsrechtlich nichtiger Gewinnverteilungsbeschluss generell als ein solcher anzusehen ist, der i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1999 nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entspricht.
- § 28 Abs. 4 KStG 1999 greift möglicherweise u.a. dann ein, wenn die Kapitalgesellschaft zunächst eine Bescheinigung nach § 44 Abs. 1 KStG 1999 ausgestellt hat und sich erst später herausstellt, dass das in der Bescheinigung als verwendet bestätigte Eigenkapital tatsächlich nicht vorhanden war.
Normenkette
KStG 1999 § 27 Abs. 3, § 28 Abs. 4, § 44 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der T-GmbH. Sie streitet mit dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) über die Rechtsmäßigkeit eines gegenüber der T-GmbH erlassenen Körperschaftsteuerbescheids und eines Bescheids über den Solidaritätszuschlag für das Streitjahr (2000).
Die Gesellschafter der T-GmbH beschlossen am 4. Dezember 2000 eine Ausschüttung des bilanzierten und testierten Jahresüberschusses aus 1999 (X DM) sowie des ausgewiesenen Gewinnvortrags (Y DM). Die T-GmbH zahlte die Dividenden im Dezember 2000 an die Gesellschafter aus und führte hierfür Kapitalertragsteuer ab. Ebenfalls am 4. Dezember 2000 wurde beschlossen, das Stammkapital der T-GmbH durch Bareinlage um Z DM zu erhöhen; die Einlagen wurden noch im Jahr 2000 geleistet und die Kapitalerhöhung im Jahr 2001 im Handelsregister eingetragen.
Bei der Erstellung des Jahresabschlusses der T-GmbH für 2000 wurde festgestellt, dass der Abschluss für 1999 und in der Folge die Gewinnausschüttung sowie die damit verbundene Kapitalerhöhung nichtig waren. Daraufhin wurde die Kapitalerhöhung vom Registergericht von Amts wegen gelöscht. Die Gesellschafter gewährten der T-GmbH die ausgeschütteten Beträge im Wege der Verrechnung mit eigenen Ansprüchen zurück. Die Handels- und die Steuerbilanz zum 31. Dezember 1999 wurden geändert und weisen nunmehr einen Verlust in Höhe von … DM aus.
Die T-GmbH wies in ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2000 eine "andere Ausschüttung" in Höhe von X+Y DM aus und ordnete die im Dezember 2000 geleisteten Gesellschafterbeiträge dem EK 04 (verwendbares Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes ―KStG― 1977) zu. Dem folgte das FA in der Weise, dass er die "andere Ausschüttung" mit dem EK 02 verrechnete. Das führte, da das bis dahin vorhandene EK 02 der T-GmbH negativ war, zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer. Die T-GmbH legte gegen die demgemäß erlassenen Steuerbescheide Einsprüche ein, über die das FA noch nicht entschieden hat.
Nachdem das FA einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte, beantragte die T-GmbH beim Finanzgericht (FG) eine Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide in Höhe von … DM Körperschaftsteuer sowie … DM Solidaritätszuschlag. Die Beträge errechnen sich aus der steuerlichen Mehrbelastung der T-GmbH abzüglich der Steuererstattung, die die Sachbehandlung des FA bei der Mehrheitsgesellschafterin der T-GmbH ausgelöst hat. Das FG lehnte den Antrag ebenfalls ab und ließ die Beschwerde gegen seine Entscheidung zu (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2003, 54).
Die T-GmbH focht den Beschluss des FG daraufhin mit der Beschwerde an. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens wurde über das Vermögen der T-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Antragstellerin wurde, nachdem sie im Dezember 2002 als vorläufige Insolvenzverwalterin eingesetzt worden war, am 1. März 2003 zur Insolvenzverwalterin bestellt. Sie hat daraufhin das Beschwerdeverfahren aufgenommen und beantragt sinngemäß, den Beschluss des FG abzuändern und die Vollziehung der angefochtenen Bescheide entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag der T-GmbH aufzuheben.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Antragstellerin kann den von ihr begehrten einstweiligen Rechtsschutz nicht erhalten, da durch diesen die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen würde und die hierfür bestehenden besonderen Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen.
