Entscheidungsstichwort (Thema)
"Offenkundigkeit" der grundsätzlichen Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. Hinsichtlich der Frage, ob ein Einkommensteuerbescheid aufgrund eines geänderten Feststellungsbescheids auch dann erneut als geänderter Bescheid zu erlassen ist, wenn materiell-rechtlich keine Änderung beim geänderten Feststellungsbescheid gegenüber dem vorherigen unwirksamen Feststellungsbescheid eingetreten ist, ist die grundsätzliche Bedeutung nicht offenkundig. Deshalb ist die Darlegung der Grundsätzlichkeit im NZB-Verfahren erforderlich.
2. Hat das FG das angefochtene Urteil kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, so genügt es nicht, einen Zulassungsgrund in bezug auf eine Begründung geltend zu machen. In einem solchen Fall ist es bereits zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderlich, daß für jeden der Gründe das Vorliegen eines Zulassungsgrundes schlüssig dargelegt wird (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1996 VIII B 15/96, BFH/NV 1997, 500, m. w. N.).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte im Streitjahr 1978 unter anderem gewerbliche Einkünfte aus einer Beteiligung an einer Personengesellschaft (P). Aufgrund eines geänderten Feststellungsbescheids für die P vom 26. September 1983 erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) am 21. November 1983 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1978, in dem er die Einkünfte mit 82 506 DM ansetzte (bisher ./. 6128 DM). Der Feststellungsbescheid war dem Kläger unstreitig nicht bekanntgegeben worden. Nach Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegen diesen Bescheid erließ das zuständige FA am 30. März 1987 erneut einen geänderten Feststellungsbescheid 1978, in dem der Gewinnanteil des Klägers wiederum mit 82 506 DM ausgewiesen war. Der Bescheid wurde dem Kläger bekanntgegeben.
Gegen den Einkommensteuer-Änderungsbescheid vom 21. November 1983 wie auch gegen weitere Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1978 vom 21. Januar 1986, 12. Januar 1987, 3. Juni 1988 und 5. Februar 1990, die das FA wegen geänderter Feststellungen in bezug auf anderweitige Beteiligungen des Klägers erließ, und in denen jeweils die Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der P mit 82 506 DM angesetzt waren, legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Während des Klageverfahrens betreffend die Einkommensteuer 1978 wurde der Gerichtsbescheid des Finanzgerichts (FG) im Verfahren gegen den geänderten Feststellungsbescheid vom 30. März 1987 am 12. September 1995 rechtskräftig. Nach dieser Entscheidung handelte es sich bei dem auf den Kläger entfallenden Gewinnanteil von 82 506 DM um einen begünstigten Veräußerungsgewinn. Das FA setzte mit Bescheid vom 1. Dezember 1995 die Einkommensteuer 1978 entsprechend herab. Der Bescheid wurde Gegenstand des Klageverfahrens.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, der auf §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Änderungsbescheid 1978 sei noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen. Auch die Entscheidung des FG sei ein Grundlagenbescheid i. S. der §§182 Abs. 1, 171 Abs. 10 AO 1977. Maßgebend für den Beginn der Ablaufhemmung nach §171 Abs. 10 AO 1977 sei hier nicht die Bekanntgabe, sondern die Rechtskraft des Urteils. Diese sei am 12. September 1995 eingetreten, so daß der Bescheid vom 1. Dezember 1995 innerhalb der Jahresfrist ergangen sei. Selbst wenn man sich dieser Auffassung nicht anschließe, so sei der Bescheid deshalb rechtmäßig, weil die Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der P nach Erlaß des Feststellungs-Änderungsbescheids vom 30. März 1987 zutreffend in der Einkommensteuerfestsetzung erfaßt gewesen seien. Der Auffassung des Klägers, wonach die ursprünglich rechtswidrig gewesenen Bescheide vom 21. November 1983, 21. Januar 1986 und 12. Januar 1987 hätten aufgehoben werden müssen, könne nicht gefolgt werden. Da sie zugleich mit dem nämlichen Inhalt hätten erneut erlassen werden müssen, wäre das auf eine sinnlose Förmelei hinausgelaufen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. Juli 1984 IV R 13/84, BFHE 142, 96, BStBl II 1985, 3).
Seine Nichtzulassungsbeschwerde stützt der Kläger auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Die Rechtsauffassung des FG, daß bei Verwaltungsakten in Gestalt eines Gerichtsbescheids die Frist gemäß §171 Abs. 10 AO 1977 erst mit dessen Rechtskraft zu laufen beginne, weiche vom Wortlaut der genannten Vorschrift ab, und es fehle eine höchstrichterliche Entscheidung dazu. Hinsichtlich der weiteren Begründung des FG sei von grundsätzlicher Bedeutung, wie strikt §175 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 AO 1977 seitens der Finanzverwaltung zu handhaben sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht für jede das angefochtene Urteil des FG tragende Begründung schlüssig einen Zulassungsgrund darlegt.
Hat das FG das angefochtene Urteil kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, so genügt es nicht, einen Zulassungsgrund in bezug auf eine Begründung geltend zu machen. In einem solchen Fall ist es bereits zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderlich, daß für jeden der Gründe das Vorliegen eines Zulassungsgrundes schlüssig dargelegt wird (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1996 VIII B 15/96, BFH/NV 1997, 500, m. w. N.).
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache fordert §115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), daß der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte -- abstrakte -- klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt und deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dartut (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 459, und vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348). Dazu muß erläutert werden, welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Entscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierte Rechtsfrage hat.
Der Senat kann offenlassen, ob diese Erläuterung hinsichtlich der zu §171 Abs. 10 AO 1977 aufgeworfenen Rechtsfrage wegen Offenkundigkeit der grundsätzlichen Bedeutung entbehrlich ist (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Mai 1988 IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725). Hinsichtlich der weiteren Frage, ob ein Einkommensteuerbescheid aufgrund eines geänderten Feststellungsbescheids auch dann erneut als geänderter Bescheid zu erlassen ist, wenn materiell-rechtlich keine Änderung beim geänderten Feststellungsbescheid gegenüber dem vorherigen unwirksamen Feststellungsbescheid eingetreten ist, ist die grundsätzliche Bedeutung nicht offenkundig. Insoweit fehlt es an ihrer Darlegung. Der Kläger hat nicht konkret angegeben, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom 13. März 1996 V B 109/95, BFH/NV 1996, 706, und vom 19. November 1996 VIII B 60/96, BFH/NV 1997, 365, m. w. N.). Die -- im übrigen unzutreffende -- Behauptung des Klägers, daß das BFH-Urteil in BFHE 142, 96, BStBl II 1985, 3 nicht einschlägig sei, genügt diesen Darlegungserfordernissen ebensowenig wie der Hinweis auf das eine andere Rechtsfrage betreffende Urteil des FG München vom 14. Dezember 1995 10 K 44/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 844), in welchem das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 67065 |
BFH/NV 1998, 858 |