Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Kfz-Nutzung eines Gesellschafter-Geschäftsführers: Anscheinsbeweis
Leitsatz (NV)
Steht dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ein Kfz mit der Berechtigung zur privaten Nutzung zur Verfügung, ist nach den Regeln des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass er das Kfz auch privat nutzt.
Normenkette
FGO §§ 76, 93, 104 Abs. 1 S. 1, § 116 Abs. 3 S. 3, § 155; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3; ZPO § 295
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 14.10.2005; Aktenzeichen 14 K 3555/02) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand ihres Unternehmens ist der Betrieb eines Kraftfahrzeugmeisterbetriebes.
Beherrschender Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war S, der aufgrund des Gesellschafteranstellungsvertrags in den Streitjahren (1996 bis 1998) berechtigt war, einen betrieblichen PKW für private Zwecke zu nutzen. Die Ehefrau des S war Teilzeitangestellte der GmbH.
In der Zeit von 1996 bis Juli 1997 war die Klägerin Eigentümerin eines Mercedes S 350 TD, ab Juli 1997 leaste die Klägerin einen Mercedes SL 500 Roadster. Des Weiteren wies das Anlageverzeichnis der Klägerin in den Streitjahren ein Rennmotorrad der Marke Ducati aus. Zudem schaffte die Klägerin im Juli 1997 einen Motorroller an. Die Kosten dieser Fahrzeuge beliefen sich ohne Versicherung und sonstige Kosten für 1996 auf 27 103,84 DM, für 1997 auf 41 293,86 DM und für 1998 auf 61 667,47 DM.
Eine Kfz-Nutzungsüberlassung an S bzw. dessen Ehefrau wurde von der Klägerin nicht erfasst.
Aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) die für die vom Geschäftsführer genutzten Fahrzeuge Mercedes S 350 TD und 500 SL geführten Fahrtenbücher nicht an. Auch für umsatzsteuerliche Zwecke ermittelte er dabei die Vorteile der Nutzung mittels der sog. 1 v.H.-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre gültigen Fassung und erließ im April 2001 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Die Einsprüche hatten keinen, die Klage dagegen teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erfasste Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) in der für die Streitjahre gültigen Fassung. Es bemaß diese Umsätze mit den bei ihrer Ausführung entstandenen Kosten, die zum Vorsteuerabzug berechtigten. Den Anteil der auf die Privatfahrten entfallenden Kosten schätzte das FG gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 162 der Abgabenordnung auf 50 v.H.
Das FG ließ die Revision gegen das Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung und der Verletzung rechtlichen Gehörs geltend macht.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht verletzt.
a) Zwar kann auch die schlüssige Rüge der Anwendung einer falschen Beweisregel ein Verfahrensfehler sein (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Dezember 2005 V B 222/04, BFH/NV 2006, 774). Das FG hat jedoch bezüglich der Frage, ob der Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin einen ihm zur Verfügung stehenden PKW der Klägerin auch privat genutzt hat, zulässigerweise auf den Beweis des ersten Anscheins zurückgegriffen. Wegen der herausragenden Position eines Gesellschafters und Geschäftsführers und der Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf betriebliche PKW ist nach den Regeln des Anscheinsbeweises auch von seiner privaten Nutzung auszugehen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. August 2006 VI B 152/05, BFH/NV 2006, 2281, m.w.N.). Im Übrigen sind auch die Ausführungen, mit denen das FG eine Erschütterung des Beweises des ersten Anscheins ablehnt, nicht zu beanstanden.
b) Die Klägerin rügt zwar, das FG habe unter Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt, weil es die von der Lohnsteuer-Außenprüfung als nicht ordnungsgemäß angesehenen Fahrtenbücher nicht selbst inhaltlich überprüft habe. Dies führt jedoch ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 79). Auf die Nachprüfung einzelner Positionen der Fahrtenbücher kam es aber nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG nicht an. Denn die Klägerin hatte den vom FG ausdrücklich angeforderten Belegnachweis i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung nicht erbracht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 2281). Auf den Einwand der Klägerin, dass das Heraussuchen der Belege erheblichen Aufwand verursache, brauchte das FG nicht einzugehen, da der Belegnachweis zu den Voraussetzungen der Fahrtenbuchmethode gehört (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG).
Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das Urteil des FG nach seinem materiell-rechtlichen Standpunkt auf der unterbliebenen Anwendung mathematischer Prüfverfahren (Benford- und Chi-Quadrat-Test) beruhen kann.
c) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe seine Amtsermittlungspflicht dadurch verletzt, dass es den mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2005 angebotenen Zeugenbeweis über den nächtlichen Verbleib des Dienstwagens nicht erhoben habe, hat die Klägerin die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht wirksam gerügt.
Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; vgl. BFH-Beschluss vom 8. Mai 2003 V B 35/02, BFH/NV 2003, 1203). Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1203). Erst Recht kann sich der durch einen Rechtsanwalt vertretene Beteiligte, der in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge stellt und dies erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung nachholt, nicht auf die Verletzung der Sachaufklärungspflicht berufen. Er muss sämtliche Beweise in der mündlichen Verhandlung antreten, denn die mündliche Verhandlung ist zur abschließenden Erörterung der Sach- und Rechtslage bestimmt (§ 93 Abs. 1, § 76 Abs. 2, § 104 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 33, m.w.N.).
Im Übrigen hat die Klägerin nicht --wie für die Rüge des § 76 Abs. 1 FGO erforderlich (vgl. dazu ausführlich BFH-Beschluss vom 7. April 2003 V B 28/02, BFH/NV 2003, 1195)-- ausreichend dargelegt, warum sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne einen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen.
Zudem musste das FG den nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht im Rahmen einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO) nachgehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 1999 V B 57/98, BFH/NV 1999, 1494, und vom 24. Oktober 2006 VIII B 189/05, BFH/NV 2007, 459). Denn selbst wenn mit dem FG unterstellt wird, dass die Zeugen bekunden würden, dass sich die Fahrzeuge nachts auf dem Firmengelände befunden hätten, würde dies --wie das FG zutreffend ausführt-- ihre private Nutzung durch S und dessen Ehefrau nicht ausschließen.
2. Mit dem Vortrag, mangels geeigneter Feststellungen, Beweiserhebungen und Hinweisen des Gerichts fehle zugleich die Grundlage für ein faires Verfahren mit der Folge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Insbesondere ist nicht dargelegt, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen sich die Klägerin vor dem FG nicht äußern konnte oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte.
Fundstellen