1. Der Antrag der T-GmbH, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide aufzuheben, war zulässig. Insbesondere war die in § 69 Abs. 4 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannte Zugangsvoraussetzung erfüllt, nachdem das FA den zuvor bei ihm gestellten Aufhebungsantrag abgelehnt hatte. Ferner ist die Beschwerde vom FG zugelassen und von der T-GmbH form- und fristgerecht erhoben worden. Schließlich hat die Antragstellerin das Beschwerdeverfahren, das durch ihre Einsetzung als vorläufige Insolvenzverwalterin gemäß § 240 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO unterbrochen worden war, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigterweise aufgenommen (§ 85 Abs. 1 der Insolvenzordnung ―InsO―).
2. Nach § 69 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 7 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen, aber bereits vollzogenen Verwaltungsakts aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Das wiederum ist dann der Fall, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zumindest gewichtige Gründe gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 86, m.w.N.). Jedoch kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keine Maßnahme getroffen werden, die die Entscheidung zur Hauptsache vorwegnehmen würde. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn entweder die Rechtslage klar und eindeutig ist und deshalb die Gefahr einer Fehlentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht besteht (Senatsbeschluss vom 13. November 2002 I B 147/02, BFHE 201, 80, BStBl II 2003, 716, 719) oder wenn die Maßnahme zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unerlässlich ist, der Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist und der Anordnungsgrund eine besondere Intensität aufweist (Senatsbeschluss vom 23. September 1998 I B 82/98, BFHE 186, 433, BStBl II 2000, 320, m.w.N.). Diese Regeln sind für den Bereich der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) entwickelt worden, gelten aber ebenso für das Verfahren wegen Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung.
3. Im Streitfall hat das FA diejenigen Steuerforderungen, die in den angefochtenen Bescheiden festgesetzt worden sind, schon vor Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens gegen Steuererstattungsansprüche der T-GmbH aufgerechnet. Dadurch hat es die genannten Bescheide i.S. des § 69 FGO vollzogen (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 1995 VII R 58/94, BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz. 55 "Aufrechnung", m.w.N.). Die Antragstellerin will nunmehr erreichen, dass die Aufrechnung einstweilen außer Kraft gesetzt wird und dadurch die Steuererstattungsansprüche der T-GmbH zur Auszahlung frei werden. Dieses Ziel kann zwar dem Grunde nach im Wege der Aufhebung der Vollziehung erreicht werden. Im Streitfall würde hierdurch jedoch die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen.
Denn wenn die Aufrechnung als Vollziehungsmaßnahme ausgesetzt würde, müsste das FA die Steuererstattungsansprüche der T-GmbH durch Zahlung in die Insolvenzmasse tilgen. Es könnte zwar dann, da zugleich die Tilgungswirkung der Aufrechung (§ 47 der Abgabenordnung ―AO 1977―) einstweilen entfiele, erneut auf die für die Streitjahre bestehenden Steueransprüche zurückgreifen. Diese Ansprüche würden ihm jedoch, da sie schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben, nur die Stellung eines Insolvenzgläubigers vermitteln (§ 38 InsO). Sie müssten zur Insolvenztabelle angemeldet werden (§ 174 Abs. 1 InsO) und würden, wenn sich im Hauptverfahren die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide herausstellen sollte, nach Maßgabe der Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger aus der Insolvenzmasse getilgt (§ 187 ff. InsO). Da Insolvenzverfahren nur selten zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger führen, würde das FA mit diesen Forderungen mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig oder teilweise ausfallen. Im Ergebnis könnte es mithin, selbst wenn es im Hauptverfahren in vollem Umfang Erfolg hätte, den festgesetzten Steueranspruch wirtschaftlich nicht mehr realisieren. Damit könnte die begehrte Aufhebung der Vollziehung für das FA zu einem Vermögensverlust führen, der nach einem Obsiegen im Hauptverfahren nicht mehr kompensiert werden könnte. In diesem Sinne würde sie die Entscheidung im Hauptverfahren vorwegnehmen.
