Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung grundsätzlicher Bedeutung; ermessenslenkende Verwaltungsanweisungen einzelner Bundesländer
Leitsatz (NV)
- Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt, erfordert die schlüssige Darlegung der Klärungsbedürftigkeit auch unter der Geltung des neuen Revisionszulassungsrechts nach dem 2. FGOÄndG ein konkretes und substantiiertes Eingehen darauf, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist.
- Die Rechtsfrage, ob ermessenslenkende Verwaltungsanweisungen eines Bundeslandes auch in anderen Bundesländern Geltung beanspruchen können, wird vom BFH verneint. Diese Rechtsfrage wird nicht dadurch erneut klärungsbedürftig, dass das Recht der Europäischen Union in bestimmten Bereichen auf eine Harmonisierung rechtlicher Rahmenbedingungen angelegt ist.
Normenkette
AO 1977 § 5; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―im Folgenden FGO n.F.― nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F.) entsprechenden Weise dargelegt.
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (BFH-Beschlüsse vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924; vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254, jeweils zum bis einschließlich 2000 geltenden Zulassungsrecht). Für § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. gilt nichts anderes (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308, und vom 16. April 2002 X B 102/01, BFH/NV 2002, 1045).
Die schlüssige Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert auch unter der Geltung des neuen Revisionszulassungsrechts nach dem 2.FGOÄndG ein konkretes und substantiiertes Eingehen darauf, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (zum neuen Recht vgl. BFH-Beschluss vom 17. April 2002 III B 164/01, BFH/NV 2002, 1028; Senatsbeschluss vom 8. Mai 2002 X B 180/01, Juris Nr.: STRE 200250527; aus der Literatur z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32, m.w.N.; ferner Beermann, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 2001, 312, 315, m.w.N.). Dieses Darlegungserfordernis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F.: Denn nach der erstgenannten Norm müssen "die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2" dargelegt werden. Im Fall des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. kann sich die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache aber nur aus Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit ergeben.
In ihrer Beschwerdebegründung vertreten die Kläger lediglich die Auffassung, es stelle einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―) dar, wenn ―für das Streitjahr 1995― länderweise unterschiedliche Verwaltungsanweisungen zu der Frage gelten, ob das in § 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Beifügung des Vorbehaltsvermerks eingeräumte Ermessen beim Erlass von Schätzungsbescheiden generell dahin gehend auszuüben ist, dass diese unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen sind. An Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage, insbesondere an einer Auseinandersetzung mit den dazu in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen, fehlt es indes gänzlich.
Vor allem mangelt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit dem BFH-Urteil vom 23. Juli 1985 VIII R 197/84 (BFHE 144, 9, BStBl II 1986, 36). Darin hat der BFH entschieden, dass ermessenslenkende Verwaltungsanweisungen eines Bundeslandes nicht auch in anderen Bundesländern Geltung beanspruchen könnten und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung insoweit hinter dem föderativen Prinzip der Art. 83, 108 Abs. 2 GG zurücktreten müsse. Entgegen der Ansicht der Kläger veranlasst die sich in Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften niederschlagende Entwicklung der Europäischen Union, die auf die Harmonisierung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft angelegt ist, keine andere Beurteilung.
2. Die Kläger haben auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO n.F.).
Dies hätte neben der Bezeichnung der Divergenzentscheidung auch die Bezeichnung abstrakter Rechtssätze sowohl im angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) als auch in der Divergenzentscheidung vorausgesetzt (ständige Rechtsprechung zum bis 2000 geltenden Zulassungsrecht, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 4. Dezember 2000 V B 15/00, BFH/NV 2001, 819). Diese Erfordernisse gelten auch für Beschwerden, die auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 FGO n.F. gestützt sind (BFH-Beschluss vom 7. August 2002 VII B 214/01, BFH/NV 2002, 1606).
Die Behauptung der Kläger, im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) "vom 10.12.1999 2 BvR 1820/92" (gemeint ist wohl der Beschluss vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92, BStBl II 2000, 158) werde klargestellt, dass Bundesrecht vor Landesrecht gehe und unterschiedliche ländergesetzliche Regelungen nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung bei durch Bundesgesetz zu erhebenden Steuern führen dürften, genügt diesen Darlegungsanforderungen nicht. Denn der bezeichnete Beschluss enthält keinen derartigen Rechtssatz. Vielmehr befasst er sich mit der Frage, ob die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes zwingend das Vorhandensein berufsrechtlicher ―nicht aber bundesrechtlicher― Regelungen voraussetzt.
Im Übrigen wäre der von den Klägern formulierte Rechtssatz für ein Revisionsverfahren im Streitfall selbst dann nicht entscheidungserheblich, wenn er in dem angeführten Beschluss des BVerfG enthalten sein sollte. Denn im Streitfall geht es nicht um "unterschiedliche ländergesetzliche Regelungen", sondern lediglich um Verwaltungsvorschriften.
3. Von einer Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO n.F. ab.
Fundstellen