Leitsatz (amtlich)
1. Ist angesichts der Besonderheiten des Bewertungsrechts der für die Revision in Betracht kommende Streitwert den Beteiligten nicht klar erkennbar, so ist das Rechtsschutzinteresse des durch die Nichtzulassung der Revision Beschwerten an der Nichtzulassungsbeschwerde zu bejahen.
2. Erst nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) bezeichnete Entscheidungen des BFH, von denen das Urteil des FG abweicht, können die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3, § 140 Abs. 3
Tatbestand
Vor dem FG war streitig, ob ein Grundstück der Steuerpflichtigen (Beschwerdeführerin, Klägerin) als Einfamilienhaus oder Mietwohngrundstück zu bewerten ist. Das FG bestätigte den Artfortschreibungsbescheid des FA - Beschwerdegegner, Beklagter -, wonach der früher als Mietwohngrundstück bezeichnete Grundbesitz vom 1. Januar 1962 an als Einfamilienhaus zu erfassen sei. Den Streitwert setzte das FG auf 700 DM fest. Die Revision ließ es nicht zu.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Steuerpflichtige Abweichung des FG-Urteils von den Urteilen des BFH III 35/51 U vom 19. Juli 1951 (BFH 55, 442, BStBl III 1951, 176) und III 323/61 vom 19. Juni 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 152 - HFR 1965, 152 -). Sie macht ferner geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Die Allgemeinheit sei daran interessiert zu erfahren, ob bauliche Veränderungen, die nur vorübergehender Art seien, zu einer Artfortschreibung eines Mietwohngrundstückes führen können.
Das FG half der Beschwerde nicht ab. Nach Ablauf der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO machte die Steuerpflichtige eine Abweichung des FG-Urteils von vier weiteren, im einzelnen bezeichneten BFH-Urteilen geltend. Im übrigen führte sie noch Tatsachen an, aus denen sich der Charakter des Gebäudes als Mehrfamilienhaus ergebe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde setzt voraus, daß der beschwerte Beteiligte gegen das Urteil wegen Nichtüberschreitung der Streitwertgrenze (§ 115 Abs. 1 FGO) nicht unmittelbar Revision einlegen kann, daß ferner kein Fall einer zulassungsfreien Revision (§ 116 FGO) gegeben ist und daß schließlich das FG nicht ausdrücklich die Revision zugelassen hat (§ 115 Abs. 2 FGO). Der Streitwert ist für die Feststellung der Zulässigkeit der Revision vom BFH selbst zu ermitteln (BFH-Urteil III 264/63 vom 19. Mai 1967, BFH 89, 149, BStBl III 1967, 549). Der vom FG für die erste Instanz festgesetzte Streitwert - hier 700 DM - ist nicht maßgebend. Ebensowenig ist die vom BFH für die erste Instanz berichtigte Streitwertfestsetzung - hier 1 440 DM - entscheidend. Denn für die Revisionsinstanz kann der Streitwert anders sein als in der ersten Instanz. Zwar dürfte im Streitfall nach dem von der Steuerpflichtigen mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgten Ziel der Streitwert für die Revision mit dem für die Klage, also 1 440 DM, übereinstimmen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist dennoch zulässig. In Fällen wie dem vorliegenden gab es keinen von der Rechtsprechung oder Verwaltung anerkannten Pauschsatz für die Ermittlung des Streitwerts. Es gab auch keine sonstigen Regeln, wie der Streitwert im Streifall zu bemessen ist. Die Steuerpflichtige konnte bei dieser Sach- und Rechtslage nicht erkennen, ob der BFH den vom FG festgesetzten Streitwert von 700 DM für die Revisionsinstanz übernehmen oder einen über 1 000 DM liegenden Streitwert festsetzen würde. Der Senat hat in derartigen Fällen, in denen angesichts der Besonderheiten des Bewertungsrechts der Streitwert für die Beteiligten nicht klar erkennbar ist, eine Beschwer durch die Nichtzulassung der Revision und das Rechtsschutzinteresse für die Nichtzulassungsbeschwerde bejaht (Beschluß III B 38/67 vom 3. Mai 1968, BFH 93, 25, BStBl II 1968, 685). Das ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn - wie im Streitfall - das FG einen Streitwert festsetzte, bei dem - seine Richtigkeit auch für die Revision unterstellt - eine Streitwertrevision unzulässig wäre.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Sie ist zu bejahen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt und wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH bisher abschließend nicht geklärt ist (z. B. BFH-Beschlüsse V B 1/66 vom 2. Februar 1967, BFH 88, 40, BStBl III 1967, 266, und III B 20/66 vom 3. März 1967, BFH 88, 280, BStBl III 1967, 370). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Senat hat in zahlreichen Entscheidungen, die die Steuerpflichtige im wesentlichen selbst bezeichnete, zu der Abgrenzung Einfamilienhaus-Mietwohngrundstück Stellung genommen. Das FG hat auf Grund einer örtlichen Besichtigung des Grundstücks festgestellt, daß am Stichtag nach der Gestaltung des Grundstücks ein Einfamilienhaus vorhanden war. Diese Feststellung des FG liegt auf tatsächlichem Gebiet. Die dagegen von der Steuerpflichtigen vorgebrachten Einwendungen beziehen sich auf den Einzelfall ihres Grundstücks. Sie sind deshalb nicht von allgemeinem Interesse.
