Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgaben-Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen; hier: Einzahlungen in eine Pensionskasse
Leitsatz (NV)
- Die Rechtsfrage, ob die Zahlungen des Klägers in eine Pensionskasse als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 EStG abziehbar sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung
- Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Beiträge eines Arbeitnehmers zur gesetzlichen Rentenversicherung keine vorab entstandenen Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zur Erlangung späterer sonstiger Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG. Sie sind lediglich als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Rahmen der für Vorsorgeaufwendungen geltenden Höchstbeträge (§ 10 Abs. 3 EStG) abziehbar.
- An dieser Rechtslage hat sich durch das Urteil des BVerfG vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BStBl II 2002, 618) nichts geändert.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 Buchst. a; FGO § 74; EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
Gründe
Die vor dem 1. Januar 2001 eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wirksam erhoben. Sie hat indes keinen Erfolg ―teils, weil sie nicht in der erforderlichen Weise begründet wurde (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― in der insoweit für den Streitfall noch maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2000 geltenden alten Fassung ―a.F.―; s. dazu Art. 4 und 6 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757; Neuverkündung: BGBl I 2001, 442; s. auch Spindler, Der Betrieb ―DB― 2001, S. 61 ff.), teils weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Die Rechtsfrage, ob die Zahlungen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) in eine Pensionskasse als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbar sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.).
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Beiträge eines Arbeitnehmers zur gesetzlichen Rentenversicherung keine vorab entstandenen Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zur Erlangung späterer sonstiger Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG. Sie sind lediglich als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Rahmen der für Vorsorgeaufwendungen geltenden Höchstbeträge (§ 10 Abs. 3 EStG) abziehbar (vgl. zur gesetzlichen Rentenversicherung BFH-Urteile vom 21. Juli 1981 VIII R 32/80, BFHE 134, 124, BStBl II 1982, 41; vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747; vom 28. Januar 1992 IX R 144/86, BFH/NV 1992, 587; Senatsbeschluss vom 14. Mai 1998 X R 38/93, BFH/NV 1999, 163). Der VIII. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 30. Oktober 2001 VIII R 29/00 (BFHE 197, 114, BFH/NV 2002, 268) ―die vorstehenden Grundsätze bestätigend― darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die auch die Überschusseinkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG systematisch prägende Trennung von Einkunfts- und Vermögensebene ―im Einklang mit der Behandlung von Anschaffungskosten für den Erwerb einer Kapitalanlage i.S. von § 20 EStG― die unmittelbaren Aufwendungen (Einmalprämie oder laufende Beiträge) für den Erwerb von Rentenrechten auch insoweit, als deren Erträge (ganz oder teilweise) der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 1 oder Satz 3 Buchst. a EStG unterliegen, weder als sofort abziehbare (vorweggenommene) Werbungskosten noch als Absetzungen für Abnutzung Berücksichtigung finden können.
Für die Beiträge des Klägers an die Pensionskasse gelten dieselben Überlegungen.
b) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die vorstehend angeführte Rechtsprechung des BFH aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet (Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 1 BvR 982/86, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Einkommensteuergesetz 1975, § 10 Abs. 1 Nr. 2, Rechtsspruch 3; vom 20. August 1997 1 BvR 1523/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1998, 397, und 1 BvR 1300/89, HFR 1997, 937, mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung des BVerfG).
c) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage hat auch keinen normativen Bezug zur Verfassungsproblematik der Besteuerung von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, zu der das BVerfG in seinen Urteilen vom 26. März 1980 BvR 121, 122/76 (BVerfGE 54, 11) und vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BStBl II 2002, 618) entschieden hat. Vorliegend geht es um Einzahlungen in eine Pensionskasse. Pensionskassen sind ihrer Art nach Versicherungsunternehmen (vgl. Gosch in Kirchhof, Kompaktkommentar Einkommensteuergesetz, 2. Aufl. 2002, § 4c Rdnr. 3). Sie gewähren anders als die Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen ausschließlich beitragsadäquate Ablaufleistungen. Bei Letzteren ist ―so das BVerfG (a.a.O.)― der verfassungsrechtlich gebotene Steuerzugriff auf speziell in Sozialversicherungsrenten enthaltene Transferleistungen und sonstige einkünfterelevante Bestandteile möglich. Allein hieraus ergeben sich indes keine Rückwirkungen auf den Abzug von Vorsorgeaufwendungen. Es wird dem Gesetzgeber stets unbenommen bleiben, Vorsorgeaufwendungen ―insbesondere Einzahlungen in nach dem Versicherungsprinzip arbeitende und biometrische Risiken abdeckende Versorgungseinrichtungen― ohne Verstoß gegen steuerliche Systemgrundsätze (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 114, BFH/NV 2002, 268) als Sonderausgaben zu behandeln und jedenfalls grundsätzlich der Höhe nach zu begrenzen. Dies ist ungeachtet dessen anzunehmen, dass nach den Entscheidungen des BVerfG in HFR 1998, 397 und in HFR 1997, 937 der Auftrag des BVerfG an den Gesetzgeber zur Neuordnung der Besteuerung von Alterseinkünften auch die Neuregelung des steuerlichen Abzugs von der Alterssicherung dienenden Vorsorgeaufwendungen umfasst.