4. Diejenigen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine solche Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung zulässig ist, liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere ist weder ein Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich noch gar die Rechtslage in einem der Antragstellerin günstigen Sinne eindeutig. Die Frage, ob die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind, muss vielmehr bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung als offen bezeichnet werden:
a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Gesellschafterversammlung der T-GmbH im Streitjahr eine Ausschüttung des Jahresgewinns 1999 und des am 31. Dezember 1999 vorhandenen Gewinnvortrags beschlossen hat und dass die Ausschüttungsbeträge ebenfalls im Streitjahr an die Gesellschafter ausgezahlt worden sind. Das FA würdigt dies als "andere Ausschüttung" i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG 1999), die sich auf die für das Streitjahr festzusetzende Körperschaftsteuer auswirkt. Das ist dann zutreffend, wenn die Ausschüttung nicht auf einem Gewinnverwendungsbeschluss beruht, der den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entspricht. Anderenfalls greift im Streitfall § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1999 ein mit der Folge, dass die Ausschüttung zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer nicht des Streitjahres, sondern allenfalls des Vorjahres (1999) führen kann.
Die Anwendung des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG auf den Streitfall ist jedenfalls nicht eindeutig verfehlt. Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass der genannte Gewinnverteilungsbeschluss auf einem Jahresabschluss für 1999 beruhte, der infolge unzutreffender Bewertung verschiedener Vermögensgegenstände nichtig war. Das wiederum führt aus handelsrechtlicher Sicht zur Nichtigkeit des Gewinnverteilungsbeschlusses (Dötsch in Dötsch/ Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 27 Körperschaftsteuergesetz a.F. Rz. 116, m.w.N.). Ein handelsrechtlich nichtiger Gewinnverteilungsbeschluss entspricht nach der Rechtsprechung des Senats nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften (Senatsurteil vom 23. Juli 1975 I R 165/73, BFHE 117, 30, BStBl II 1976, 73). Diese Rechtsprechung bezieht sich zwar nicht auf das KStG 1999, sondern auf die vor 1977 geltende Rechtslage; es liegt jedoch nahe, sie auf § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1999 zu übertragen (ebenso z.B. Streck, Körperschaftsteuergesetz, 6. Aufl., § 28 a.F. Anm. 4; vgl. auch Senatsurteil vom 7. November 2001 I R 11/01, BFH/NV 2002, 540, zum KStG 1991). Angesichts dessen sprechen gewichtige Gründe für die Annahme des FA, dass die in Rede stehende Ausschüttung bei der Besteuerung der T-GmbH für das Streitjahr ―und nicht für das Jahr 1999― zu berücksichtigen ist.
b) Die Auswirkung der Ausschüttung auf die festzusetzende Körperschaftsteuer ergibt sich nach Ansicht des FA aus § 27 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 4 KStG 1999. Nach § 27 Abs. 1 KStG 1999 erhöht oder vermindert sich die Körperschaftsteuer um den Unterschiedsbetrag zwischen der Belastung desjenigen Eigenkapitals, das als für die Ausschüttung verwendet gilt, und der in der Vorschrift definierten Ausschüttungsbelastung. Ergänzend dazu bestimmt § 28 Abs. 4 KStG 1999, dass in bestimmten Fällen Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1999 (EK 02) als für die Ausschüttung verwendet gilt. Eine Anwendung dieser Bestimmung führt, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, zu den vom FA vorgenommenen Steuerfestsetzungen.
