Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage von Eheleuten bei Zusammenveranlagungsbescheid: Klagehäufung, einfache Streitgenossenschaft, Unterbrechung des Verfahrens bei Tod des Vollmachtgebers, (Verwerfung der Revision durch Beschluß)
Leitsatz (redaktionell)
1. Erheben zusammenveranlagte Ehegatten gegen einen Einkommensteuerbescheid gemeinsam Klage, so handelt es sich um zwei Klagen gegen verschiedene Verwaltungsakte, die im Wege einer subjektiven Klagehäufung verbunden werden können (einfache Streitgenossenschaft); eine nicht ordnungsgemäße Ladung im Verfahren des einen Streitgenossen wirkt sich rechtlich nicht auf das Verfahren des anderen Streitgenossen aus.
2. Im Steuerprozeß wirkt eine Prozeßvollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus und behält auch im Verhältnis zu den Erben in einem Rechtsstreit ihre Wirkung (keine Verfahrensunterbrechung).
3. Haben zusammenveranlagte Ehegatten gegen einen Einkommensteuerbescheid gemeinsam Klage erhoben und wird zur mündlichen Verhandlung nur der Ehemann geladen, der zugleich Prozeßbevollmächtigter und einer der Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau ist, so wird dadurch nicht die zulassungsfreie Revision gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO im Verfahren der Ehefrau eröffnet, wenn der Ehemann an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat und daher in der Lage gewesen ist, auch als Prozeßvertreter der Rechtsnachfolger der Ehefrau bzw. in seiner Eigenschaft als deren Rechtsnachfolger Erklärungen abzugeben.
4. Eine Revision kann auch dann durch Beschluß verworfen werden, wenn mündliche Verhandlung beantragt worden ist.
Normenkette
EStG § 26b; FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, §§ 59, 62, 155, 124 Abs. 1, § 91 Abs. 1, § 126 Abs. 1; AO 1977 § 155 Abs. 3; ZPO §§ 63, 59, 86, 239 Abs. 1
Tatbestand
Nach den 1977 eingereichten – von beiden Ehegatten unterschriebenen– Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1974 und 1975 setzte das damals zuständige Finanzamt (FA) A mit den Zusammenveranlagungsbescheiden vom 17. April 1980 die Einkommensteuer 1974 und 1975 für den Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) und seine am … April 1989 verstorbene Ehefrau (Klägerin zu 2) jeweils auf … DM fest.
Die Klägerin zu 2 war von dem Kläger zu 1 zu 1/2 und von ihren Enkelkindern, den Revisionsklägern zu 2 und 3 zu je 1/4 beerbt worden (Gemeinschaftlicher Erbschein vom 28. Juli 1989).
Im Anschluß an eine Außenprüfung erließ das inzwischen zuständig gewordene FA B, der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA), im Oktober 1986 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Steuerbescheide und setzte die Einkommensteuer für 1974 auf … DM und für 1975 auf … DM fest.
Auf die von beiden Ehegatten erhobenen Einsprüche hin minderte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 16. September 1988 die Einkommensteuer für 1974 auf … DM. Nach entsprechender Ankündigung seiner Verböserungsabsicht erhöhte es dagegen im Einspruchsverfahren die Einkommensteuer für 1975 auf … DM. Das FA erfaßte dabei u.a. erstmals auch als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandelnde verdeckte Gewinnausschüttungen der Ehefrau (Klägerin zu 2).
Gegen die Einspruchsentscheidungen erhob der Kläger zu 1 im eigenen und zugleich im Namen seiner Ehefrau (Klägerin zu 2) Klage. Die Klageschrift ist maschinenschriftlich mit „… (Ehefrau)” und handschriftlich zweimal vom Kläger unterzeichnet. Darunter ist in Klammern der Zusatz angebracht „Vollmacht wird nachgereicht”. Mit Schreiben vom 10. Oktober 1988 teilte die Ehefrau mit, sie habe ihren Ehemann zur Unterzeichnung der Klage und des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung bevollmächtigt. Die ebenfalls namens der Eheleute eingereichte Klagebegründung vom 10. November 1988 hat wiederum ausschließlich der Kläger zu 1 unterschrieben. Mit Schriftsatz vom 19. November 1988 reichte der Kläger zu 1 ein Schreiben seiner Ehefrau zu den Akten, mit dem sie die in der Klagebegründung vom 10. November 1988 abgegebenen Erklärungen genehmigt.
