Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO
Leitsatz (NV)
Ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt nicht vor, wenn das Gericht die gesetzlichen Vorschriften beachtet hat, der Beteiligte an der mündlichen Verhandlung aber aus einem in seiner Person liegenden - wenn auch unverschuldeten - Grund (hier: Verkehrsunfall) nicht teilnehmen konnte (Anschluß an BFH-Beschluß in BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447).
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 17. Februar 1993 ab; die Revision ließ es nicht zu.
Mit der (zulassungsfreien) Revision rügen die Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Verletzung des § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie tragen im wesentlichen vor, sie seien im FG-Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten gewesen. Ihr Prozeßbevollmächtigter sei zwar ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 17. Februar 1993 geladen worden, zu diesem Termin aber nicht erschienen, weil er in einen Verkehrsunfall verwickelt worden sei. Es habe für den Prozeßbevollmächtigten keine Möglichkeit bestanden, das Gericht fernmündlich über sein Nichterscheinen zu unterrichten. Das FG habe durch die mündliche Verhandlung der Streitsache in Abwesenheit des Prozeßbevollmächtigten auch ihr - der Kläger - Recht auf Gehör verletzt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht statthaft. Die Kläger haben keine Tatsachen vorgetragen, die schlüssig einen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO ergeben.
1. a) Nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt ein solcher Mangel voraus, daß der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, weil das Gericht bei der Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch den Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Januar 1988 IV R 14/86, BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447, und BFH-Urteil vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 949). Demgemäß liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht vor, wenn das Gericht die gesetzlichen Vorschriften beachtet hat, der Beteiligte an der mündlichen Verhandlung aber aus einem in seiner Person liegenden - wenn auch unverschuldeten - Grund nicht teilnehmen konnte (vgl. auch den der Entscheidung in BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447 zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem der dortige Kläger den Verhandlungstermin wegen infolge eines entgleisten Diabetes eingetretener Bewußtlosigkeit nicht wahrnehmen konnte).
b) Die Kläger vermochten nicht vorzutragen, daß das FG bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen habe. Sie haben vielmehr selbst zutreffend eingeräumt, daß ihr Prozeßbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen worden sei. Die unter Einhaltung der Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 FGO verfügte Ladung, in der der nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebene Hinweis enthalten war, ist dem Klägervertreter durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden.
Das FG hat somit in der Sitzung vom 17. Februar 1993 zu Recht die ordnungsgemäße Ladung des Klägervertreters festgestellt und im Anschluß hieran trotz seiner Abwesenheit verhandelt und entschieden. Unter den gegebenen Umständen war das Gericht nicht gehalten - entsprechend der möglichen Annahme der Kläger -, fernmündlich in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten nachzufragen, ob und ggf. warum dieser nicht zum Termin erscheint.
c) Ob die von den Klägern erhobene - weitere - Rüge durchgriffe, das FG habe ihr Recht auf Gehör verletzt (vgl. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO), braucht der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Denn die Verletzung des Rechts auf Gehör stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO dar und kann deshalb nicht mit der zulassungsfreien Revision, sondern nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden. Die von den Klägern neben der (zulassungsfreien) Revision erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluß vom heutigen Tage II B 89/93 ebenfalls als unzulässig verworfen.
Fundstellen
Haufe-Index 419476 |
BFH/NV 1994, 486 |