Der Streit zwischen den Beteiligten betrifft demgemäß allein die Frage, ob § 28 Abs. 4 KStG 1999 im vorliegenden Fall eingreift oder nicht. Diese Frage ist jedenfalls nicht eindeutig im Sinne der Antragstellerin zu beantworten:
aa) Nach § 28 Abs. 4 KStG 1999 ist, wenn für eine Gewinnausschüttung zunächst Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 KStG 1999 als verwendet galt und später diese Teilbeträge nicht mehr ausreichen, die Ausschüttung insoweit immer mit dem EK 02 zu verrechnen; das gilt auch dann, wenn durch die Verrechnung das EK 02 negativ wird. Das FA hält diese Regelung deshalb für im Streitfall einschlägig, weil die T-GmbH ihren Gesellschaftern im Zusammenhang mit der Ausschüttung für 1999 Steuerbescheinigungen (§ 44 KStG 1999) ausgestellt hat und erst nach Ausstellung dieser Bescheinigungen die Nichtigkeit des Jahresabschlusses für 1999 bekannt geworden ist. Es versteht die in § 28 Abs. 4 KStG 1999 verwendeten Ausdrücke "zunächst" und "später" also i.S. von "vor" und "nach Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 44 KStG 1999". Dies entspricht einer im Schrifttum vertretenen Auslegung der Vorschrift (z.B. Dötsch, a.a.O., § 28 KStG a.F. Rz. 45) und wohl auch der Ansicht der Finanzverwaltung (Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 10. März 1995, BStBl I 1995, 254; Abschn. 78 Abs. 5 Satz 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995).
bb) Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass die vorstehend skizzierte Auslegung des § 28 Abs. 4 KStG 1999 nicht die einzig mögliche ist. So könnte man die in der Vorschrift enthaltene Formulierung, dass zunächst als verwendet geltende Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals "später nicht mehr ausreichen", auch im Sinne einer Anknüpfung an die objektiv vorhandenen Kapitalbestände verstehen. Bei einer solchen Deutung käme § 28 Abs. 4 KStG 1999 nur dann zum Zuge, wenn sich ein ursprünglich vorhandenes verwendbares Eigenkapital durch eine nachträgliche Entwicklung ―z.B. als Folge eines Verlustrücktrags oder einer abweichenden Ausübung von bilanziellen Wahlrechten― vermindert. Nicht anwendbar wäre die Vorschrift hingegen, wenn ―wie nach der Darstellung der Antragstellerin im Streitfall― nicht der Kapitalbestand, sondern nur der Kenntnisstand der Gesellschaft oder der Gesellschafter sich geändert hat. Eine dahin gehende Auslegung würde vom Wortlaut des § 28 Abs. 4 KStG 1999 gedeckt und ließe sich zudem möglicherweise u.a. auf § 44 KStG 1999 stützen, der für Fälle dieser Art zwar die Rückforderung unrichtiger Steuerbescheinigungen anordnet (Abs. 4), eine Haftung des Ausstellers der Bescheinigung aber nur unter bestimmten Voraussetzungen bestimmt (Abs. 5 und 6). Wenn dies als abschließende Regelung zu den Folgen eines Irrtums über den Kapitalbestand zu verstehen wäre, könnte hieraus folgen, dass § 28 Abs. 4 KStG 1999 bei einer solchen Gestaltung ―und damit im Streitfall― nicht anwendbar ist. Dasselbe könnte gelten, wenn § 28 Abs. 4 KStG 1999 nur dann eingreifen würde, wenn sich das Fehlen ausreichenden verwendbaren Eigenkapitals erst im Anschluss an den Erlass eines Feststellungsbescheids gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1999 herausstellt (in diesem Sinne evtl. Streck, a.a.O., § 28 a.F. Rz. 4; Rekow in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 28 KStG a.F. Rz. 61; hierzu Dötsch, a.a.O., § 28 KStG a.F. Rz. 45).
