Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangszeit i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG
Leitsatz (NV)
Ein Kind, das sich in einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem Beginn der Schutzfrist gemäß § 3 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes befindet, ist nicht im Rahmen von § 32 Abs. 4 EStG berücksichtigungsfähig.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, c; BGB §§ 1360, 1361 Abs. 1, §§ 1608, 1615 Buchst. l Abs. 1, 3; MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein volljähriges Kind, das einen Ausbildungsplatz oder einen Arbeitsplatz sucht, für die Dauer einer Übergangszeit von vier Monaten oder zumindest für den Zeitraum des Beschäftigungsverbots gemäß § 3 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) im Rahmen von § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist, ist zum Teil geklärt und im Übrigen im Streitfall nicht klärungsfähig.
a) Die Rechtsfrage, ob die Zeiten des Beschäftigungsverbots der §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigungsfähig sind, kann im Streitfall nicht geklärt werden. Das Finanzgericht (FG) hat in dem angefochtenen Urteil in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Tochter der Klägerin im streitigen Zeitraum nicht ausbildungswillig war, insbesondere sich nicht ernsthaft bemüht hat, einen Ausbildungsplatz zu erlangen. Diese Feststellungen hat die Klägerin auch nicht angegriffen. Das FG hat bereits aus diesem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG verneint (vgl. auch Senatsurteil vom 15. Juli 2003 VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473).
b) Die weitere Rechtsfrage, ob Übergangszeiten entsprechend der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG getroffenen Regelung im Rahmen von § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen sind, wenn sich das Kind in einer Zwangssituation befunden hat, ist für den in der Streitsache in Betracht kommenden Fall bereits geklärt. Der Senat hat durch Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99 (BFHE 203, 90, BStBl II 2003, 841) entschieden, dass für ein Kind, das sich in einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten zwischen einem Ausbildungssabschnitt und der Ableistung eines freiwillligen sozialen Jahres befindet, während dieser Zeit kein Anspruch auf Kindergeld besteht. Das Kind ist dabei auch nicht während der ersten vier Monate dieser Zeit zu berücksichtigen. Die Entscheidung ist entsprechend auf andere Fallgruppen zu übertragen, wenn die Zeitspanne zwischen der Zeit, in der das Kind nicht mehr im Rahmen eines in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG geregelten Tatbestands zu berücksichtigen ist, den Zeitraum von vier Monaten überschreitet.
Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Die Tochter der Klägerin hat sich nach den vom FG getroffenen Feststellungen jedenfalls ab Dezember 2000 nicht mehr ernsthaft um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bemüht. Sie war deshalb ab dieser Zeit und nicht erst sechs Wochen vor der im Oktober 2001 erfolgten Geburt ihres Kindes, dem Beginn der Frist gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG, nicht mehr nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigungsfähig. Sie hat nämlich nicht gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch alle Möglichkeiten genutzt, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Gegen die Nichtberücksichtigung der Tochter der Klägerin im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG in der Zeit der Frist gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG bestehen auch dann keine Bedenken, wenn die Klägerin ihrer Tochter gegenüber in dieser Zeit zur Leistung von Unterhalt verpflichtet gewesen sein sollte. Wie der Senat in seinem Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02 (BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848) entschieden hat, ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, jeder gegenüber einem Kind bestehenden Unterhaltspflicht im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG Rechnung zu tragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn typischerweise nicht die Eltern, sondern ein Dritter zur Leistung dieses Unterhalts verpflichtet ist. Dies ist auch bei der im Streitfall gegebenen Situation der Fall, denn grundsätzlich ist der Vater des Kindeskinds vorrangig gegenüber der Mutter des Kindes während der Schutzzeiten des MuSchG unterhaltspflichtig (vgl. §§ 1360, 1361 Abs. 1, 1608, 1615 Buchst. l Abs. 1, Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1207641 |
BFH/NV 2004, 1403 |