Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehler
Leitsatz (NV)
Ein Fehler in der Handhabung des Gerichtsverfahrensrechts (Verfahrensfehler) durch Übergehen eines Beweisantrages oder wegen Nichtaufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen liegt nur dann vor, wenn es nach der materiellrechtlichen Auffassung des FG auf die weitere Beweiserhebung ankam. Kein Verfahrensfehler, sondern ein materiellrechtlicher Fehler liegt vor, wenn das FG ‐ möglicherweise zu Unrecht ‐ die Angaben des FA zum Beginn und Ende des Zinslaufes nach § 235 Abs. 3 Satz 2 AO übernommen hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; AO § 235 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 20.06.2007; Aktenzeichen 2 K 446/04) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --eine inzwischen aufgelöste Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), vertreten durch die ehemaligen Gesellschafter F und K-- wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), durch das dieses eine Klage auf Aufhebung eines Bescheides über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen teilweise abgewiesen hat.
Zur Begründung seines Urteils hat das FG ausgeführt: Die Klägerin habe ihre Verpflichtung verletzt, Umsätze und Lohnsteuern zutreffend zu erklären, und sei deshalb nach § 235 der Abgabenordnung (AO) Schuldner der Hinterziehungszinsen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) habe die Zinsen in seinem Bescheid vom 28. November 2000 überhöht festgesetzt, weil es bei deren Berechnung von der festgesetzten Umsatzsteuer ohne Berücksichtigung der Vorsteuern ausgegangen sei. Im Übrigen sei die Klage jedoch abzuweisen, weil unerheblich sei, dass die Umsatz- und Lohnsteuerbescheide durch weitere Änderungen im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung in den Jahren 2003 und 2004 herabgesetzt worden seien; denn die Bescheidänderungen seien erst nach dem Ende des Zinslaufes (laut Zinsbescheid 10. Dezember 2000) erfolgt und daher nach § 235 Abs. 3 Satz 2 AO unbeachtlich.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der auf Verfahrensfehler, Divergenz und "unrichtige Rechtsanwendung" gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Der Antrag der Klägerin, das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Sache VI B 94/07 auszusetzen, ist überholt; denn der VI. Senat hat inzwischen die in diesem Verfahren erhobene Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 als unbegründet zurückgewiesen.
2. Einen Verfahrensfehler des FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat die Klägerin nicht in schlüssiger Weise gerügt. Hierzu hätte die Klägerin vortragen müssen, dass dem FG ein Fehler in der Handhabung des Gerichtsverfahrensrechts unterlaufen sei. Wird --wie vorliegend-- ein Sachaufklärungsmangel gerügt, so muss der Beschwerdeführer darlegen, dass das Gericht einen Beweisantrag übergangen oder eine Tatsache nicht weiter aufgeklärt habe, obschon sich die weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen nach den Umständen des Falles auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 2007 V B 129/05, BFH/NV 2007, 1551, und vom 30. August 2007 VII B 46/07, BFH/NV 2008, 125, je m.w.N.). Dies ist jedoch nicht der Fall. Wenn das FG die Herabsetzung der Umsatzsteuer und Lohnsteuer für den angegriffenen Bescheid über Hinterziehungszinsen als unbeachtlich angesehen hat, weil es die Voraussetzungen des § 235 Abs. 3 Satz 2 AO (Änderung nach Ende des Zinslaufes) für gegeben hielt, weil es möglicherweise unzutreffend die Angaben des FA über den Beginn und das Ende des Zinslaufes übernommen hat, liegt hierin allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler des Urteils, jedoch kein Fehler in der Handhabung des Gerichtsverfahrensrechts.
3. Die Revision war auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen. Die gerügte Divergenz zum BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2000 V B 145/00 (BFH/NV 2001, 424) ist nicht hinreichend dargetan (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierzu hätte die Klägerin darlegen müssen, dass das FG von einem Rechtssatz ausgegangen ist, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz in diesem Beschluss steht. Dies ist nicht der Fall. Die im BFH-Beschluss erhebliche Rechtsfrage, ob die Anordnung eines dinglichen Arrestes als Sicherungsmittel das Ende des Zinslaufes nach § 235 AO bewirkt, ist im Streitfall nicht relevant.
Fundstellen