Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz; grundsätzliche Bedeutung; verlängerte Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung eines Ehegatten bei Zusammenveranlagung; Verfahrensverstoß
Leitsatz (NV)
1. Die schlüssige Darlegung einer Divergenzrüge erfordert neben der Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze insbesondere auch, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage wie in der vermeintlichen Divergenzentscheidung handelt.
2. Für das Vorliegen einer Divergenz ist es nicht stets erforderlich, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen sein.
3. Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.
4. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Eheleute mit ihrem Antrag auf Zusammenveranlagung die steuerliche Behandlung als ein Steuerpflichtiger begehren. Darin besteht gerade das Wesen der Zusammenveranlagung.
5. Ebenso ist geklärt, dass für die Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist ausreichend ist, wenn einem der zusammenveranlagten Ehegatten eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist.
6. Selbst wenn der Einkommensteuerbescheid des anderen Ehegatten, der die streitgegenständlichen Einkünfte erzielt hat, verfahrensrechtlich nicht mehr geändert werden könnte, so stünde dies dem Ansatz im Rahmen der noch änderbaren Einkommensteuerfestsetzung des seine Steuerfestsetzung anfechtenden Ehegatten nicht entgegen.
Normenkette
AO §§ 71, 169 Abs. 2 S. 2; EStG § 26b; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 17.01.2007; Aktenzeichen 5 K 3611/04 E) |
Gründe
Die Beschwerde ist offensichtlich unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die behaupteten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Divergenz
a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen.
Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt.
Allerdings ist es nicht stets erforderlich, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen sein. Eine Abweichung kann deshalb auch vorliegen, wenn das FG einem bestimmten Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beigemessen hat als sie der Bundesfinanzhof (BFH) zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat. Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschluss vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.).
b) Gegenstand der vermeintlichen Divergenzentscheidung (BFH-Urteil vom 14. Juni 1994 VIII R 79/93, BFH/NV 1995, 225) ist die im Streitfall nicht angesprochene Rechtsfrage der Streitgenossenschaft zusammenveranlagter Eheleute.
Das FG hat die Ehefrau des Klägers auch nicht als oder wie eine Verfahrensbeteiligte behandelt, sondern allein im Rahmen der vom Kläger angefochtenen, gegen ihn ergangenen Einkommensteueränderungsbescheide für 1988 bis 1993 im Rahmen der materiell-rechtlichen Prüfung hinsichtlich bestimmter, hälftig seiner Ehefrau zuzurechnender Zinseinkünfte aufgrund der in § 26b des Einkommensteuergesetzes im Falle der von den Eheleuten gewählten Zusammenveranlagung die gesetzlich vorgeschriebene Zusammenrechnung der von ihnen beiden erzielten Einkünfte vorgenommen. Diese Handhabung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 62/95, BFHE 181, 252, BStBl II 1997, 115).
2. a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat.
Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen.
Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.).
b) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Eheleute mit ihrem Antrag auf Zusammenveranlagung die steuerliche Behandlung als einSteuerpflichtiger begehren. Das Wesen der Zusammenveranlagung besteht gerade in der steuerlichen Behandlung als ein Steuerpflichtiger (BFH-Urteil in BFHE 181, 252, BStBl II 1997, 115).
Ebenso ist für die Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist ausreichend, wenn einem der zusammenveranlagten Ehegatten eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist. Hat sich ein Ehegatte darauf beschränkt, die gemeinsame Steuererklärung nur zu unterschreiben, ohne zugleich selbst eine Steuerhinterziehung zu begehen, so hindert das zwar eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach § 71 der Abgabenordnung --AO-- (dazu BFH-Urteil vom 16. April 2002 IX R 40/00, BFHE 198, 66, BStBl II 2002, 501), ändert indes nichts an der Hinterziehung des Steueranspruchs als solchen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 2005 IV B 161/03, juris, m.w.N.).
Selbst wenn der Einkommensteuerbescheid des anderen Ehegatten, der die streitgegenständlichen Einkünfte erzielt hat, verfahrensrechtlich nicht mehr geändert werden könnte, so stünde dies dem Ansatz im Rahmen der noch änderbaren Einkommensteuerfestsetzung des seine Steuerfestsetzung anfechtenden Ehegatten nicht entgegen (vgl. auch Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 26b EStG Rz 60; Blümich/Heuermann, § 26b EStG Rz 47).
Im Übrigen lässt die Beschwerdebegründung jegliche Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und dem Schrifttum vermissen, um damit einen weiteren oder erneuten Klärungsbedarf der angerissenen Rechtsfrage zu verdeutlichen.
3. Verfahrensverstoß
a) Die Darlegung eines Verfahrensmangels erfordert, die Tatsachen schlüssig zu bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben sollen. Dazu müssen die entsprechenden Prozessvorgänge genau umschrieben werden. Schlüssig ist das Vorbringen, wenn die vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, den behaupteten Verfahrensmangel ergeben. Ferner ist grundsätzlich darzutun, weshalb das angefochtene Urteil i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.
b) Der Kläger hat bereits nicht schlüssig dargetan, an welcher Stelle im angefochtenen Urteil das FG über die gegenüber der am Klageverfahren nicht mehr beteiligten Ehefrau des Klägers ergangenen eigenständigen und bestandskräftig gewordenen Einkommensteueränderungsbescheide entschieden haben soll. Das FG hat allein auch die der (mit dem Kläger zusammenveranlagten) Ehefrau zuzurechnenden Einkünfte --wie ausgeführt-- materiell-rechtlich zutreffend gleichermaßen bei der Einkommensteuerfestsetzung des Klägers berücksichtigt, indes ersichtlich weder die Ehefrau als Verfahrensbeteiligte behandelt noch die gegen sie ergangenen Steuerbescheide verbösert.
Fundstellen
Haufe-Index 1985504 |
BFH/NV 2008, 1158 |