Entscheidungsstichwort (Thema)
Gründung einer Praxisgemeinschaft führt nicht zu einer Veräußerung i.S. des §18 Abs. 3 EStG
Leitsatz (NV)
Auch wenn man dem XI. Senat des BFH in seiner Auffassung folgen wollte, daß die entgeltliche Aufnahme eines weiteren Freiberuflers in eine Einzelpraxis als Veräußerung i.S. des §18 Abs. 3 EStG zu beurteilen sei, trifft dies nicht auf den Fall zu, in dem ein Arzt einen Teil seines Patientenstamms auf einen Kollegen überträgt und anschließend mit ihm eine Praxisgemeinschaft gründet.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 3, § 34 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist seit 1984 selbständiger Kieferorthopäde. Mit Vertrag vom 12. Oktober 1990 veräußerte er an einen Kollegen einen Teil seiner kieferorthopädischen Praxis in der Weise, daß der Übernehmer einen nach Postleitzahlen umgrenzten Teil der Kassenpatienten -- etwa zwei Drittel des gesamten Patientenstamms -- übernehmen sollte. Mit einem weiteren Vertrag vom selben Tag gründete er mit dem Erwerber mit Wirkung vom 2. Januar 1991 eine Praxisgemeinschaft.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1991 machten die als Eheleute zusammenveranlagten Kläger aus der Praxisteilveräußerung einen Gewinn in Höhe von ... DM geltend, für den sie den ermäßigten Steuersatz beanspruchten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) folgte dem nicht, sondern behandelte die Einkünfte aus der Praxisteilveräußerung als laufenden Gewinn.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung damit, daß es sich bei dem Verkauf nicht um die Veräußerung einer Teilpraxis i.S. von §18 Abs. 3 Satz 1, 2. Fall des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehandelt habe. Die Veräußerung sei auch nicht als Veräußerung eines Anteils am Vermögen i.S. des §18 Abs. 3 Satz 1, 3. Fall EStG anzusehen. Die Entscheidung des FG Rheinland- Pfalz vom 24. September 1996 2 K 2772/95 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 342) sei abzulehnen. Ebensowenig handle es sich um einen Einbringungsgewinn i.S. des §24 des Umwandlungs-Steuergesetzes.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt wird.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Kläger haben nicht dargelegt, daß der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung i.S. des §115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zukommt. Sie haben als klärungsbedürftig die Rechtsfrage bezeichnet, ob §18 Abs. 3 Satz 1, 3. Fall EStG neben der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils auch die Veräußerung eines Teils an einer Einzelpraxis erfasse. Sie stützen sich insoweit auf den Vorlagebeschluß des XI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. April 1998 XI R 96/96 (BFHE 185, 486, BStBl II 1998, 475) und die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur. Mit diesem Beschluß hat der XI. Senat des BFH dem Großen Senat die Frage vorgelegt, ob die entgeltliche Aufnahme eines Sozius in eine Einzelpraxis als Veräußerung i.S. des §18 Abs. 3 EStG zu beurteilen ist.
1. Die vom XI. Senat dem Großen Senat des BFH vorgelegte Rechtsfrage ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Sie betrifft lediglich die Gründung von Sozietäten -- auf Ärzte übertragen von Gemeinschaftspraxen --, denen wesensimmanent ist, daß Berufstätigkeit auf gemeinsame Rechnung unter gemeinsamem Namen durchgeführt wird (vgl. Rieger, Lexikon des Arztrechts, 1984, Rdnr. 693, m.w.N.). Der Kläger hat den Erwerber indessen nicht unter Gründung einer Gemeinschaftspraxis in seine Einzelpraxis aufgenommen. Bei der vom Kläger und dem Erwerber mit Wirkung vom 2. Januar 1991 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) handelte es sich vielmehr um eine bloße Praxisgemeinschaft (hierzu Rieger, a.a.O., Rdnr. 1390). Diese hatte lediglich den Zweck, daß der Kläger und der Erwerber ihren Beruf in gemeinsamen Praxisräumen ausüben. Ferner sollten bestimmte Kosten von der Praxisgemeinschaft getragen und nach verschiedenen Schlüsseln auf die beiden Praxisinhaber umgelegt werden. Die Beschäftigung von Personal -- bis auf die beiden Auszubildenden -- blieb Sache der beiden Praxisinhaber. Der Kläger hat also nicht etwa seinen Betrieb teils auf eigene, teils auf fremde Rechnung als Einlage in die GbR eingebracht (vgl. hierzu BFH-Beschluß in BFHE 185, 486, BStBl II 1998, 475 unter B. I. 1.). Eingebracht wurden vielmehr nur einzelne Wirtschaftsgüter, insbesondere die Praxiseinrichtung. Demgegenüber hat der Kläger zwei Drittel des Patientenstamms auf den Erwerber übertragen, ohne daß der Patientenstamm anschließend Gesellschaftsvermögen geworden wäre.
