Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfordernisse für Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsfrist
Leitsatz (NV)
1. Wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist beantragt, so muß die Revision unter Beachtung der für sie geltenden Förmlichkeiten innerhalb der Antragsfrist eingelegt werden, und zwar beim FG, nicht beim BFH. Das Risiko eines nicht rechtzeitigen Eingangs beim FG trägt der Revisionsführer.
2. Zu den für die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil maßgebenden Erfordernissen.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 55 Abs. 2 S. 1, Abs. 1, § 120 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Nachdem der Senat die von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das am 7. Juli 1994 zugestellte klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 29. Juni 1994 eingelegte Beschwerde verworfen hatte (Beschluß vom 24. Januar 1995, zugestellt am 21. Februar 1995) -- mit der Begründung, es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die zulassungsfreie Revision gemäß § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben sei --, legte die Klägerin gegen die Vorentscheidung Revision ein und beantragte zugleich vorsorglich, ihr wegen der auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum zurückzuführenden Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 FGO). Die Revisionsschrift, gerichtet an den Bundesfinanzhof (BFH), ging bei diesem am 7. März 1995 ein und wurde an das FG weitergeleitet (dort Eingang am 9. März 1995). Eine Revisionsbegründung liegt bislang nicht vor.
Entscheidungsgründe
Die an sich statthafte Revision ist unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Vorentscheidung, beim FG eingelegt worden ist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dem Wiedereinsetzungsantrag kann nicht entsprochen werden, weil die versäumte Rechtshandlung -- Einlegung der Revision -- nicht innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 und 3 FGO). Für eine gesonderte Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels -- von der Klägerin angeregt ("Zwischenurteil") -- ist kein Raum, da der auf die Zulässigkeit beschränkte Streit zur Endentscheidung reif ist (Senat, Beschluß vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573 f., BStBl II 1990, 546; Gräber/Koch, FGO, 3. Aufl. 1993, § 56 Anm. 67). Diese Entscheidung hat durch Beschluß zu ergehen (§ 124, § 126 Abs. 1 FGO).
Die Revision ist nicht, wie die Klägerin unter Berufung auf die ihrer Ansicht nach unrichtige Rechtsmittelbelehrung in der Vorentscheidung meint, innerhalb noch offener (Jahres-)Frist (vgl. § 55 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 FGO) eingelegt worden. Die Rechtsmittelbelehrung enthält u. a. den Hinweis auf die den Beteiligten zustehende Revision, "wenn es sich um ein Urteil in Zolltarifsachen handelt", daneben Ausführungen über die Möglichkeit, Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision einzulegen; sie entspricht gerade damit den Erfordernissen von § 55 Abs. 1 FGO (Gräber/Koch, a. a. O., § 55 Anm. 18; ebenso in einem vergleichbaren Fall Senat in BFHE 159, 573, 576, BStBl II 1990, 546; nicht entgegenstehend BFH, Beschluß vom 2. Dezember 1987 V B 105/87, BFH/NV 1988, 787), denen bei Weglassung der letztgenannten Ausführungen nicht genügt worden wäre. Sie sind auch nicht etwa "irreführend", denn sie betreffen den Fall, daß die Zulassung der Revision erst erstritten werden muß. Ob dies zutrifft oder nicht, hat das FG nicht zu entscheiden. Sollten Zweifel bestehen, ob die Revision zulassungsfrei gegeben oder Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen ist, so bleibt den betroffenen Beteiligten bei der derzeitigen Verfahrensrechtslage nur übrig, Revision und Nichtzulassungsbeschwerde, jeweils unbedingt, nebeneinander einzulegen (vgl. BFHE 159, 573, 576 a. E.).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus. Voraussetzung dafür ist, daß innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wird, wobei die Formalien der betreffenden Rechtshandlung zu beachten sind. Zu den Förmlichkeiten der Revision gehört, daß diese bei dem FG eingelegt wird (BFH, Beschlüsse vom 2. Dezember 1988 X R 92/88, BFHE 155, 36, 38 f., BStBl II 1989, 147, und vom 22. November 1993 IX R 4/91, BFH/NV 1994, 568). Innerhalb der Antragsfrist, die entgegen der Auffassung der Klägerin mit Zustellung des Senatsbeschlusses vom 24. Januar 1995 begann (Wegfall des in einer möglicherweise unverschuldeten Unkenntnis der Statthaftigkeit der Revision liegenden Hindernisses), ist die Revision beim FG nicht eingelegt worden. Die Einlegung beim BFH ist nach geltendem Recht, an das der Senat gebunden ist, unbehelflich. Das Risiko eines (nicht) recht zeitigen Eingangs beim FG -- hier: bei Weiterleitung an dieses Gericht -- trägt der Revisionsführer.
Ist, wie ausgeführt, § 56 Abs. 2 SAtz 3 FGO nicht beachtet worden, so bedarf es keiner Entscheidung, ob die von der Klägerin vorgebrachten Gründe geeignet gewesen wären, eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen.
Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Antragsfrist ist nicht beantragt worden. Sie kommt auch nicht in Betracht. Ein entschuldbarer Irrtum über die Einhaltung der Antragsfrist auch mit Rücksicht auf die Nachholung der versäumten Rechtshandlung ist nicht ersichtlich.
Im Hinblick auf die hiernach vorliegende verspätete Einlegung der Revision kommt es nicht mehr auf die Frage an, welche Folgerungen aus dem Nichtvorliegen der Revisionsbegründung zu ziehen wären (zum Lauf der Revisionsbegründungsfrist in Fällen der vorliegenden Art nunmehr BFH, Beschluß vom 18. Mai 1994 I R 111/93, BFHE 175, 388, BStBl II 1995, 24).
Fundstellen
Haufe-Index 420805 |
BFH/NV 1995, 1081 |