Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwischenvermietung
Leitsatz (NV)
Die Sicherung des Mieteingangs über einen längeren Zeitraum scheidet als Rechtfertigung für die von der gesetzlichen Wertung abweichende Gestaltung der Vermietung einer Wohnung durch Zwischenvermietung aus, solange der Eigentümer keine erfolglosen eigenen konkreten Vermietungsbemühungen beweist.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12, § 9 Abs. 1, § 15 Abs. 2; AO 1977 § 42
Tatbestand
1. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) errichteten im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft eine Eigentumswohnung für . . . DM. Sie vermieteten die Wohnung im Mai 1983 mit dem Recht der Untervermietung an die S-GmbH für monatlich 1267 DM. Die S-GmbH vermietete die Wohnung ab 16. Juli 1984 für eine innerhalb von fünf Jahren von 949 DM auf 1035 DM steigende Miete an einen Endmieter.
Die Antragsteller verzichteten auf die Steuerbefreiung für die Mietumsätze an die S-GmbH (§ 4 Nr. 12 Buchstabe a, § 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 - UStG 1980 -) sowie auf die Nichterhebung von Umsatzsteuer (§ 19 Abs. 1 UStG 1980) und setzten aus Rechnungen über Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Wohnung berechnete Umsatzsteuer in der Umsatzsteueranmeldung für 1984 in Höhe von . . . DM ab. Die Umsatzsteuer wurde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß festgesetzt.
Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der S-GmbH im Jahre 1986 wurde bei dieser eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt. Nach dem Prüfungsbericht ist die Zahlungsfähigkeit der S-GmbH ab 1983 nur durch von den Initiatoren abgesicherte Kredite aufrechterhalten worden. Die S-GmbH hatte danach in den Jahren 1980 bis 1984 Stützungszahlungen von insgesamt . . . DM erhalten.
In dem Umsatzsteueränderungsbescheid für 1984 (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 - AO 1977 -) vom 28. Dezember 1988 beurteilte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) die Vermietung der bezeichneten Eigentumswohnung an die S-GmbH als steuerfreie Umsätze und versagte den Abzug der abgesetzten Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980). Das FA würdigte die Zwischenvermietung als Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts (§ 42 AO 1977), weil das Mietausfallrisiko wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der S-GmbH bei den Antragstellern als Wohnungseigentümer verblieben sei. Die Einsprüche der Antragsteller gegen den bezeichneten Umsatzsteueränderungsbescheid wies das FA durch die Einspruchsentscheidung vom 23. November 1990 zurück. Über die dagegen erhobene Klage ist noch nicht entschieden worden.
Dem von den Antragstellern nach Ablehnung durch das FA beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteueränderungsbescheids für 1984 gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gab das FG durch den angefochtenen Beschluß statt.
Mit der Beschwerde rügt das FA fehlerhafte Anwendung von § 42 AO 1977 und Abweichung der Entscheidung des FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Zwischenvermietung.
Das FA beantragt, den angefochtenen Beschluß des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des bezeichneten Umsatzsteueränderungsbescheids für 1984 - in Höhe von noch . . . DM - abzulehnen.
Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegengetreten.
Sie halten den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheid 1984 vom 28. Dezember 1988 für nichtig, weil er nicht, jedenfalls nicht richtig innerhalb der Festsetzungsfrist begründet worden sei und dies nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht, auch nicht durch die erst am 23. November 1990 erlassene Einspruchsentscheidung habe geheilt werden können. Der vorher gewährte Vorsteuerabzug habe durch den angefochtenen Bescheid nicht ,,widerrufen" werden können, weil das FA zuvor an seiner Beurteilung während vier vorangegangener Prüfungen - u.a. einer Umsatzsteuersonderprüfung in ihrem, der Antragsteller, Haus - festgehalten habe. Der geänderte Umsatzsteuerbescheid für 1984 könne nicht mehr als Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung angesehen werden. Jedenfalls sei das FA nach Treu und Glauben gehindert, seine ursprüngliche Beurteilung des Vorsteuerabzugs zu ändern. Zutreffender Ermessensausübung hätte es entsprochen, die Sache nicht noch kurz vor Ablauf der Festsetzungsverjährung aufzugreifen.