Zu dem Erörterungstermin vor dem Finanzgericht (FG) vom 10. Juni 1992 wurde neben dem FA nur der Kläger zu 1 geladen. Eine Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung erging ebenfalls nur an den Kläger zu 1.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Während das FG die Klage betreffend die Einkommensteuer 1974 als unbegründet zurückwies, setzte es die Einkommensteuer 1975 auf … DM herab.
Mit ihrer Revision rügen die Revisionskläger zu 1 bis 3 die nicht ordnungsgemäße Vertretung im Klageverfahren nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie tragen im wesentlichen vor, ihnen als Rechtsnachfolger der Klägerin zu 2 sei weder eine Terminsladung zugestellt worden noch hätten sie an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Auch der Prozeßführung durch den Kläger zu 1 hätten sie weder ausdrücklich noch stillschweigend zugestimmt. Sie seien daher im Klageverfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten gewesen.
Weiterhin habe das FG den durch den Tod der Klägerin zu 2 nach § 239 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) eingetretenen Verfahrensstillstand unbeachtet gelassen. Die einzelnen Miterben hätten den Rechtsstreit nicht gemäß § 250 ZPO aufgenommen. Das während der Verfahrensunterbrechung ergangene Urteil sei ohne rechtliche Wirkung geblieben (§ 249 Abs. 2 ZPO) und daher anfechtbar (Beschluß des Bundesgerichtshofs – BGH– vom 13. Mai 1981 III ZR 20/80, Versicherungsrecht 1981, 679 m.w.N.). Im Zivilverfahren sei in diesen Fällen die Revision nach § 551 Nr. 5 ZPO zulässig. Da § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO dieser Vorschrift nachgebildet sei, sei auch im finanzgerichtlichen Verfahren insoweit die zulassungsfreie Revision statthaft (Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 116 FGO Tz. 2).
Da die Klägerin zu 2 entgegen den Angaben im Rubrum des angefochtenen Urteils nicht durch den Kläger zu 1 vertreten worden sei, greife die Ausnahmevorschrift des § 246 Abs. 1 ZPO im Streitfall nicht ein. Die Klägerin zu 2 habe jeweils nur einzelne Prozeßhandlungen des Klägers zu 1 genehmigt. Daraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, daß sie dem Kläger zu 1 eine Vollmacht für die Führung des gesamten Prozesses erteilt habe.
Die zwischen den zusammenveranlagten Eheleuten bestehende notwendige Streitgenossenschaft führe auch zur Zulässigkeit der Revision des Klägers zu 1 nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Da im Falle der notwendigen Streitgenossenschaft nur einheitlich verhandelt und entschieden werden könne, sei auch gegenüber dem Kläger zu 1 das Verfahren unterbrochen gewesen. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (zuletzt im Urteil vom 11. April 1989 VIII R 219/84, BFH/NV 1989, 755 m.w.N.) sei im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur eine einheitliche Entscheidung gegenüber beiden Ehegatten möglich. Sie seien nicht nur Gesamtschuldner der Einkommensteuer. Es bestehe vielmehr auch ein einkommensteuerliches Gesamthandsverhältnis mit der Folge, daß ein einheitlicher Steuerbescheid ergehe, nicht lediglich zusammengefaßte Bescheide i.S. von § 155 Abs. 3 AO 1977 (Urteil des Niedersächsischen FG vom 21. April 1981 VII 446/80, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG– 1981, 570). Diese Auffassung werde auch überwiegend im –zitierten– Schrifttum geteilt. Die Annahme einer nur einheitlich möglichen Entscheidung sei auch erforderlich, um zu vermeiden, daß sich für zusammenveranlagte Ehegatten wegen der Rechtskraft eines Bescheides ein unterschiedlich hoher Gesamtbetrag der Einkünfte und eine unterschiedlich hohe Steuerschuld ergebe.
Die Revisionskläger zu 1 bis 3 beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA hat keine Stellungnahme abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Revisionskläger zu 1 bis 3 sind unzulässig.
Gegen ein Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision zu, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat (§ 115 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs – BFHEntlG–). Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, wenn einer der in § 116 Ab. 1 FGO genannten Verfahrensmängel gerügt wird.
