Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätungszuschlag als gewöhnliche Insolvenzforderung
Leitsatz (NV)
1. Der Frage, ob vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens festgesetzte Verspätungszuschläge nachrangige Insolvenzforderungen i.S. von § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO darstellen, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die gesetzliche Regelung ist eindeutig.
2. Als mit Sühne- und Ausgleichsfunktion ausgestattetes Druckmittel eigener Art entzieht sich der Verspätungszuschlag einer Einreihung in den als abschließend zu betrachtenden Katalog des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Ein Verspätungszuschlag kann daher als gewöhnliche Insolvenzforderung geltend gemacht werden.
Normenkette
AO 1977 § 152; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen 6 K 1337/04) |
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Schuldners. Im Prüfungstermin bestritt er die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) zur Tabelle angemeldeten Verspätungszuschläge. Daraufhin stellte das FA die geschuldeten Verspätungszuschläge durch Bescheid gemäß § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) fest. Einspruch und Klage gegen den Feststellungsbescheid blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass Verspätungszuschläge entgegen der Auffassung des Klägers nicht als nachrangige Insolvenzforderungen i.S. von § 39 Abs. 1 Nr. 3 der Insolvenzordnung (InsO) anzusehen seien. Diese Vorschrift enthalte eine abschließende Aufzählung der nachrangigen Forderungen. Verspätungszuschläge seien nicht genannt. Sie könnten auch den aufgeführten Zwangsgeldern nicht gleichgesetzt werden. Den in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Forderungen sei gemein, dass sie höchstpersönliche Verpflichtungen darstellten. Eine solche werde von Verspätungszuschlägen, die auf einen Gesamtrechtsnachfolger übergingen und auch vollstreckbar seien, gerade nicht begründet. Ihre Funktion, die aus der verspäteten Abgabe einer Steuererklärung gezogenen Vorteile auszugleichen, lasse die insolvenzrechtliche Zuordnung zu den normalen Forderungen folgerichtig erscheinen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG richtet sich die Beschwerde, die der Kläger auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens festgesetzte Verspätungszuschläge nachrangige Insolvenzforderungen i.S. von § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO darstellten. Nach Ansicht des Klägers seien Verspätungszuschläge insolvenzrechtlich wie Zwangsgelder zu behandeln, denn sie wiesen in ihrer Wirkung große Ähnlichkeiten auf. Dem FA komme hinsichtlich der Anwendung beider Maßnahmen auch ein Wahlrecht zu. In beiden Fällen beliefe sich der zulässige Höchstbetrag auf 25 000 €. Eine unterschiedliche Behandlung beider Druckmittel sei daher nicht gerechtfertigt. Im Übrigen seien auch Säumniszuschläge aufgrund ihrer Doppelfunktion als Druckmittel und Maßnahme des Schadensausgleichs als nachrangige Insolvenzforderungen einzustufen. Etwas Abweichendes könne daher für Verspätungszuschläge nicht gelten.
Entscheidungsgründe
Es kann offen bleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungserfordernisse i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt. Die Beschwerde des Klägers hat jedenfalls keinen Erfolg. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. März 2004 VII B 211/03, BFHE 205, 361, und vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232).
Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO werden Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten, im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger berichtigt. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift werden Verspätungszuschläge nicht erfasst. Die in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO normierte Nachrangigkeit der dort aufgeführten Forderungen beruht auf dem Gedanken, dass sie aufgrund ihres Strafcharakters nur den Schuldner persönlich und nicht die Insolvenzgläubiger durch eine Verminderung der Quote belasten sollen (Ehricke in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd. 1, § 39 Rdnr. 19, m.w.N.). Den Maßnahmen mit Strafcharakter gleichgestellt sind Zwangsgelder. Im Gegensatz zu Geldstrafen, Geldbußen und Ordnungsgeldern stellen Zwangsgelder keine Sanktion für in der Vergangenheit liegendes unrechtmäßiges Verhalten dar. Vielmehr kommt Zwangsgeldern die Funktion eines Beugemittels zu, das dazu dient, ein pflichtgemäßes Verhalten für die Zukunft sicherzustellen und den säumigen Steuerpflichtigen zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen anzuhalten. Ein weiteres Charakteristikum von Zwangsgeldern ist das Fehlen einer Ausgleichsfunktion, die ein Merkmal des Säumniszuschlages und des Verspätungszuschlages ist.
a) Im Gegensatz zu Zwangsgeldern kommt Säumniszuschlägen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Doppelfunktion zu. Einerseits stellen sie ein Druckmittel eigener Art dar, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll, andererseits verfolgt § 240 AO 1977 den Zweck, vom Steuerschuldner eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten und die Verwaltungsaufwendungen abzugelten, die infolge der unterbliebenen oder nicht fristgerechten Zahlung entstehen (vgl. Senatsurteil vom 16. November 2004 VII R 8/04, sowie BFH-Urteil vom 9. Juli 2003 V R 57/02, BFHE 203, 8, BStBl II 2003, 901). Folglich sind Säumniszuschläge keine Zwangsmittel und können entgegen der Auffassung des Klägers Zwangsgeldern auch nicht gleichgesetzt werden (vgl. BFH-Urteile vom 22. April 1983 VI R 268/80, BFHE 138, 169, BStBl II 1983, 489, und vom 21. September 1973 III R 153/72, BFHE 110, 318, BStBl II 1974, 17).
b) Gleiches gilt für Verspätungszuschläge, denn auch diese sind keine Zwangsmittel (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 152 AO 1977 Tz. 2; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 152 AO 1977 Rz. 5), sondern Druckmittel eigener Art, die den ordnungsgemäßen Gang des Veranlagungsverfahrens sicherstellen sollen. Sie gehören deshalb auch nicht zu den nachrangigen Insolvenzforderungen i.S. von § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (vgl. Hirte in Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 39 Rdnr. 7, sowie Jaeger, Insolvenzordnung, § 39 Rdnr. 23, m.w.N.). Nach der Gesetzesbegründung dient der Verspätungszuschlag dazu, den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärung und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Er hat insoweit zugleich repressiven und präventiven Charakter und ist ein Druckmittel eigener Art, das auf die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts zugeschnitten ist (BTDrucks VI/1982, 129, zu § 97). Wie sich aus § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ergibt, dient er zugleich dem Ausgleich der aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile (BFH-Urteile vom 10. Oktober 2001 XI R 41/00, BFHE 196, 408, BStBl II 2002, 124, und vom 22. Januar 1993 III R 92/89, BFH/NV 1993, 455). Als mit Sühne- und Ausgleichsfunktion ausgestattetes Druckmittel eigener Art entzieht sich der Verspätungszuschlag einer Einreihung in den als abschließend zu betrachtenden Katalog des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Infolgedessen kann er vom FA mit den hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln als gewöhnliche Insolvenzforderung i.S. von § 38 InsO geltend gemacht werden (Hirte in Uhlenbruck, a.a.O., § 39 Rdnr. 7).
Fundstellen
BFH/NV 2005, 1001 |
ZIP 2005, 1035 |
ZInsO 2005, 494 |
GK/BW 2007, 63 |
ZVI 2005, 375 |
ZVI 2006, 55 |