Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Aussetzung des Verfahrens bei Parallelverfahren
Leitsatz (NV)
Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO durch das Finanzgericht kommt nicht schon dann in Betracht, wenn beim Bundesfinanzhof ein Parallelverfahren anhängig ist, in dem über dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden ist.
Normenkette
FGO § 74
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben mit der Klage die Festsetzung eines Verspätungszuschlags von 200 DM mit der Begründung angefochten, die Festsetzung sei zu Unrecht in einem zusammengefaßten Einkommensteuerbescheid für beide Eheleute vorgenommen worden. Im übrigen sei sie auch deshalb nicht rechtmäßig, weil die abgegebene Steuererklärung zu einer Steuererstattung geführt habe.
Unter Berufung auf beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Revisionsverfahren in gleichgelagerten Fällen beantragten die Kläger beim Finanzgericht (FG), das Verfahren auszusetzen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) widersprach dem Antrag.
Das FG lehnte den Antrag ab. Es führte aus, die Entscheidung des BFH in anderen Fällen sei für das anhängige Klageverfahren nicht vorgreiflich i.S. des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es handele sich vielmehr um Rechtsfragen, die das FG selbst zu entscheiden habe, ohne an Entscheidungen des BFH gebunden zu sein. Auch eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens komme nicht in Betracht, weil das FA nicht zugestimmt habe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, die diese nicht weiter begründet haben.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig (§ 128 Abs. 2 FGO). Sie ist jedoch unbegründet.
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß eine Aussetzung des Verfahrens nur in den in § 74 FGO genannten Fällen in Betracht kommt. Voraussetzung für eine Aussetzung gemäß § 74 FGO ist, daß die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Danach braucht die Entscheidung des anderen Gerichts für das Rechtsverhältnis zwar nicht bindend zu sein, sie muß aber in bestimmter Weise vorgreiflich sein (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 74 FGO Tz. 2). Das bedeutet, daß die Entscheidung in dem anhängigen Verfahren dasselbe Rechtsverhältnis betreffen und kraft Gesetzes oder rechtslogisch vom Bestehen oder Nichtbestehen des in dem anderen Verfahren anhängigen Rechtsverhältnisses abhängen muß (BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1977 III B 8/77, Der Steuerberater - StB - 1979, 38). Dasselbe Rechtsverhältnis ist nicht schon dann betroffen, wenn - wie hier - ein Parallelverfahren anhängig ist, in dem dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden ist. Denn weder die Gefahr, daß divergierende Entscheidungen ergehen können, noch der Gesichtspunkt der Prozeßökonomie rechtfertigen die Aussetzung des Verfahrens (Beschluß in StB 1979, 38).
Auch das Ruhen des Verfahrens kann nicht angeordnet werden (§ 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozeßordnung). Denn wie das FG auch insoweit zutreffend ausgeführt hat, kommt eine solche Anordnung schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beteiligte
n dies nicht übereinstimmend beantragt haben, sondern das FA eine Fortsetzung des Verfahrens wünscht.
Fundstellen
Haufe-Index 414723 |
BFH/NV 1987, 43 |