Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des zuständigen Gerichts durch BFH
Leitsatz (NV)
1. Der in § 62a Abs. 1 Satz 1 FGO normierte umfassende Vertretungszwang ist auch bei einem Antrag nach § 39 FGO zu beachten.
2. § 39 FGO dient nicht der isolierten Entscheidung des Streits, ob das jeweils örtlich zuständige Finanzamt tätig geworden ist, sondern soll einen lückenlosen Rechtsschutz gewährleisten.
Normenkette
FGO § 39 Abs. 1 Nr. 4, § 62a Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I. Der nicht vertretene Kläger und Antragsteller (Antragsteller) begehrt die Bestimmung des zuständigen Finanzgerichts (FG) durch den Bundesfinanzhof (BFH).
Der Antragsteller hatte am 11. Mai 2005 vor dem FG X Untätigkeitsklage wegen Einkommensteuer den Veranlagungszeitraum 2000 betreffend erhoben. Er wandte sich mit der unter dem Aktenzeichen … anhängig gewordenen Klage gegen den ihm gegenüber ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 28. März 2003 mit der Begründung, am 15. April 2003 Einspruch eingelegt und zuletzt am 22. Dezember 2004 eine Einspruchsentscheidung angemahnt zu haben, ohne dass der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt --FA-- A) bis zum 10. Mai 2005 tätig geworden sei.
Das FA A erwiderte, dass es --veranlasst durch den Wohnsitzwechsel des Klägers-- die Aktenabgabe an das FA B eingeleitet und die Akten am 9. März 2005 an das FA B übersandt habe.
Das FA B änderte mit Bescheid vom 29. Juni 2005 den im Klageverfahren streitigen Einkommensteuerbescheid nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO).
Der Antragsteller nahm hierzu mit dem am 13. Februar 2006 beim FG X eingegangenen Schriftsatz vom 12. Februar 2006 Stellung und beantragte zugleich festzustellen, dass das FA A für die Einkommensteuerangelegenheiten des Antragstellers zuständig sei.
Das FG X stellte darauf mit Beschluss vom … im Verfahren wegen Einkommensteuer 2000 fest, dass es örtlich unzuständig geworden sei und verwies den Rechtsstreit an das FG Y. Zur Begründung führte es aus, dass nach § 38 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das FG örtlich zuständig sei, in dessen Bezirk die Behörde, gegen welche die Klage gerichtet sei, ihren Sitz habe. Wo der Kläger tatsächlich seinen Wohnsitz habe, sei unerheblich. Werde ein Änderungsbescheid von einem anderen FA erlassen als der ursprüngliche Bescheid und werde der Änderungsbescheid nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens, richte sich die Klage dann gegen das FA, das den Änderungsbescheid erlassen habe (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 9. November 2004 V S 21/04, BStBl II 2005, 101 f.). Das FA B habe am … einen Änderungsbescheid erlassen. Daher richte sich die Klage nunmehr gegen das FA B. Unerheblich sei dabei, ob sich das FA B zutreffend für örtlich zuständig gehalten habe. Auch wenn der Bescheid formell rechtswidrig sein sollte, käme ihm die bezeichnete Wirkung zu. Nach Anhörung der Beteiligten werde der Rechtsstreit gemäß § 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17a des Gerichtsverfassungsgesetzes an das für den Bezirk des FA B zuständige FG Y verwiesen.
Das FG Y trennte in dem bei ihm unter dem Aktenzeichen … anhängig gewordenen Klageverfahren des Antragstellers das Verfahren wegen Feststellung der Zuständigkeit des FA A mit Beschluss vom … ab und führte es unter dem Aktenzeichen … fort.
Mit Beschluss vom … erklärte es sich wegen Feststellung der Zuständigkeit des FA A für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das FG X, weil für den gegen das FA A gerichteten Feststellungsantrag das FG Y örtlich unzuständig sei. Der Verweisung stehe auch der Beschluss des FG X vom … nicht entgegen. Denn der bindende Verweisungsbeschluss betreffe nur den Rechtsstreit wegen Einkommensteuer, nicht aber den Feststellungsantrag des Klägers. Über diesen habe das FG X nicht entschieden.
In dem unter dem Aktenzeichen … fortgeführten Klageverfahren wegen Einkommensteuer 2000 wies das FG Y die Klage mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2006 verkündeten Urteil ab.
