Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungserfodernisse und Akteneinsichtsrecht bei Anhörungsrüge
Leitsatz (NV)
1. Durch inhaltliche Angriffe gegen die beanstandete Entscheidung kann eine Anhörungsrüge nicht in statthafter Form begründet werden.
2. Wird mit der Anhörungsrüge geltend gemacht, dass das Gericht im Vorfeld seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hätte hinweisen müssen, so muss zugleich dargetan werden, was auf einen solchen Hinweis hin zusätzlich vorgetragen worden wäre.
3. Im Verfahren wegen einer Anhörungsrüge muss Akteneinsicht nicht gewährt werden, wenn die Anhörungsrüge unzulässig ist und die Unzulässigkeit nicht auf dem konkreten Ablauf des Verfahrens beruht.
Normenkette
FGO § 78 Abs. 1 S. 1, § 133a Abs. 1-2
Tatbestand
I. Die Rügeführerin begehrt die Fortführung von zwei von ihr eingeleiteten und durch Beschlüsse des Finanzgerichts (FG) abgeschlossenen Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung. In diesem Zusammenhang legte sie zwei von ihr als "Nichtigkeitsklagen" bezeichnete Rechtsmittel ein. Das FG deutete diese Rechtsmittel als Nichtigkeitsanträge und führte die entsprechenden Verfahren unter Aktenzeichen mit dem Buchstaben "V". Zwei "gegen die Vergabe von V-Aktenzeichen" gerichtete Beschwerden der Rügeführerin wies der Senat zurück. Gegen diese Entscheidung (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2007 I B 62, 63/07) wendet sich die Rügeführerin mit ihren Anhörungsrügen, mit denen sie geltend macht, dass ihr nicht in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt worden sei.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Verfahren I S 9/07 und I S 10/07 werden gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden.
2. Die Anhörungsrügen sind unzulässig. Die Rügeführerin hat eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör, die allein Gegenstand einer Anhörungsrüge sein kann (§ 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO), nicht in der gebotenen Weise geltend gemacht.
a) Die von der Rügeführerin beanstandete Entscheidung des Senats beruht auf der Rechtsansicht, dass die Vergabe eines bestimmten Aktenzeichens als prozessleitende Maßnahme unanfechtbar ist (§ 128 Abs. 2 FGO). Indem die Rügeführerin diese Auffassung als unzutreffend darstellt, legt sie keine Verletzung ihres Rechts auf Gehör dar (Senatsbeschluss vom 8. März 2007 I S 18/06, BFH/NV 2007, 1327). Ebenso ist nicht erkennbar, inwieweit ihre Ausführungen zur materiellen Rechtslage, zum Vorgehen des FG und zum Erfordernis einer Beiziehung von Akten für die Frage des rechtlichen Gehörs erheblich sein könnten. Auf der Basis der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung kommt es weder auf den Inhalt der von der Rügeführerin benannten Akten noch auf die übrigen von ihr aufgeführten Punkte an, und das Recht der Beteiligten auf Gehör verpflichtet ein Gericht nicht, auf unerhebliche Punkte einzugehen.
b) Die Rügeführerin macht zwar ferner geltend, der Senat sei gehalten gewesen, sie im Vorfeld seiner Beschlussfassung auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerden hinzuweisen. Ihr Vorbringen enthält aber keinen Hinweis darauf, was sie auf einen solchen Hinweis hin zusätzlich vorgetragen hätte und inwieweit dies zu einer abweichenden Entscheidung des Senats hätte führen können. Damit fehlt es an einem Vortrag zur Entscheidungserheblichkeit des gerügten Fehlers, der zu einer ordnungsgemäßen Anhörungsrüge gehört (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a FGO Rz 7; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a FGO Rz 20). Abgesehen davon ist in ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Gericht nicht verpflichtet ist, auf die nach seiner Ansicht entscheidungserheblichen Punkte hinzuweisen (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2006 VIII B 108/05, BFH/NV 2007, 741, m.w.N.); dieser Grundsatz greift namentlich dann ein, wenn --wie im Streitfall-- der betreffende Beteiligte anwaltlich vertreten ist und schon in der angefochtenen Vorentscheidung auf Bedenken gegen die Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs hingewiesen wurde.
c) Die Ausführungen in den Schriftsätzen der Rügeführerin vom 4. Oktober 2007 können bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden, da diese Schriftsätze außerhalb der Frist für die Erhebung der Anhörungsrügen (§ 133a Abs. 2 Satz 1 FGO) eingegangen und eine Anhörungsrüge innerhalb jener Frist begründet werden muss (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO).
3. Die mit Schriftsatz vom 13. November 2007 beantragte Akteneinsicht war nicht zu gewähren. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH steht einem Beteiligten im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens eine Akteneinsicht nicht zu, wenn die Beschwerde unzulässig ist (BFH-Beschluss vom 20. April 2004 XI B 21/04, BFH/NV 2004, 1120; w.N. bei Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 78 FGO Rz 21). Dieser Grundsatz gilt im Verfahren der Anhörungsrüge zumindest dann entsprechend, wenn die Unzulässigkeit --wie im Streitfall-- nicht auf dem konkreten Verlauf des Verfahrens beruht.
Fundstellen