Diese Fallgestaltung ist vom Vorlagebeschluß in BFHE 185, 486, BStBl II 1998, 475 nicht erfaßt. Der XI. Senat des BFH argumentiert dahingehend, daß, wenn die Veräußerung der ganzen Praxis und die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils steuerbegünstigt seien, auch die Veräußerung eines Teils, die zur Entstehung eines Mitunternehmeranteils führe, steuerbegünstigt sein müsse (unter B. I. 2. b, 2. Absatz). Die Aufnahme des ersten Sozius solle nicht zu einem laufenden Gewinn führen, während die Aufnahme jedes weiteren Sozius einen begünstigten Veräußerungsgewinn zur Folge habe. Auch wenn man mit dem XI. Senat die Gründung einerseits und die Erweiterung einer Sozietät oder Gemeinschaftspraxis andererseits gleichstellen wollte, obwohl im ersten Fall ein Gesellschaftsanteil, der übertragen werden könnte, noch nicht vorhanden ist, käme im Streitfall eine solche Gleichstellung nicht in Betracht. Die Veräußerung und anschließende Gründung einer Praxisgemeinschaft sind mit der Erweiterung einer Gemeinschaftspraxis nicht vergleichbar. Angenommen, der Kläger hätte seine Praxis mit einem Teilhaber in einer Gemeinschaftspraxis betrieben, die mit einem Dritten Verträge geschlossen hätte, wie sie im Streitfall zwischen dem Kläger und dem Erwerber geschlossen wurden, so wäre der Dritte nicht in die bestehende Praxisgemeinschaft aufgenommen worden. Vielmehr wäre ein Teil des Patientenstamms veräußert und sodann neben der Gemeinschaftspraxis eine Praxisgemeinschaft gegründet worden.
2. Unter den Umständen des Streitfalls käme die Steuerbegünstigung der Veräußerung nur dann in Betracht, wenn der Kläger einen Teilbetrieb (Teilpraxis) veräußert hätte. Dies hat das FG im Anschluß an die Rechtsprechung des BFH verneint. Zur Abgrenzung zwischen der steuerbegünstigten Veräußerung einer Teilpraxis und der nicht begünstigten Veräußerung eines unselbständigen Praxisteils haben sich mehrere Senate des BFH geäußert (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1992 IV R 16/91, BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182 -- Tierarztpraxis --; vom 22. Dezember 1993 I R 62/93, BFHE 173, 163, BStBl II 1994, 352 -- Dentallabor --, jeweils m.w.N.). Die Kläger haben nicht dargelegt, inwieweit diese Rechtsprechung einer Überprüfung bedürfte. Es kann nicht angenommen werden, daß der XI. Senat die Unterscheidung zwischen der Veräußerung eines unselbständigen Betriebsteils und eines Teilbetriebs, von der auch im gewerblichen Bereich die steuerliche Begünstigung der Veräußerung abhängt (Schmidt, Einkommensteuergesetz, §16 Rdnr. 140ff., m.w.N.), mit seinem Vorlagebeschluß in Frage stellen wollte.
Fundstellen
Haufe-Index 154328 |
BFH/NV 1999, 612 |
DStRE 1999, 343 |