Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Richterablehnung wegen „krasser Fehlentscheidung“ nach Antrag auf mündliche Verhandlung
Leitsatz (NV)
Hat der Kläger nach Ergehen eines Gerichtsbescheides Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und sich zur Sache geäußert, so ist ein in der Folgezeit gestelltes Ablehnungsgesuch nach §§ 51 FGO, 42 ZPO, das sich auf eine krasse Fehlentscheidung im Gerichtsbescheid beruft, gemäß § 43 ZPO ‐ offensichtlich ‐ unzulässig (Anschluss an BFH-Beschluss vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498).
Normenkette
FGO §§ 51, 90a; ZPO §§ 42-43
Tatbestand
I. Der erkennende Senat hat mit Gerichtsbescheid vom 13. April 2000, dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) zugestellt am 21. Juli 2000, die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. August 2000 mündliche Verhandlung beantragt und seine Einwendungen geltend gemacht.
Mit Verfügung vom 21. September 2000 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, den 16. November 2000, anberaumt.
Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2000 hat der Kläger erneut zum Gerichtsbescheid Stellung genommen und insbesondere auf die Notwendigkeit einer Vorlage nach § 11 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.
Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2000 bat der Kläger, den anberaumten Verhandlungstermin wegen einer früher anberaumten anderweitigen Gerichtsverhandlung aufzuheben und die Sache zu vertagen. Der auf den 16. November 2000 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin mit Verfügung vom 24. Oktober 2000 abgesetzt. Mit Verfügung vom 8. November 2000 wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung nunmehr auf Mittwoch, den 20. Dezember 2000, anberaumt.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2000 lehnte der Kläger die am Erlass des Gerichtsbescheids beteiligten Richter des erkennenden Senats wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ab: Der Gerichtsbescheid vom 13. April 2000 sei eine krasse Fehlentscheidung, weil der erkennende Senat dort Sachverhalte unterstellt, nicht die Gesamtumstände gewürdigt und gegen Art. 20, 101 und 103 des Grundgesetzes (GG) verstoßen habe. Der Befangenheitsantrag sei wegen des Gebots der Rechtswegerschöpfung für die Verfassungsbeschwerde geboten.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat entscheidet über den Antrag des Klägers auf Ablehnung der Mitglieder des Senats selbst, da das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. Dezember 1999 IV S 10/99, BFH/NV 2000, 594; vom 16. September 1999 VII B 231/99, BFH/NV 2000, 331; vom 31. August 1999 V B 53/97, V S 13/99, BFH/NV 2000, 244). Dies ergibt sich aus § 51 FGO i.V.m. § 43 ZPO.
Danach kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Die Begriffe "in eine Verhandlung eingelassen" und "Anträge gestellt" werden weit ausgelegt. Anträge in diesem Sinn sind auch Prozessanträge. Hierzu gehört auch der Antrag auf mündliche Verhandlung nach Ergehen eines Gerichtsbescheides (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498). Da der Kläger sein Ablehnungsgesuch darauf stützt, die im Gerichtsbescheid vom 13. April 2000 zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Senats sei eine auf Befangenheit beruhende krasse Fehlentscheidung, die ohne Vorlage an den Großen Senat des BFH nicht hätte erlassen werden dürfen, hätte er seinen Antrag auf Befangenheit spätestens mit seinem Antrag auf mündliche Verhandlung stellen müssen. Demgegenüber hat der Kläger mehrfach in der Sache Stellung genommen und eine Terminsverlegung beantragt, bevor er sein Ablehnungsgesuch gestellt hat. Damit ist sein Gesuch offensichtlich verspätet.
Dienstliche Äußerungen der abgelehnten Richter sind wegen offensichtlicher Unzulässigkeit des Antrags entbehrlich (vgl. z.B. BFH in BFH/NV 2000, 594).
Fundstellen
Haufe-Index 550769 |
BFH/NV 2001, 797 |