Das FG-Urteil weicht auch nicht von den in der Beschwerdeschrift bezeichneten BFH-Urteilen ab. Im Urteil III 35/51 U vom 19. Juli 1951 (a. a. O.) hatte der Senat nur über einen Sonderfall der Nachkriegszeit entschieden. Dabei ging er davon aus, daß am 1. Januar 1948 und insbesondere in dem Kreis, in dem das damals streitige Grundstück lag, der Wohnungsbegriff wegen der Nachkriegsverhältnisse anders als früher und an deren Orten auszulegen gewesen sei. Die Verhältnisse haben sich bis zu dem im vorliegenden Fall streitigen Stichtag 1. Januar 1962 weitgehend geändert. Eine Abweichung von der Beurteilung jenes Sonderfalles kann deshalb im Streitfall nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Auch soweit der BFH seinerzeit die Frage des dauernden Bestandes von Wohnungen behandelte, liegt eine Divergenz nicht vor. Wie im Urteil III 35/51 U ausgeführt, ist es im wesentlichen Tatfrage, ob eine Wohnung von dauerndem Bestand ist oder nicht. Das FG hat sein Urteil auf seines Erachtens wesentliche tatsächliche Gegebenheiten des Grundstücks und damit auf den hier vorliegenden Einzelfall abgestellt.
Im Urteil III 323/61 vom 19. Juni 1964 (a. a. O.) hat der Senat entschieden, ein bebautes Grundstück, das mehr als eine Wohnung enthalte, werde nicht allein dadurch zu einem Einfamilienhaus, daß es von einer Familie bewohnt werde. Er machte diese Ausführungen im Hinblick darauf, daß jenes Grundstück zwei Wohnungen hatte, aber nur von einer Familie benutzt wurde. Im Streitfall dagegen stellte das FG in tatsächlicher Hinsicht fest, daß das Grundstück nur eine Wohnung enthält. Die angeblich divergierende Entscheidung beruht damit auf einem anderen Sachverhalt.
Soweit die Steuerpflichtige mit Schriftsatz vom 10. August 1967 Abweichung von vier weiteren BFH-Urteilen rügte, kann sie ebenfalls keinen Erfolg haben. Dieses Vorbringen ist verspätet und kann deshalb nicht mehr beachtet werden. Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß in der Beschwerdeschrift die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden. Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob die Begründung bereits in der Beschwerdeschrift zu erfolgen hat oder sie noch innerhalb der Beschwerdefrist vorgebracht werden kann (BFH-Beschluß VI B 25/67 vom 22. September 1967, BFH 90, 101, BStBl III 1967, 787; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Anm. 53). Denn im Streitfall war bei der am 10. August 1967 erhobenen Rüge der Abweichung von weiteren BFH-Urteilen die Beschwerdefrist auf jeden Fall schon verstrichen. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde kann aber allenfalls sein, was ein Beschwerdeführer innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat vorbringt (§ 115 Abs. 3 FGO). Die Ansicht, weil die Abweichung rechtzeitig hinsichtlich der zwei oben im einzelnen genannten BFH-Urteile gerügt worden und die Nichtzulassungsbeschwerde somit zulässig sei, müsse es möglich sein, später noch weitere Abweichungen geltend zu machen, ist abzulehnen. Andernfalls könnte die Beschwerdebegründungsfrist, die in § 115 Abs. 3 FGO - anders als bei der Beschwerde nach § 128 FGO - vorgeschrieben ist, leicht umgangen werden. Der Beschwerdeführer müßte nur innerhalb der Frist ein - angeblich - abweichendes Urteil benennen und könnte seine Beschwerde später noch auf weitere Abweichungen stützen. Damit würde die bewußt kurz bemessene Frist des § 115 Abs. 3 FGO im Ergebnis unzulässigerweise verlängert werden.
Die Steuerpflichtige hat in den Schriftsätzen vom September 1967 umfangreiches Tatsachenmaterial angeführt, aus dem sich ergeben soll, daß das streitige Grundstück am Stichtag kein Einfamilienhaus gewesen sei. Neue Tatsachen können im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht mehr vorgebracht werden (vgl. Beschluß des BVerwG III B 21/53 vom 20. Januar 1955, NJW 1955 S. 566). Selbst wenn man in dem tatsächlichen Vorbringen eine Verfahrensrüge sehen wollte und könnte, was ausdrücklich dahingestellt bleibt, könnte die Revision nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zugelassen werden. Denn auch dieses Vorbringen wäre verspätet.
Fundstellen
Haufe-Index 68230 |
BStBl II 1969, 36 |
BFHE 1968, 503 |