Entscheidungsstichwort (Thema)
Gründung einer Praxisgemeinschaft führt nicht zu einer Veräußerung i.S. des § 18 Abs. 3 EStG
Leitsatz (NV)
Auch wenn man dem XI. Senat in seiner Auffassung folgen wollte, daß die entgeltliche Aufnahme eines weiteren Freiberuflers in eine Einzelpraxis als Veräußerung i.S. des § 18 Abs. 3 EStG zu beurteilen sei, trifft dies nicht auf den Fall zu, daß eine Krankengymnastin ihre Praxiseinrichtung in eine Praxisgemeinschaft einbringt und sich von den Mitgesellschaftern ein Entgelt für die gute Lage der Praxis zahlen läßt (Anschluß am Senatsbeschluß 18. November 1998 IV B 126/97 BFH/NV 1999, 612).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 18 Abs. 3
Gründe
Von der Wiedergabe des Sachverhalts wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat nicht dargelegt, daß der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zukommt. Sie hat die Frage als klärungsbedürftig bezeichnet, ob § 18 Abs. 3 Satz 1, 3. Fall des Einkommensteuergesetzes (EStG) neben der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils auch die Veräußerung eines Teils an einer Einzelpraxis erfasse. Sie stützt sich insoweit auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 27. März 1997 II K 4326/96 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 960). Die diesem Urteil zugrundeliegende Auffassung wird geteilt vom XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH). Dieser hat mit Beschluß vom 22. April 1998 XI R 96/96 (BFHE 185, 486, BStBl II 1998, 475) dem Großen Senat die Frage vorgelegt, ob die entgeltliche Aufnahme eines Sozius in eine Einzelpraxis als Veräußerung i.S. des § 18 Abs. 3 EStG zu beurteilen ist.
1. Die vom XI. Senat dem Großen Senat des BFH vorgelegte Rechtsfrage ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Sie betrifft lediglich die Gründung von Sozietäten -auf medizinische Berufe übertragen von Gemeinschaftspraxen-, denen wesensimmanent ist, daß die Berufstätigkeit auf gemeinsame Rechnung unter gemeinsamem Namen durchgeführt wird (vgl. Rieger, Lexikon des Arztrechts, 1984, Rdnr. 693, m.w.N.). Die Klägerin hat die Erwerber indessen nicht unter Gründung einer Gemeinschaftspraxis in ihre Einzelpraxis aufgenommen. Bei der von der Klägerin und den Erwerbern mit Wirkung vom 1. Oktober 1992 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) handelt es sich vielmehr um eine bloße Praxisgemeinschaft (hierzu Rieger, a.a.O., Rdnr. 1390). Diese hatte lediglich den Zweck, daß die Klägerin und die Erwerber ihren Beruf in gemeinsamen Praxisräumen ausüben konnten. Ferner sollten bestimmte Kosten von der Praxisgemeinschaft getragen und auf die Praxisinhaber umgelegt werden. Die Klägerin hat also nicht etwa ihren Betrieb teils auf eigene, teils auf fremde Rechnung als Einlage in die GbR eingebracht (vgl. hierzu BFH-Beschluß in BFHE 185, 486, BStBl II 1998, 475 unter B. I. 1.). Eingebracht wurden vielmehr nur einzelne Wirtschaftsgüter, nämlich die Praxiseinrichtung. Demgegenüber hat die Klägerin ihren Patientenstamm nicht übertragen. Der "Goodwill" für den die Erwerber Beträge von je 7 000 DM gezahlt haben, wurde nicht Vermögen der Praxisgemeinschaft. Den Angaben der Klägerin im Einspruchsverfahren zufolge handelte es sich hierbei um ein Entgelt für die gute Lage der krankengymnastischen Praxis in der Nähe einer Arztpraxis. Dieser Vorteil kam jedoch der in eigener Regie ausgeübten krankengymnastischen Tätigkeiten der Erwerber zugute.
Diese Fallgestaltung ist vom Vorlagebeschluß in BFHE 185, 486, BStBl II 1998, 475 nicht erfaßt. Der XI. Senat des BFH argumentiert dahingehend, daß, wenn die Veräußerung der ganzen Praxis und die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils steuerbegünstigt seien, auch die Veräußerung eines Teils, der zur Entstehung eines Mitunternehmeranteils führe, steuerbegünstigt sein müsse (unter B. I. 2. b, 2. Absatz). Die Aufnahme des ersten Sozius soll nicht zu einem laufenden Gewinn führen, während die Aufnahme jedes weiteren Sozius einen begünstigten Veräußerungsgewinn zur Folge hat. Auch wenn man mit dem XI. Senat die Gründung einerseits und die Erweiterung einer Sozietät oder Gemeinschaftspraxis andererseits gleichstellen wollte, obwohl im ersten Fall ein Gesellschaftsanteil, der übertragen werden könnte, noch nicht vorhanden ist, käme im Streitfall eine solche Gleichstellung nicht in Betracht. Die Veräußerung und anschließende Gründung einer Praxisgemeinschaft ist mit der Erweiterung einer Gemeinschaftspraxis nicht vergleichbar. Angenommen die Klägerin hätte ihre Praxis mit einem Teilhaber in einer Gemeinschaftspraxis betrieben, die mit einem Dritten Verträge geschlossen hätte, wie sie im Streitfall zwischen der Klägerin und den Erwerbern geschlossen wurden, so wäre der Dritte nicht in die bestehende Gemeinschaftspraxis aufgenommen worden. Vielmehr wäre neben der Gemeinschaftspraxis eine Praxisgemeinschaft gegründet worden.
2. Unter den Umständen des Streitfalls käme die Steuerbegünstigung der Veräußerung nur dann in Betracht, wenn die Klägerin einen Teilbetrieb (Teilpraxis) veräußert hätte. Dies hat das FG verneint. Zur Abgrenzung zwischen der steuerbegünstigten Veräußerung einer Teilpraxis und der nicht begünstigten Veräußerung eines unselbständigen Praxisteils haben sich mehrere Senate des BFH geäußert (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1992 IV R 16/91, BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182 - Tierarztpraxis -; vom 22. Dezember 1993 I R 62/93, BFHE 173, 163, BStBl II 1994, 352 - Dentallabor-, jeweils m.w.N.). Die Klägerin hat nicht dargelegt, inwieweit diese Rechtsprechung einer Überprüfung bedürfte. Es kann nicht angenommen werden, daß der XI. Senat die Unterscheidung zwischen der Veräußerung eines unselbständigen Betriebsteiles und eines Teilbetriebs, von der auch im gewerblichen Bereich die steuerliche Begünstigung der Veräußerung abhängt (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 16 Rdnr. 140 ff., m.w.N.), mit seinem Vorlagebeschluß in Frage stellen wollte.
Fundstellen
Haufe-Index 171022 |
BFH/NV 1999, 1080 |