Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs stellt nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn der Zurückweisungsbeschluss greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist
Normenkette
FGO § 124 Abs. 2, § 128 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 1, § 51 Abs. 1 S. 1, § 91; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 11.10.2007; Aktenzeichen 2 K 1689/04) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet; die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängel der angefochtenen Entscheidung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in der Mitwirkung der von ihm abgelehnten Richterinnen einen Verfahrensmangel sieht, kommt eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO schon deshalb nicht in Betracht, weil die Befangenheitsanträge durch das Finanzgericht (FG) abgelehnt wurden und eine solche Ablehnung nach § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar ist.
a) Nach § 124 Abs. 2 FGO unterliegen dem Endurteil vorausgegangene Entscheidungen, die nach der FGO unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung der Revision. Daher kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640). Allerdings schließt § 124 Abs. 2 FGO die Rüge solcher Verfahrensmängel nicht aus, die als Folge der beanstandeten Vorentscheidung fortwirken und damit dem angefochtenen Urteil anhaften, sofern die Vorentscheidung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf den gesetzlichen Richter (BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 V R 71-73/79, BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 457, 458; BFH-Beschluss vom 25. November 1999 VII B 140/99, BFH/NV 2000, 589, 590). Ein solcher Verstoß durch die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs kann indessen nur dann als Verfahrensmangel nach §§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 119 Nr. 1 FGO geltend gemacht werden (vgl. Begründung zum Zweiten Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 zu Art. 1 Nr. 18 in BTDrucks 14/4061, S. 11 f.; Spindler, Der Betrieb 2001, 61, 62; ferner BFH-Beschluss vom 19. August 2002 VIII B 112/02, BFH/NV 2003, 65, unter Bezugnahme auf Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 128 Rz 9 und § 119 Rz 9), wenn der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Oktober 1999 VII R 15/99, BFHE 190, 47, BStBl II 2000, 88; in BFH/NV 2003, 640; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 9).
b) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters bilden ―selbst wenn sie objektiv vorliegen― grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund.
Es kommt nicht darauf an, ob die Entscheidung wirklich durch Voreingenommenheit beeinflusst wird. Zureichende Ablehnungsgründe liegen allerdings nicht bereits darin, dass sich ein Richter als Berichterstatter vor dem Abschluss der mündlichen Verhandlung eine vorläufige Meinung über den ―für den Kläger ungünstigen― Ausgang des Klageverfahrens gebildet hat, sie dem Kläger bzw. dessen Prozessvertreter bekannt gibt und damit die Bitte verbindet, eine Klagerücknahme zu erwägen. Dies entspricht der Pflicht des Gerichts, den Verfahrensfortgang zu fördern. Derartige richterliche Hinweise über den voraussichtlichen Verfahrensausgang liegen im Allgemeinen im wohl verstandenen Interesse der Beteiligten.
c) Die Erwägungen des FG im Beschluss vom 9. Oktober 2007, mit dem es das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die abgelehnten Richterinnen zurückgewiesen hat, orientieren sich erkennbar an dieser Rechtsprechung und sind insbesondere auch auf der Grundlage der dienstlichen Äußerungen, die in positiver wie in negativer Hinsicht zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 26. August 1997 VII B 80/97, BFH/NV 1998, 463), keineswegs völlig unvertretbar. Dies gilt insbesondere für die Ladung zur mündlichen Verhandlung unter Wahrung der gesetzlichen Mindestfrist in § 91 Abs. 1 FGO, deren Bemessung die Auffassung des Gesetzgebers zum Ausdruck bringt, sie reiche grundsätzlich zur Wahrung der verfahrensmäßigen Rechte der Beteiligten aus. Eine unter Wahrung dieser Frist vorgenommene Ladung ist danach grundsätzlich nicht geeignet, für sich genommen bei den Beteiligten eine berechtigte Besorgnis der Befangenheit gegen die die Ladung veranlassenden Richter auszulösen. Auch im Übrigen sind keine Anhaltspunkte für eine greifbar gesetzwidrige, zu einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter führende Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs feststellbar.
2. Soweit der Kläger eine Fehlerhaftigkeit der Geschäftsverteilung des FG und damit eine vorschriftswidrige Besetzung der Richterbank rügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), fehlt es schon an dem ihm obliegenden Vortrag konkreter Tatsachen, die geeignet erscheinen, eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts darzutun (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Mai 1996 V R 53/95, BFH/NV 1997, 37; vom 19. Dezember 2000 IX R 29/00, BFH/NV 2001, 638), zumal nicht jeder Fehler bei der Besetzung der Richterbank zu einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) führt (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 190, 47, 56, BStBl II 2000, 88, 92).
Fundstellen