Entscheidungsstichwort (Thema)
Restauratorengruppe als freiberufliche Mitunternehmerschaft; grundsätzliche Bedeutung; Restauratorentätigkeit als künstlerisch einzuordnen; Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens; Rechtsfortbildung; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
1. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Restaurator künstlerisch und damit freiberuflich oder gewerblich tätig wird.
2. Ob im Einzelfall eine Tätigkeit als künstlerisch oder gewerblich einzuordnen ist, hängt im Übrigen von den Umständen des konkreten Falles ab. Insoweit handelt es sich um keine Rechtsfrage, sondern um eine grundsätzlich nicht revisible Tatfrage.
3. Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht kann dann vorliegen, wenn das FG auf die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet, sofern ihm die erforderliche eigene Sachkunde fehlt.
4. Mit der Behauptung, das Gericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend gewürdigt, wird kein Verfahrensmangel bezeichnet, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler, der nicht zur Zulassung der Revision führt.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 126 Abs. 5
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 05.05.2006; Aktenzeichen 15 K 1125/05) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Die Klägerin meint, der Frage, ob Restauratoren i.S. von § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) freiberuflich tätig seien, komme deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Bundesfinanzhof (BFH), wie er dies im ersten Rechtsgang im Urteil vom 4. November 2004 IV R 63/02 (BFHE 209, 116, BStBl II 2005, 362) bereits ausgeführt habe, bislang nicht darüber entschieden habe, ob und ggf. unter welchen Umständen eine Restauratorentätigkeit eine (überwiegend) künstlerische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstelle.
a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.).
Ebenso fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalles (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Februar 2006 I B 168/05, BFH/NV 2006, 1121).
b) Der BFH hat in dem im ersten Rechtsgang erlassenen Urteil klare rechtliche Maßstäbe herausgestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Restaurator künstlerisch tätig wird. Er hat insbesondere die zum Umsatzsteuerrecht ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und zum Künstlersozialversicherungsgesetz ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht als einschlägig für die ertragsteuerliche Qualifizierung einer Tätigkeit als freiberuflich i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG beurteilt. Der XI. Senat des BFH hat sich im Urteil vom 26. April 2006 XI R 9/05 (BFH/NV 2006, 2238) den rechtlichen Wertungen zur Qualifizierung als künstlerischer Tätigkeit ohne Einschränkung angeschlossen.
Darüber hinaus ist die Frage der Qualifizierung einer Tätigkeit als künstlerisch oder gewerblich in einer langjährigen Rechtsprechung höchstrichterlich geklärt worden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. November 2003 XI B 162/03, juris; vom 13. April 1994 I B 150/93, BFH/NV 1995, 17 zum Beruf des Steintechnikers).
Ob im Einzelfall eine Tätigkeit als künstlerisch oder gewerblich einzuordnen ist, hängt im Übrigen von den Umständen des konkreten Falles ab (vgl. BFH-Beschluss vom 24. April 1996 XI B 118/95, BFH/NV 1996, 806 zum Grafik-Designer).
Es handelt sich insoweit um keine Rechtsfrage, sondern um eine grundsätzlich nicht revisible Tatfrage (BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 17).
Schließlich hätte die Klägerin vor diesem Hintergrund konkret darlegen müssen, welche zusätzlichen abstrakten, verallgemeinerungsfähigen Kriterien über die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits entwickelten Kriterien hinaus für die Qualifizierung der erkennbar sehr unterschiedlichen Tätigkeiten von Restauratoren höchstrichterlich aufgestellt werden könnten.
