Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionseinlegung muß unmißverständlich erfolgen
Leitsatz (NV)
Die Einlegung der Revision muß als Prozeßhandlung unmißverständlich erfolgen. Dies ist nicht der Fall, wenn in der Nichtzulassungsbeschwerde von einer ,,einzulegenden" Revision gesprochen und bestimmte Revisionsanträge lediglich angekündigt werden.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Auf das klagabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) in Sachen Einkommensteuer 1981 legte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit Schriftsatz vom 28. Mai 1984 ,,Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision" ein. Sie beantragte, ,,die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 AO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen".
Der Schriftsatz enthält unmittelbar anschließend an diesen Antrag den Satz: ,,Nach Zulassung der Revision werde ich beantragen zu erkennen: . . . (Formulierung von Revisionsanträgen) . . .". Sodann werden unter Abschn. I und Abschn. II Sachverhalt und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt. Schließlich folgt unter Abschn. III die ,,Sachliche Begründung der einzulegenden Revision". Diese enthält die Formulierung: ,,Nach Bejahung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und Zulassung der Revision wäre ihr also auch stattzugeben".
Durch Beschluß vom 29. Juli 1985 hat der Senat die Revision zugelassen. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 15. August 1985 durch Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit an den Bundesfinanzhof (BFH) gerichtetem Schreiben vom 30. Oktober 1985 erklärte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin:
,,Durch Anruf des Finanzamtes M wurde mir heute mitgeteilt, daß ich zusätzlich nach dieser Entscheidung die Revision noch einmal hätte beantragen müssen.
Mit Beschwerde vom 28. Mai 1984 habe ich gleichzeitig die Revision beantragt und auch die Anträge zur Hauptsache angekündigt und begründet.
Aus diesem Grunde habe ich eine zusätzliche Revision nicht mehr für erforderlich gehalten, da beide Vorgänge in meiner Schrift verbunden wurden.
Ich beantrage daher Wiedereinsetzung in den früheren Stand, da sich bei mir ein Rechtsirrtum ergab, der entschuldbar sein dürfte, wenn man meine Beschwerde, die gleichzeitig bereits die Revisionsanträge und -begründung enthielt, entsprechend würdigt.",,Auf Rückfrage des Senatsvorsitzenden antwortete der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 17. Januar 1986 wie folgt:
,,Mit Schreiben vom 28. Mai 1984 habe ich beim Niedersächsischen Finanzgericht erst einmal die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt.
Gleichzeitig habe ich dann in der Folge der Begründung die Anträge gestellt, die dann in einer mündlichen Verhandlung nach Zulassung der Revision zu stellen gewesen wären. Es handelt sich dabei um den Antrag zur Hauptsache und 2 Hilfsanträge.
Es ist meine feste Absicht gewesen, dem Gericht darzustellen, daß mit dem Antrag auf Zulassung der Revision auch gleichzeitig die Anträge für die von mir mit diesem Schreiben beabsichtigte Revisionseinlegung zum Ausdruck gebracht werden sollten.
Somit war mit dieser ausführlichen Schrift der Beginn des anschließend folgenden Revisionsverfahrens beabsichtigt. Da es sich in dieser Hinsicht um mein erstes Revisionsverfahren handelte, bitte ich, die Revisionseinlegung dem Schreiben zu entnehmen oder zu genehmigen, daß ich diese Handlung mit diesem Schreiben nachhole.
Der Senat sollte und soll über meinen Antrag zur Hauptsache und hilfsweise über meine beiden Zusatzanträge entscheiden."
Entscheidungsgründe
Das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 30. Oktober 1985 in Verbindung mit der Klarstellung vom 17. Januar 1986 ist als Revision zu werten. Die Klägerin hat in diesen Schreiben eindeutig bekundet, daß sie eine Entscheidung über ihre (seinerzeit angekündigten) Anträge, die auf Aufhebung des FG-Urteils gerichtet waren, begehrt.
Die Revision ist unzulässig. Denn sie wurde verspätet eingelegt (§§ 120, 124 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) liegen nicht vor.
Die Revision ist bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Hieran mangelt es im vorliegenden Falle. Die Revisionsfrist ist am Montag, dem 16. September 1985, verstrichen, ohne daß bis zum Ende dieses Tages eine Revisonsschrift beim FG eingegangen ist. Der Schriftsatz vom 28. Mai 1984 des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, mit welchem die Zulassung der Revision begehrt wurde, enthält nicht gleichzeitig die Einlegung der Revision.
Die Einlegung der Revision muß als Prozeßhandlung unmißverständlich und unbedingt erfolgen. Hieran fehlt es. Aus der mehrfachen Verwendung der sprachlichen Zukunftsform, insbesondere aus der Wendung ,,einzulegende" Revision, ergibt sich, daß die Klägerin die Revision noch nicht einlegen, sondern nur eine in Aussicht gestellte Revision ihrem Umfang nach skizzieren wollte. Allenfalls könnte angenommen werden, daß die Revision nur für den Fall ihrer Zulassung eingelegt werden sollte. Als solche bedingte prozessuale Rechtshandlung wäre sie indes unzulässig (vgl. Beschluß des Senats vom 10. Oktober 1973 VIII R 219/72, BFHE 110, 393, BStBl II 1974, 34; Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1960 III C 95.59, Deutsches Verwaltungsblatt 1960, 780).
Es mag auf sich beruhen, ob angesichts des nur auf einem Rechtsirrtum des Prozeßbevollmächtigten beruhenden Ausbleibens der Revisionsschrift eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO vom Grundsatz her überhaupt in Betracht kommen
kann. Denn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könnte auch beim Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen schon deshalb nicht gewährt werden, weil die versäumte Rechtshandlung (Revisionseinlegung) nicht binnen zweier Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wurde (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Ein vom Prozeßbevollmächtigten offenbar gewollter Rückgriff auf die im Schriftsatz vom 28. Mai 1984 dargestellten Revisionsanträge kann die Nachholung der Prozeßhandlung nicht ersetzen. Dabei kann offenbleiben, ob sich dies schon daraus ergibt, daß der Schriftsatz vom 28. Mai 1984 keine unbedingt gestellten Revisionsanträge enthält (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 1985 VIII ZB 4+5/85, Versicherungsrecht 1985, 1184). Denn jedenfalls wurde eine solche Bezugnahme auf diese Anträge erst mit Schriftsatz vom 17. Januar 1986, mithin rund zwei Monate nach dem Zeitpunkt eindeutig gestellt, zu welchem der Prozeßbevollmächtigte von dem Erfordernis einer Revisionseinlegung positiv Kenntnis erlangt hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 414658 |
BFH/NV 1987, 41 |