2. Die gerügte Abweichung vom Urteil des BFH in BFHE 134, 124, BStBl II 1982, 41 liegt nicht vor. In jenem Fall ging es um die steuerliche Behandlung von Schuldzinsen für einen Kredit zur Nachentrichtung von Beiträgen zu einer Vorsorgeeinrichtung, nicht aber wie im Streitfall um die Abziehbarkeit der Beitragszahlungen selbst. Der BFH hat dort dargelegt, dass zwar die Beiträge selbst dem Erwerb eines Rentenstammrechts oder einer Anwartschaft dienen und deshalb deren Anschaffungskosten sind. Finanzierungskosten (Schuldzinsen, Finanzierungsnebenkosten) sind demgegenüber auch dann in vollem Umfang als Werbungskosten anzusetzen, wenn die Versicherungsleistungen einen nichtsteuerbaren Kapitalrückzahlungsanteil enthalten (vgl. zu § 22 EStG BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267, m.w.N.; zu § 20 EStG BFH-Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, BFH/NV 2000, 825). Um diese Frage geht es hier nicht.
3. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass eine verfahrensrechtliche Situation vorgelegen hätte, aufgrund welcher das FG in Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zu § 74 FGO (vgl. Senatsurteil vom 7. August 1996 X R 147/94, BFH/NV 1997, 254) gehalten gewesen wäre, das Klageverfahren wegen eines beim BVerfG anhängigen Musterverfahrens auszusetzen. Die Verfassungsproblematik einer gleichheitsgerechten Besteuerung von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und von Beamtenpensionen hat ―wie vorstehend unter 1. dargelegt― keine Rückwirkung auf die steuerliche Behandlung von Einzahlungen in eine Pensionskasse als Sonderausgaben oder ―wie vom Kläger beansprucht― als Werbungskosten.
4. Mit seiner Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen und den diesbezüglichen Vortrag übergangen, hat der Kläger einen Verstoß gegen § 96 FGO nicht schlüssig dargelegt. Sein Vorbringen enthält im Kern die Behauptung, das FG habe es unterlassen, verschiedene von ihm vorgelegte Unterlagen in die Würdigung des Prozessstoffs einzubeziehen. Damit rügt er eine fehlerhafte Beweiswürdigung, mit der ein Verfahrensmangel regelmäßig nicht begründet werden kann. Das FG hat sich im Übrigen ausdrücklich mit denjenigen Unterlagen befasst, die es nach Darlegung des Klägers übergangen haben soll. Angesichts der Bezugnahme auf S. 9 f. des Urteils auf die Gehaltsabrechnungen, Protokollnotizen, Dienst- und Anstellungsverträge hätte eine zulässige und begründete Verfahrensrüge zumindest spezifizierte Angaben darüber erfordert, welche feststehenden Tatsachen das FG seiner Auffassung nach nicht berücksichtigt haben soll.
5. Auch kommt eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit § 3b EStG nicht in Betracht. Das FG hat sein Urteil auf zwei Gründe gestützt: Es hat zum einen nicht feststellen können, dass die Entgelte auf die durch § 3b EStG begünstigten Zeiten entfielen. Es hat des Weiteren eine Gleichstellung der Arbeitsbereitschaft mit tatsächlich geleisteter Arbeit abgelehnt. Ist das angefochtene Urteil wie vorliegend kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, so muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. Oktober 1992 V B 88/92, BFH/NV 1993, 426; vom 27. Juli 1993 VII B 214/92, BFH/NV 1994, 559, und vom 31. Oktober 2001 X B 11/01, BFH/NV 2002, 193). Gegen den ersten Teil der Doppelbegründung hat der Kläger, wie vorstehend unter 4. ausgeführt, keine zulässige und begründete Rüge erhoben.
6. Im Übrigen wird von einer Begründung der Entscheidung abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 943232 |
BFH/NV 2003, 1048 |