2. a) Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO und damit ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dann vorliegen, wenn das Finanzgericht (FG) auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet, sofern ihm die erforderliche eigene Sachkunde fehlt (BFH-Beschlüsse vom 16. August 2005 X B 35/05, BFH/NV 2005, 2237; vom 5. Mai 2004 VIII B 107/03, BFH/NV 2004, 1533).
b) Der BFH hat in seinem zurückverweisenden Urteil in BFHE 209, 116, BStBl II 2005, 362 bereits ausgeführt, der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe es dann nicht, wenn die Restaurierungsarbeiten, die sich erkennbar entweder auf Gebrauchsgegenstände bezögen oder keinen Raum für eigenständige Gestaltungen böten, wie z.B. im Falle der Festigung und Reinigung vorhandener Substanz, dem Entfernen früherer Ausbesserungen, dem Schützen vor Umwelteinflüssen oder von Transportarbeiten, bei einer untrennbaren Gesamttätigkeit das Gepräge geben oder bei Trennbarkeit der Tätigkeiten nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen seien.
Das FG ist im angefochtenen Urteil anhand der nach § 126 Abs. 5 FGO bindenden Vorgaben des BFH zu dem Ergebnis gelangt, nicht sämtliche bearbeiteten Gegenstände seien Kunstwerke gewesen. Im Übrigen seien die Tätigkeiten, soweit einzelne Gegenstände nicht eindeutig als Gebrauchsgegenstand zu qualifizieren seien, mangels eigenständiger Gestaltung zumindest nicht künstlerisch gewesen.
Im Rahmen der Gesamtwürdigung aller von der Klägerin vorgelegten Aufträge ist das FG danach zu dem Ergebnis gelangt, dass die in jedem Einzelfall trennbaren Arbeiten an Gebrauchsgegenständen und die nur handwerklichen Arbeiten an Kunstwerken jedenfalls nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen seien, so dass die insoweit gegebene gewerbliche Tätigkeit die Tätigkeit der Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt infiziert habe.
Nach dieser materiell-rechtlichen Sichtweise des FG bedurfte es in Übereinstimmung mit den Vorgaben des zurückverweisenden Urteils des BFH offensichtlich keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die weitere Beanstandung der Klägerin, das FG habe ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 26. Juni 2005 zum Begriff des Gebrauchsgegenstandes nicht hinreichend gewürdigt, sondern unverändert an dem von ihr widerlegten Begriff festgehalten, bezeichnet keinen Verfahrensmangel, sondern einen vermeintlichen materiell-rechtlichen Fehler, der indes nicht zur Zulassung der Revision zu führen vermag (BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2007 VIII B 150/05, juris; vom 22. Juli 2003 X B 97/02, BFH/NV 2004, 52).
3. Rechtsfortbildung und Notwendigkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
a) Der Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Rechtsfortbildung durch den BFH nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO ist nicht ansatzweise dargetan worden (vgl. zu den Rügeanforderungen BFH-Beschlüsse vom 27. März 2006 VIII B 21/05, BFH/NV 2006, 1256; vom 23. Januar 2007 VIII B 211/05, BFH/NV 2007, 912).
Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen. Darüber hinaus ist auch im Rahmen dieses Zulassungsgrundes auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Auch hier reicht es weder --für sich allein-- aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das FG habe sachlich unrichtig entschieden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1256).
b) Der Zulassungsgrund in § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO --Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung-- umfasst zum einen die Divergenz, zum anderen sog. qualifizierte Rechtsanwendungsfehler.
Eine Abweichung von bestimmt zu bezeichnenden Entscheidungen anderer Gerichte hat die Klägerin nicht behauptet (dazu BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799). In dem von der Klägerin erwähnten, beim FG Köln anhängig gewesenen Klageverfahren ist es offensichtlich zu keiner Sachentscheidung gekommen, unbeschadet der schon nicht erkennbaren Vergleichbarkeit des dortigen Falles mit dem Streitfall.
Ebenso wenig hat die Klägerin schlüssig dargetan noch sind angesichts der umfassenden Würdigung des Sachverhalts durch das FG hierfür Anhaltspunkte ersichtlich, dass das angefochtene Urteil offensichtliche materielle oder formelle Fehler im Sinne einer willkürlichen Entscheidung enthielte, die eine korrigierende Entscheidung des BFH unerlässlich machten (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799).
Fundstellen
Haufe-Index 1809790 |
BFH/NV 2007, 2264 |