Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe im Beschwerdeverfahren
Leitsatz (NV)
Wird Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wegen Versagung der Prozeßkostenhilfe durch das FG beantragt, muß innerhalb der Beschwerdefrist erneut eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt werden, sofern nicht der Antragsteller unter Bezugnahme auf die erstinstanzliche Erklärung innerhalb der Beschwerdefrist versichert, daß die Verhältnisse unverändert seien (Anschluß an BFH-Beschluß vom 5. November 1986 IV S 7/86, BStBl II 1987, 62).
Normenkette
FGO § 142
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war als Kunstmaler und Grafiker freiberuflich tätig.
Im Jahre 1983 fand bei ihm eine Betriebs prüfung für die Jahre 1979 bis 1981 statt. Aufgrund dieser Prüfung erging u. a. ein Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr (1979), gegen den der Antragsteller nach erfolglosem Einspruch Klage erhob. Folgende Punkte sind streitig:
1. Die Miete und die Nebenkosten für eine Wohnung in X, die der Antragsteller nach seinen Angaben als Atelier gemietet hatte, wurden nicht mehr als Betriebsausgaben anerkannt, weil der älteste Sohn des Antragstellers lt. Auskunft des Einwohnermelde amtes dort gemeldet war.
2. Die Kosten für den auf den Sohn zugelassenen PKW wurden nicht mehr in vollem Umfang als Betriebsausgaben anerkannt. Statt dessen schätzte das damals zuständige Finanzamt (FA) die betrieblich veranlaßten Kosten auf 1080 DM (entsprechend einer Fahrleistung von 3000 km im Jahr).
3. Der Privatanteil der Telefonkosten wurde auf 600 DM geschätzt.
4. Die Zinsen für einen Kontokorrentkredit wurden, da mit diesem Kredit auch Privatentnahmen finanziert worden waren, teilweise als privat veranlaßte Aufwendungen angesehen. Die Schätzung orientierte sich nach der Darstellung im Betriebsprüfungsbericht am Verhältnis der privat veranlaßten zu den beruflich veranlaßten Schulden.
5. Mehraufwendungen für Verpflegung erkannte das FA in Höhe von 5136 DM wegen Fehlens eines Nachweises nicht als Betriebsausgaben an.
6. Die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Arzt- und Arzneimittelkosten blieben ohne steuerliche Auswirkung, weil der durch Belege nachgewiesene Betrag in Höhe von 4450 DM unterhalb der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) lag.
Einem Antrag auf Prozeßkostenhilfe (PKH) gab das Finanzgericht (FG) nur hinsichtlich des ersten Streitpunktes statt, weil es der Klage nur insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg zumaß.
Gegen den Beschluß des FG, der dem Antragsteller am 14. Juni 1994 zugestellt wurde, hat der nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene Antragsteller mit Schriftsatz vom 22. Juni 1994 Beschwerde eingelegt, die am 1. Juli 1994 beim FG einging (Az. IV B 106/94). Außerdem hat er einen Antrag auf PKH für das Beschwerdeverfahren gestellt (Az. IV S 10/94). Von der Geschäftsstelle des beschließenden Senats darauf aufmerksam gemacht, daß die Beschwerde verspätet sei, trug der Antragsteller sinngemäß vor, daß die Verzögerung auf den Poststreik zurückzuführen sei. Eine (neue) Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war der Beschwerde zunächst nicht beigefügt. Mit Schreiben vom 7. November 1994 wies die Senatsgeschäftsstelle den Antragsteller darauf hin, daß diese Erklärung dem Beschwerdegericht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist vorgelegt werden müsse. Gleichzeitig übersandte sie dem Antragsteller den für die Erklärung vorgeschriebenen Vordruck und bat um umgehende Rücksendung. Dieser Hinweis wurde dem Antragsteller am 10. November 1994 zugestellt. Am 28. November 1994 ging die Erklärung beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
Der Senat hat die Verfahren IV B 106/94 und IV S 10/94 zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist unzulässig, da der Antragsteller bei Einlegung dieses Rechtsmittels nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten war, der gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) zur Vertretung vor dem BFH befugt ist (Senatsbeschluß vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62).
2. Der Antrag auf PKH für das Beschwerdeverfahren wird als unbegründet abgelehnt.
a) Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren ist zulässig. Insbesondere wird die Zulässigkeit nicht dadurch berührt, daß die vom Antragsteller persönlich eingelegte Beschwerde wegen mangelnder Postulationsfähigkeit als unzulässig zurückgewiesen werden muß (s. o. unter 1.). Dem Antragsteller könnte grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumnis der Beschwerdefrist gewährt werden, falls ein nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vertretungsberechtigter Bevollmächtigter nach Ergehen dieser Entscheidung erneut Beschwerde einlegen und gleichzeitig fristgerecht den Wiedereinsetzungsantrag stellen würde. Im Hinblick auf diese Möglichkeit wäre die Unzulässigkeit der vom Antragsteller persönlich eingelegten Beschwerde unbeachtlich (Senatsbeschluß in BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62).
b) Der Antrag auf PKH ist jedoch unbegründet, weil die mit der Beschwerde gegen den Beschluß des FG beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO i. V. m. § 114 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --).
Es kann dahinstehen, ob dem Antragsteller wegen der verspäteten Einlegung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann (§ 56 FGO). Jedenfalls kann die Beschwerde deshalb keinen Erfolg haben, weil der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO) abgegeben hat (vgl. Senatsbeschluß in BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62). Der Antragsteller hat diese Erklärung nur im erstinstanzlichen PKH-Verfahren vorgelegt. Das reicht jedoch nicht aus, weil PKH in jedem Rechtszug besonders gewährt wird (Beschluß in BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62). Der Antragsteller hat auch nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist unter Bezugnahme auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Erklärung versichert, daß sich die Verhältnisse gegenüber dieser Erklärung nicht geändert hätten (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 12. November 1987 V B 58/87, V S 13/87, BFH/NV 1988, 537).
Dem Antragsteller kann wegen der verspäteten Vorlage der Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß er zunächst unverschuldet an der Abgabe der Erklärung gehindert gewesen sein sollte, hat er die versäumte Handlung nicht -- wie dies § 56 Abs. 2 FGO erfordert -- binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt. Denn die Erklärung ist erst 18 Tage nach Zustellung der Mitteilung der Senatsgeschäftsstelle vom 7. November 1994 beim BFH eingegangen.
Schließlich bietet die Beschwerde auch deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil es in den Punkten, für die das FG keine PKH gewährt hat, an den Erfolgsaussichten des beabsichtigen Klageverfahrens mangelt. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß das FA in den Streitpunkten 2 bis 5 zu einer Aufteilung der Aufwendungen in privat und beruflich veranlaßte Anteile im Schätzungswege berechtigt war. Substantiierte Einwendungen gegen die vom FA geschätzten Beträge hat der Antragsteller weder im Einspruchs- noch im Klage- noch im Beschwerdeverfahren vorgebracht. Die außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 4450 DM liegen angesichts des Umstands, daß der um die Sonderausgaben verminderte Gesamtbetrag der Einkünfte dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid zufolge ... DM betrug, erheblich unter der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) in Höhe von ... DM. Das gilt auch dann, wenn man den Gesamtbetrag der Einkünfte um die Aufwendungen für die Wohnung in X kürzt.
Fundstellen
Haufe-Index 420471 |
BFH/NV 1995, 726 |
BFH/NV 1995, 727 |