cc) Die vorstehend dargestellte Problematik ist bislang nicht abschließend geklärt. Auch der Streitfall bietet keine Veranlassung, hierzu näher Stellung zu nehmen. Denn im Rahmen des summarischen Verfahrens ist allein entscheidend, dass die vom FA vertretene Auslegung des § 28 Abs. 4 KStG 1999 jedenfalls nicht abwegig ist. Sie wird nicht nur von gewichtigen Stimmen vertreten, sondern auch dem Ziel der Vorschrift gerecht, die Besteuerung der Kapitalgesellschaft zuverlässig mit der Steueranrechnung bei den Gesellschaftern zu verknüpfen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. April 2001 I R 43/00, BFH/NV 2001, 1607). Zudem ist der Senat in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass § 28 Abs. 4 KStG 1999 u.a. dann eingreift, wenn sich das Fehlen eines ausreichenden verwendbaren Eigenkapitals im Gefolge einer Betriebsprüfung ergibt (Senatsurteil in BFH/NV 2001, 1607); diese Rechtsprechung beruht ersichtlich auf der Vorstellung, dass nicht nur eine objektive Veränderung des Kapitalbestandes, sondern auch neue subjektive Erkenntnisse über die Höhe des verwendbaren Eigenkapitals eine Anwendung der Vorschrift rechtfertigen. Angesichts dessen besteht kein Raum für die Annahme, dass die Rechtslage in diesem Punkt in dem von der Antragstellerin verfochtenen Sinne eindeutig sei.
c) Geht man von der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 4 KStG 1999 aus, so tritt die darin bestimmte Rechtsfolge ungeachtet dessen ein, dass die Gesellschafter die an sie ausgezahlten Beträge alsbald an die T-GmbH zurückgezahlt haben. Denn eine durch Auszahlung vollzogene Gewinnausschüttung kann nicht mit steuerlicher Wirkung rückgängig gemacht werden; die Rückzahlung empfangener Ausschüttungsbeträge durch die Gesellschafter ist vielmehr steuerrechtlich regelmäßig als Einlage zu behandeln (Senatsurteile vom 21. Juli 1999 I R 57/98, BFHE 190, 103, BStBl II 2001, 127; vom 5. September 2001 I R 60, 61/00, BFH/NV 2002, 222, m.w.N.). Es kann offen bleiben, ob im Streitfall in Bezug auf die Bewertung als Einlage deshalb eine andere Beurteilung angezeigt ist, weil die Rückzahlung der Ausschüttungsbeträge mit der beschlossenen Kapitalerhöhung zusammenhing. Denn wenn in diesem Punkt der Ansicht der Antragstellerin zu folgen wäre, dass der Beschluss über die Kapitalerhöhung nichtig gewesen und deshalb von Anfang an eine Einlage vorgelegen habe, würde sich daraus zwar bei der T-GmbH zum 31. Dezember 2000 eine Erhöhung des verwendbaren Eigenkapitals i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 (EK 04) ergeben. Jedoch ist im Anwendungsbereich des § 28 Abs. 4 KStG 1999 eine Verrechnung mit EK 02 auch dann vorzunehmen, wenn die Gewinnausschüttung durch vorhandenes EK 04 abgedeckt werden könnte (Senatsurteil in BFH/NV 2001, 1607). Für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide hat die Rückzahlung der Ausschüttungsbeträge daher unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Bedeutung.
d) Dasselbe gilt schließlich für den Umstand, dass die Gesellschafter die ihnen erteilten Steuerbescheinigungen an die T-GmbH zurückgegeben haben, ohne zuvor von ihnen Gebrauch gemacht zu haben. Denn § 28 Abs. 4 KStG 1999 macht die Verrechnung mit EK 02 nicht davon abhängig, dass die Gesellschafter eine entsprechende Steueranrechnung erreicht oder beantragt haben. Eine solche Einschränkung wäre speziell bei Publikumsgesellschaften auch kaum praktikabel. Für eine unterschiedliche Handhabung bei solchen Gesellschaften einerseits und bei Gesellschaften mit überschaubarem Gesellschafterbestand andererseits bietet § 28 Abs. 4 KStG 1999 aber, wie das FA zu Recht vorgetragen hat, keinen Anknüpfungspunkt.
5. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts kann nach § 69 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO auch dann aufgehoben werden, wenn das Fortbestehen der Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Umstände, die eine solche Bewertung rechtfertigen könnten, sind aber weder im Beschwerdeverfahren vorgetragen worden noch aus den Akten erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 1129469 |
BFH/NV 2004, 1208 |
BFH/NV 2004, 815 |