Außerdem machen sich die Antragsteller die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu eigen. Die Zwischenvermietungspraxis verstoße, so führen sie zusätzlich u.a. aus, gegen die Menschenwürde, gegen Gesetz und Recht, gegen den Schutz der geschäftlichen Betätigung durch Zwischenvermietung nach Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Sie verletze den Gleichheitsgrundsatz, weil sie die Besteuerungsgrundsätze in Billigkeitserlassen des Bundesministers der Finanzen mißachte.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteueränderungsbescheids für 1984 vom 28. Dezember 1988 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 23. November 1990.
Entgegen der Auffassung des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S. von § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO daran, daß die Antragsteller die anläßlich der Errichtung ihrer Eigentumswohnung angefallenen Umsatzsteuerbeträge nicht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 als Vorsteuerbeträge abziehen können. Ihrem Begehren steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der Wohnung durch eine den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietung erfolgt ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG 1980). Die im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung erforderliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Rechts- und Tatfragen ergibt keine ernstlichen Zweifel, daß der angefochtene Umsatzsteueränderungsbescheid 1984 rechtmäßig ist, insbesondere, daß die Einschaltung der S-GmbH als Zwischenvermieter rechtsmißbräuchlich (§ 42 Satz 1 AO 1977) war, so daß für die erstmalige Verwendung der Wohnung (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980) die Nutzung durch den jeweiligen Endmieter zu beurteilen ist.
a) Der angefochtene Umsatzsteueränderungsbescheid für 1984 ist nicht deswegen nichtig, weil er fehlerhaft oder erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist begründet worden ist. Ausweislich der Umsatzsteuerakten ist der Bescheid begründet worden. Selbst wenn die Begründung fehlerhaft wäre, führte dies grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit nach § 125 Abs. 1 AO 1977 (vgl. zu den Voraussetzungen: Beschluß des BFH vom 14. April 1989 III B 5/89, BFHE 156, 376, BStBl II 1990, 351), nicht einmal zur Rechtswidrigkeit, wenn die Steuerfestsetzung - wie im Streitfall - als solche zutreffend ist. Auch ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist bekanntgegebener Steuerbescheid ist nicht nichtig, sondern nur rechtswidrig (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., Vor § 169 AO Tz.2, § 169 AO Tz.15; Kühn/ Kutter/Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 169 AO Anm.3).
b) Der ursprüngliche Bescheid stand, als er durch den angefochtenen Bescheid geändert wurde, noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO 1977). Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt nach ständiger Rechtsprechung des BFH erst (vgl. BFH-Urteil vom 2. Mai 1990 VIII R 20/86, BFH/NV 1991, 219 m.w.N.) durch ausdrückliche Aufhebung. Solange diese Wirkung des Vorbehalts der Nachprüfung besteht, ist die mit dieser Nebenbestimmung versehene Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO 1977 in vollem Umfang änderbar. Dies gilt auch im Streitfall.
Durch Außenprüfung bei dem gewerblichen Zwischenvermieter und durch die Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei den Antragstellern am 21. Oktober 1987 war keine Änderungssperre eingetreten. Selbst wenn das FA - wie die Antragsteller in einem Parallelverfahren vor dem FG vorgetragen haben - bei diesen Prüfungen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 bekanntgegeben hätte (vgl. zu den Anforderungen an diese Mitteilung: BFH-Urteil vom 14. Dezember 1989 III R 158/85, BFHE 159, 120, BStBl II 1990, 283), hinderte dies nur eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 AO 1977, aber nicht nach § 164 Abs. 2 AO 1977 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 29. April 1987 I R 118/83, BFHE 149, 508, BStBl II 1988, 168). Abgesehen davon konnte die nicht auf eine umfassende Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen angelegte Umsatzsteuer-Sonderprüfung auch keine Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO 1977 bewirken (vgl. BFH-Urteil vom 11.November 1987 X R 54/82, BFHE 152, 166, BStBl II 1988, 307).
