Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes
Leitsatz (NV)
Der Solidaritätszuschlag ist auch für einen am 2. Januar 1991 realisierten Geschäftsvorfall (Veräußerung von Kommanditanteilen) zu entrichten; die tatbestandliche Rückanknüpfung verstößt nicht gegen das Gebot der Rechtssicherheit.
Normenkette
SolZG § 3
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erzielte aus der am 2. Januar 1991 vorgenommenen Übertragung von Kommanditanteilen einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 1744323 DM. Aufgrund dieser Veräußerung setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) für ds III. und IV.Quartal 1991 die Vorauszahlungen neu fest. Der Einspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid hatte teilweise Erfolg; das FA minderte die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag auf je 18752 DM (= 7,5 v.H. der zu leistenden Einkommensteuer-Vorauszahlungen von 500062 DM). Der Klage gab das Finanzgericht (FG) insoweit statt, als es die Vorauszahlungen auf 3,75 v.H. der zu leistenden Einkommensteuer-Vorauszahlungen herabsetzte. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragstellerin wies das FG hingegen zurück.
In entsprechendem Umfang entsprach das FG dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Zur Begründung nahm das FG auf die Urteilsgründe der Klagesache Bezug und führte im wesentlichen aus: Nach § 3 des am 24. Juni 1991 verkündeten Solidaritätszuschlagsgesetzes (SolZG) seien die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 insgesamt als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Das Gesetz knüpfe damit zwar auch an Sachverhalte an, die bereits vor seiner Verkündung eingetreten seien. Da diese Vorgänge jedoch im selben Veranlagungszeitraum wie die Verkündung des Gesetzes lägen, stelle die Gestaltung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) lediglich eine zulässige tatbestandliche Rückanknüpfung dar, die im Interesse des Gemeinwohls auch unter Berücksichtung des Vertrauens des Steuerpflichtigen auf den Fortbestand der bisher
igen Regelungen gerechtfertigt sei.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde rügt die Antragstellerin die Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 1 Nr.1 SolZG: Der Solidaritätszuschlag sei eine Ergänzungsabgabe. Insoweit, als vor Inkrafttreten des Gesetzes erzielte Einnahmen in die Bemessung einbezogen werden, liege eine echte Rückwirkung vor. Diese sei wegen Verstoßes gegen Art.20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig, da die Antragstellerin weder mit einer solchen Neuregelung habe rechnen müssen noch zwingende Gründe des gemeinen Wohls die Rückwirkung rechtfertigten.
Sehe man den Solidaritätszuschlag als Steuererhöhung an, sei ebenfalls ein Fall der echten Rückwirkung gegeben.
Selbst wenn nur ein Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung vorliege, hätten die Erklärungen der Bundesregierung und der Politiker einen positiven Vertrauenstatbestand bei der Antragstellerin begründet, auf dessen Grundlage sie die Anteilsübertragung bis zum 2. Januar 1991 hinausgeschoben habe. Das schutzwürdige Vertrauen der Antragstellerin stehe einer Rückwirkung entgegen.
Der vom FG Baden-Württemberg entschiedene Fall (Urteil vom 19. September 19918 K 195/81, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1992, 93) unterscheide sich vom Streitfall dadurch, daß die Veräußerung auf Wunsch des Erwerbers erst am 2. Januar 1991 vorgenommen worden sei, zu einer Zeit, als die Regierung die Möglichkeit einer Steuererhöhung noch kategorisch verneint habe. Demgegenüber habe es sich in dem Fall des FG Baden-Württemberg um eine erst Mitte Mai 1991 erklärte Betriebsaufgabe gehandelt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verletzt § 3 Abs. 1 Nr.1 SolZG auch insoweit nicht Art.20 Abs. 3 GG, als bei der Bemessung des Solidaritätszuschlags auf den vor Inkrafttreten des Gesetzes liegenden Zeitraum des Veranlagungszeitraums 1991 zurückgegriffen wird.
1. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1992 IV R 9/92 (BFHE 167, 551, BStBl II1992, 702), auf das der Senat Bezug nimmt, bedeutet die Einbeziehung der vor Inkrafttreten des Gesetzes (28. Juni 1991) verwirklichten Sachverhalte eine unechte Rückwirkung bzw.eine tatbestandliche Rückanknüpfung, da der Solidaritätszuschlag 1991 erst mit Ablauf des Jahres 1991 entstanden ist. Diese Form der Rückwirkung ist im Gegensatz zu der sog. echten Rückwirkung bzw.der Rückbewirkung von Rechtsfolgen grundsätzlich zulässig (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 2. September 1992 XI R 31/91, BStBl II1993, 151).
2. Aus dem Gebot der Rechtssicherheit und des daraus folgenden Vertrauensschutzes ergeben sich aber auch sachliche Grenzen für solche Gesetze, deren Tatbestand an vor Inkrafttreten des Gesetzes liegende Umstände anknüpft. Angesichts der Erfordernisse der öffentlichen Finanzwirtschaft kann der Bürger nicht darauf vertrauen, daß der zu Beginn eines Veranlagungszeitraums geltende Tarif bis zu dessen Ende unverändert bleibt. Wohl aber muß er darauf vertrauen können, daß sich eine Erhöhung der Belastung während des Veranlagungszeitraums in maßvollen Grenzen hält (BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvR 1/60, BVerfGE 13, 274, BStBl I 1962, 489; BFH in BFHE 167, 551, BStBl II 1992, 702). Eine Erhöhung um 10 v.H. hat das BVerfG noch als angemessen angesehen. Die Belastung durch das SolZG liegt deutlich unter diesem Satz; auf das Jahr umgerechnet beträgt sie 3,75 v.H. der festgesetzten Einkommensteuer. Da aus diesem Grunde der Vertrauensschutz der Antragstellerin hinter dem Anliegen des Gesetzes zurückzutreten hat, ist es unerheblich, ob die Antragstellerin bei Übertragung der Anteile noch nicht mit der Einführung des SolZG zu rechnen brauchte.
Fundstellen
Haufe-Index 418934 |
BFH/NV 1993, 363 |