Mit am 6. September 2006 beim BFH eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage beantragte der Antragsteller unter Bezugnahme auf § 39 Abs. 2 FGO die Bestimmung des zuständigen FG durch den BFH. Die Zuständigkeit des FA B sei rechtswidrig manipuliert. Diese habe auch unzulässigerweise Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Gerichts. Die Zuständigkeit solle offenbar einer rechtlichen Prüfung entzogen werden. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes sehe jedoch eine lückenlose Überprüfung des Verwaltungshandelns vor. Der Grundsatz der perpetuatio fori sei verletzt. Für die Untätigkeitsklage gegen das FA A sei die Zuständigkeit des FG X eingetreten und bleibe bis zur abschließenden gerichtlichen Entscheidung bestehen. Nach dem Beschluss des BFH vom 25. Januar 2005 I R 87/04 (BFHE 209, 9, BStBl II 2005, 575) lasse ein Wechsel des Beklagten die örtliche Zuständigkeit des FG unberührt, wenn der neue Beklagte zwar nicht seinen Sitz im Bereich des FG habe, Streitgegenstand jedoch weiterhin die Rechtmäßigkeit des ursprünglich klagebefangenen Verwaltungsaktes sei. Daher müsse die Zuständigkeit beim FG X verbleiben.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist als unzulässig zu verwerfen, da er ohne Beachtung des vor dem BFH bestehenden Vertretungszwangs gestellt worden ist.
1. § 62a Abs. 1 Satz 1 FGO normiert einen umfassenden Vertretungszwang. Dieser ist --anders noch die Rechtslage zu Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des BFH-- auch bei einem Antrag nach § 39 FGO zu beachten (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2006 VII S 30/06, BFH/NV 2007, 96, m.w.N.). Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Der Vertretungszwang entfällt nur dann, wenn die betreffende Prozesshandlung vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts vorgenommen werden kann. Das ist beim Antrag nach § 39 Abs. 2 FGO nicht der Fall. Da der Antragsteller nicht durch eine der in § 62a FGO genannten Personen vertreten ist, ist sein Antrag unzulässig.
2. Unabhängig von der Frage des Vertretungsmangels wäre der Antrag aber jedenfalls auch deshalb zurückzuweisen, weil der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anrufung nach § 39 Abs. 2 FGO nicht schlüssig dargelegt hat.
a) Nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO wird das zuständige FG durch den BFH bestimmt, wenn verschiedene Finanzgerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Solche rechtskräftigen, einen negativen Kompetenzkonflikt begründenden Entscheidungen werden vom Antragsteller aber nicht dargelegt und sind aus den Akten auch nicht ersichtlich.
Denn im Hinblick auf die zunächst streitige Frage der Rechtmäßigkeit des gegen den Antragsteller ergangenen Einkommensteuerbescheids 2000 hat sich zwar das FG X für örtlich unzuständig erklärt. Das FG Y hat aber das Verfahren fortgeführt und mittlerweile auch in der Sache entschieden.
Auch im Hinblick auf den Antrag auf Feststellung der Zuständigkeit des FA A fehlt es an Entscheidungen, die einen Kompetenzkonflikt begründen. Denn insoweit hat sich zwar das FG Y für örtlich unzuständig erklärt. Aber eine Entscheidung eines weiteren FG mit dem Inhalt, dass es insoweit örtlich unzuständig sei, fehlt dazu ebenfalls. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das FG X rechtskräftig entschieden hat, für den Feststellungsantrag des Klägers örtlich unzuständig zu sein. Solches hat der Antragsteller auch nicht behauptet.
b) Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist im Kern auf die Feststellung gerichtet, dass nicht das FA B, sondern weiterhin das FA A für seine Veranlagung zur Einkommensteuer zuständig sei. Die Entscheidung der Streitfrage, ob das örtlich zuständige FA tätig geworden war, ist indessen nicht das Rechtsschutzziel und der Regelungsgehalt des § 39 FGO. Denn diese Vorschrift dient der Wahrung eines lückenlosen Rechtsschutzes, indem sie gewährleistet, dass jedenfalls ein Gericht für die Kontrolle des in die Rechtssphäre eines Steuerpflichtigen eingreifenden Verwaltungshandelns zuständig ist. Ein lückenhafter Rechtsschutz in diesem Sinne droht aber nicht, wenn ein FG den Rechtsstreit entscheidet, das nach Auffassung eines Beteiligten unzuständig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1718312 |
BFH/NV 2007, 1162 |