Die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 1984 gegen die Antragsteller war auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -), wegen einer verbindlichen Zusage (§§ 204 ff. AO 1977) oder einer verbindlichen Auskunft untersagt; denn dafür haben die Antragsteller die Voraussetzungen weder dargelegt noch ergeben sich für eine besondere Vertrauenslage, die das FA gerade gegenüber den Antragstellern geschaffen hätte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. April 1989 V R 130/84, BFH/NV 1990, 232) Anhaltspunkte aus den Akten. Allein die Durchführung von Prüfungen begründet kein Vertrauen auf Verzicht des FA auf weitere gesetzlich gebotene Änderungen der Steuerfestsetzung.
c) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007) ist der Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i.S. von § 42 Satz 1 AO 1977 erfüllt, wenn für die Einschaltung eines Zwischenvermieters, d.h. einer Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Das UStG geht bei Besteuerung von Wohnraum davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756).
Dies geschieht durch die Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken. Dabei vermietet der Wohnungsinhaber die Wohnung selbst oder mit Hilfe eines Vertreters (Hausverwalter) an den Wohnungs(end)mieter. Die Vermietungsleistung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG 1980), schließt aber den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980). Rechtliche Gestaltungen, die diese Rechtsfolge vermeiden, sind an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Maßgebend für die Anerkennung einer abweichenden Gestaltung können nur Gründe des (den Vorsteuerabzug begehrenden) leistenden Unternehmers (Eigentümer-Vermieter) im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses sein, die Wohnungsvermietung abweichend von der gesetzlichen Wertung durchzuführen. Der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist zu entnehmen, daß es nicht ausreicht, die Wohnung an einen gewerblichen Zwischenvermieter zu vermieten, sofern nicht bewiesen worden ist, daß die Wohnung nicht zumutbar - sei es auch unter Mithilfe eines Hausverwalters - an den (jeweiligen) Wohnungs(end)mieter vermietbar war (vgl. Beschluß des Senats vom 11.November 1991 V B 54, 55/91, UR 1992, 79).
d) Der Senat hat in dem Beschluß vom 11.November 1991 V B 54, 55/91 im einzelnen dargelegt, daß seine Rechtsprechung nicht auf einer gesetzwidrigen Beweislastumkehr beruht und daß sie die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) von Eigentümern nicht verletzt, die eine Wohnung an einen gewerblichen Zwischenvermieter vermieten.
e) Im Streitfall sind beachtliche Gründe, die die Zwischenvermietung rechtfertigen, nicht gegeben.
Die Sicherung des Mieteingangs über einen längeren Zeitraum scheidet als Grund für die von der gesetzlichen Wertung abweichende Gestaltung aus, solange der Eigentümer - wie im Streitfall die Antragsteller - keine erfolglosen eigenen konkreten Vermietungsbemühungen beweist (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 11.Februar 1991 V B 175/89, BFH/NV 1991, 710), die auf eine zumutbare Vermietung an einen Endmieter gerichtet waren (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 29. Juni 1990 V B 135/89, BFH/NV 1991, 278; vgl. im übrigen Beschlüsse des Senats vom 29. Juni 1990 V B 158/89, BFH/NV 1991, 492; vom 6. November 1990 V B 98/90, BFH/NV 1991, 492). Es trifft in der behaupteten Allgemeinheit nicht zu, daß mit der Zwischenvermietung eine größere Sicherheit gegen Mietausfälle als bei einer unmittelbaren Vermietung an einen Endmieter erreichbar ist.
Die Höhe der vom Zwischenvermieter geschuldeten Miete (die sich daraus ergebende Rendite für die Wohnung als Kapitalanlage) ist für die Angemessenheit einer von der gesetzlichen Wertung abweichenden Gestaltung der Vermietung von Wohnraum ohne rechtliche Bedeutung (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Juni 1990 V B 135/89, BFH/NV 1991, 278). Erzielt der Eigentümer durch Zwischenvermietung eine höhere Miete als der Zwischenvermieter am Markt erzielen kann, geht er gerade die Risiken bei dieser Gestaltung der Vermietung ein, die er vorgibt, vermeiden zu wollen.
Fundstellen
Haufe-Index 418495 |
BFH/NV 1993, 444 |