Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung und des Übergehens eines Beweisantrags; Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten
Leitsatz (NV)
- Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Aufklärungspflicht nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt läßt, insbesondere wenn es bei der Überzeugungsbildung eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt läßt bzw. vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgeht (sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten).
- Anforderungen an die Rüge des Übergehens eines entscheidungserheblichen Beweisantrags.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 255
Gründe
1. Mit Einwendungen gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils und gegen die Beweiswürdigung des Finanzgerichts (FG) kann der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehört werden, weil derartige Angriffe revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschlüsse vom 6. November 1997 X B 46/97, BFH/NV 1998, 602; vom 24. April 1998 X B 155/97, BFH/NV 1998, 1331). Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt läßt (Senatsbeschluß in BFH/NV 1998, 602, unter 3.), insbesondere wenn es bei seiner Überzeugungsbildung eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt läßt bzw. bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgeht (sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten). Kein Verfahrensfehler ist dagegen die fehlerhafte Würdigung des Beteiligtenvorbringens oder eines erhobenen Beweises durch das FG, es sei denn, es hätte falsche Beweisregeln angewendet (Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246).
Der Kläger hat keine feststehenden Tatsachen benannt, die das FG übergangen hätte. Ausweislich des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen B hat dieser nicht bekundet, Preisvorstellungen von über 1 Mio. DM hätten "überhaupt nicht zur Diskussion gestanden." Der Zeuge hat vielmehr erklärt, er selbst sei immer nur von einem Kaufpreis von 600 000 DM ausgegangen. Die nach Berücksichtigung weiterer Sachverhaltsdetails getroffene Würdigung des FG, diese Annahme des Zeugen beruhe auf einem Mißverständnis oder fehlender Erinnerung, ist ein mögliches Ergebnis der Beweiswürdigung und als solches nicht verfahrensfehlerhaft.
Aus dem vorstehend genannten Grund kann der Kläger auch nicht mit der ―im übrigen unsubstantiierten― Einwendung gegen die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des FG und dessen Beweiswürdigung mit seiner Rüge gehört werden, aus den "vorgelegten Bauunterlagen, Plänen usw." sei ersichtlich gewesen, daß es sich bei den Erschließungsmaßnahmen um sofort abziehbaren Modernisierungsaufwand gehandelt habe.
2. Das Übergehen eines ―entscheidungserheblichen― Beweisantrages kann einen Verfahrensmangel darstellen. Auch für eine hierauf gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist erforderlich, daß der Verfahrensmangel bezeichnet wird (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Kläger muß u.a. darlegen, welches Sachvorbringen unberücksichtigt geblieben sein soll und inwiefern die Berücksichtigung möglicherweise zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (z.B. BFH-Beschluß vom 13. November 1996 II B 36/96, BFH/NV 1997, 493, 494), ferner was das Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489) und weshalb die Vorentscheidung auf dem Fehlen dieses Beweisergebnisses beruhen könne (BFH-Urteil vom 14. Januar 1981 I R 133/79, BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443; s. im einzelnen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 120 Rdnr. 40). Wird ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, daß der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; BFH-Beschluß vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397). Entsprechende Ausführungen fehlen im Beschwerdeschriftsatz. Der Kläger macht lediglich geltend, das FG habe "verschiedene sachverständige Zeugen", die im Schriftsatz vom 27. März 1998 benannt worden seien, nicht vernommen. Auch läßt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 1998 nicht entnehmen, daß der Kläger die unterlassene Zeugeneinvernahme gerügt hätte. Wann der Kläger einen "Gegenbeweis" zum Weiterverkauf an die X-AG angetreten hätte, wird nicht im einzelnen dargelegt.
3. Die Rüge, das FG habe von Amts wegen Zeugen vernehmen bzw. Gutachter befragen müssen, ist nicht zulässig erhoben. Wird wie vorliegend die mangelnde Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gerügt, muß der Beschwerdeführer darlegen, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat und warum der Beschwerdeführer, sofern er durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Antrag gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem FG ―ohne besonderen Antrag― hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37, und in BFH/NV 1998, 602, 603, unter 4.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht.
4. Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 171031 |
BFH/NV 1999, 1236 |