Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Jahresgrenzbetrages als Freigrenze
Leitsatz (NV)
Die Ausgestaltung des Grenzbetrages als Freigrenze ‐ sog. Fallbeilwirkung ‐ ist verfassungsgemäß. Da dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, kann sie die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 03.01.2008; Aktenzeichen 9 K 995/07) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung des überzahlten Kindergeldes gerichtete Klage als unbegründet ab, weil die Einkünfte und Bezüge der 1985 geborenen Tochter der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Streitjahr 2006 den Jahresgrenzbetrag von 7 680 € um 270 € überschritten hätten.
Mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde trägt die Klägerin vor, es sei grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ob der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Streitjahr das Existenzminimum hinreichend berücksichtige und ob die sog. Fallbeilwirkung der Sicherstellung des Existenzminimums widerspreche. Das FG-Urteil beruhe auch auf einem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), da das FG unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 FGO) keine Feststellungen zur Höhe des Existenzminimums im Streitjahr getroffen habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Soweit die Klägerin die Höhe des Jahresgrenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungsrechtlich in Zweifel zieht, genügt ihr Vortrag nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
b) Die Ausgestaltung des Grenzbetrages als Freigrenze ist nach der Rechtsprechung des VI. und des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (z.B. Urteile vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566; vom 25. Mai 2004 VIII R 66/99, BFH/NV 2005, 24, und vom 13. Juli 2004 VIII R 20/02, BFH/NV 2005, 36, jeweils m.w.N.). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und in mehreren Verfahren die Zulassung der Revision mangels grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache abgelehnt (s. Beschluss vom 10. August 2007 III B 96/06, BFH/NV 2007, 2274, m.w.N.). Zur Begründung im Einzelnen nimmt der Senat auf das BFH-Urteil in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566 Bezug. Der Senat hat diese Rechtsprechung inzwischen erneut in seinem Beschluss nach § 126a FGO vom 29. Mai 2008 III R 54/06 (BFH/NV 2008, 1821) bestätigt; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. April 2009 2 BvR 1874/08, nicht veröffentlicht).
2. Dem FG ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, indem es von eigenen Ermittlungen über die Höhe des Existenzminimums von Kindern im Jahr 2006 absah. Denn die Sachaufklärungspflicht bestimmt sich nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG, das die Ausgestaltung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aber für verfassungsrechtlich unbedenklich hielt.
Fundstellen