Im Streitfall sind keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Der erkennende Senat hat die von den Revisionsklägern zu 1 bis 3 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluß vom heutigen Tage als unbegründet zurückgewiesen.
Die Revision ist auch nicht ohne Zulassung nach § 116 Abs. 1 FGO zulässig. Die Revisionskläger zu 1 bis 3 haben zwar das Fehlen ordnungsgemäßer Vertretung i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO gerügt und damit einen Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO bezeichnet. Derartige Verfahrensmängel sind jedoch nur dann schlüssig gerügt, wenn die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, den behaupteten Mangel ergeben (BFH-Beschluß vom 22. März 1993 XI R 23, 24/92, BFHE 170, 308, BStBl II 1993, 514 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
1. Der Kläger zu 1 ist zur mündlichen Verhandlung am 9. November 1992 ordnungsgemäß geladen worden. Soweit im Verfahren der Klägerin zu 2, dessen verstorbener Ehefrau, ordnungsgemäße Ladungen unterblieben sind, wirkt sich dies im Rahmen der bestehenden einfachen Streitgenossenschaft rechtlich nicht auf das Verfahren des Klägers zu 1 aus. Bei der gemeinsamen Klageerhebung von Ehegatten gegen einen zusammengefaßten Bescheid handelt es sich um zwei Klagen gegen verschiedene Verwaltungsakte, die im Wege einer subjektiven Klagenhäufung miteinander verbunden werden können.
Auch die weitere Vertretungsrüge, die durch den Tod der Klägerin zu 2 eingetretene Verfahrensunterbrechung (§ 239 Abs. 1 ZPO) habe auch im Rechtsstreit des Klägers zu 1 beachtet werden müssen, ist nicht schlüssig erhoben worden. Denn eine Unterbrechung des Verfahrens der Klägerin zu 2 ist durch deren Tod nicht eingetreten. Der Kläger zu 1 hat seine verstorbene Ehefrau, die Klägerin zu 2, wirksam vertreten. Das FG ist zutreffend von dessen Bevollmächtigung durch die Klägerin zu 2 für das gesamte Verfahren ausgegangen. Im Steuerprozeß wirkt die Prozeßvollmacht ebenfalls über den Tod des Vollmachtgebers hinaus und behält auch im Verhältnis zu den Erben in einem Rechtsstreit ihre Wirkung.
2. Die Revision der Rechtsnachfolger der Klägerin zu 2 ist ebenfalls mangels eines schlüssig gerügten Zulassungsgrundes nach § 116 Abs. 1 FGO unzulässig.
Die fehlende Ladung in dem Verfahren der Klägerin zu 2 bzw. ihrer Rechtsnachfolger stellt zwar einen Verfahrensfehler dar. Es handelt sich jedoch nach den besonderen Umständen des Streitfalles nicht um einen derart schwerwiegenden Verstoß gegen die Verfahrensordnung, daß dadurch bereits die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO eröffnet wird. Der Kläger zu 1 hat an der mündlichen Verhandlung am 9. November 1992 teilgenommen. Er ist daher in der Lage gewesen, auch als Prozeßvertreter der Rechtsnachfolger der Klägerin zu 2 bzw. in seiner Eigenschaft als deren Rechtsnachfolger Erklärungen abzugeben. Dies ist in den typischen Fällen des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO gerade ausgeschlossen. Der Kläger zu 1 hat zur Sache verhandelt. Sowohl das FG als auch die Beteiligten sind offenbar davon ausgegangen, daß dies zugleich im Namen der Miterben geschehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die zwischen denselben Verfahrensbeteiligten ergangene Entscheidung des VIII. Senats des BFH vom 14. Juni 1994 VIII R 79/93 (BFH/NV 1995, 225) Bezug genommen, der sich der erkennende Senat anschließt. Der dort entschiedene Sachverhalt betreffend die Einkommensteuerveranlagung 1971 entspricht in allen wesentlichen Punkten dem des Streitfalls.
Die Revisionen waren gemäß § 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen. Durch Beschluß kann auch dann entschieden werden, wenn –wie im Streitfall– mündliche Verhandlung beantragt worden ist (BFH-Urteil vom 26. Februar 1969 I K 1/68, BFHE 95, 86, BStBl II 1969, 320, 321 m.w.N.).
Fundstellen