Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung, Divergenz und Verfahrensmängel
Leitsatz (NV)
1. Der Frage der Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Steuerrecht und dessen Voraussetzungen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
2. Eine auf Divergenz gestützte Beschwerde ist unbegründet, wenn eine Abweichung bezüglich einer Rechtsfrage geltend gemacht wird, die im angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist.
3. Die Auslegung einer Prozeßvollmacht durch das Finanzgericht als Tatsacheninstanz ist vom Revisionsgericht nur beschränkt auf fehlerhafte Rechtsanwendung nachprüfbar.
Normenkette
FGO §§ 62, 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3; RAO § 146a Abs. 3; ZPO § 83 Abs. 2, §§ 86, 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1
Gründe
1. Unbeschadet einer möglichen Divergenz zu den von den Beschwerdeführern im einzelnen bezeichneten Entscheidungen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. April 1987 III R 202/83, BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165; vom 15. Dezember 1989 VI R 151/86, BFHE 159, 296, BStBl II 1990, 526, und vom 18. Juli 1991 V R 54/87, BFHE 165, 13, BStBl II 1991, 824) wirft die Beschwerde keine in einem künftigen Revisionsverfahren insoweit klärungsfähige Rechtsfrage auf (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rz. 67a).
Das Finanzgericht (FG) hat zwar eine Ablaufhemmung gemäß § 146a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) hinsichtlich der Einkommensteuer 1971 bereits aus der Betriebsprüfung bei der steuerrechtlich nicht anerkannten KG abgeleitet. Eine Ablaufhemmung war aber jedenfalls aufgrund der gegen den Beschwerdeführer zu 1 noch vor Ablauf der Verjährungsfrist (Ende 1979) angeordneten und tatsächlich durchgeführten Außenprüfung eingetreten. Sowohl die Prüfungsanordnung des Finanzamts (FA) ... u.a. bezüglich der Einkommensteuer 1971 als auch der Betriebsprüfungsbericht vom 15. Januar 1980 sind als Bestandteil der finanzgerichtlichen Akten Entscheidungsgrundlage.
2. Den Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
a) Die Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Steuerrecht und dessen Voraussetzungen sind in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geklärt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; ferner Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 4 AO 1977 Tz. 57ff., m.w.N.).
Seine Anwendung hängt von der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Streitfall ab (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990, 991; BFH-Beschluß vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196).
Darüber hinaus hat das FG nicht nur einen Vertrauenstatbestand verneint. Es fehlt auch an der erforderlichen Vertrauensfolge (BFH-Urteile vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BFHE 164, 168, BStBl II 1991, 673, 674, und vom 10. April 1991 XI R 25/89, BFH/NV 1991, 729, m.w.N.).
b) Die Rechtsfrage der Erstreckung eines Verwertungsverbotes für die bei der GmbH aufgrund einer nichtigen Prüfungsanordnung getroffenen Feststellungen auch zugunsten der Gesellschafter stellt sich im Streitfall nicht.
Dem für die Veranlagung des Anteilseigners (Beschwerdeführer) zuständigen FA oblag die eigenständige Ermittlung und Entscheidung über Grund und Höhe einer verdeckten Gewinnausschüttung (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569). Diese eigenständigen Ermittlungen sind im Rahmen der beim Beschwerdeführer durchgeführten Betriebsprüfung auch erfolgt.
3. Die Verfahrensrügen sind unzulässig.
a) Für den nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geltend gemachten Mangel im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde fehlt das Rechsschutzbedürfnis (BFH-Beschluß vom 2. September 1987 II B 103/87, BFHE 150, 445, BStBl II 1987, 785).
b) Die übrigen Rügen sind nicht schlüssig erhoben (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO; BFH-Beschluß vom 31. August 1989 X R 138/88, BFH/NV 1991, 167).
Bei der Prüfung eines Verfahrensmangels ist von der sachlich-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz auszugehen (BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621), soweit nicht in bezug auf diese ebenfalls zulässige und begründete Rügen erhoben worden sind.
Das FG ist von einer Bevollmächtigung des Klägers zu 1 durch die verstorbene Ehefrau für das gesamte Klageverfahren ausgegangen. Die Auslegung der Vollmacht durch das FG als Tatsacheninstanz ist vom Revisionsgericht nur beschränkt darauf nachprüfbar, ob sie Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze enthält oder ob sonstige gesetzliche Auslegungsregeln verletzt worden sind (BFH-Urteil vom 17. Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802). Die Würdigung der Schreiben der verstorbenen Ehefrau vom 10. Oktober 1988 und vom 19. November 1988 an das FG in Verbindung mit dem Auftreten des Klägers zu 1 im Namen seiner Ehefrau als umfassende Bevollmächtigung und nicht lediglich als Genehmigung einzelner Prozeßhandlungen (vgl. § 83 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO - i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschluß vom 27. Juli 1983 II B 68/82, BFHE 138, 529, BStBl II 1983, 644) ist zumindest möglich.
Da auch im Steuerprozeß die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinauswirkt (§ 86 ZPO i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1977 I R 60-68/73, BFHE 121, 381, BStBl II 1977, 428, und vom 26. Oktober 1970 IV 101/65, BFHE 100, 433, BStBl II 1971, 105 sogar bei fehlendem Nachweis der Vollmacht), war das Klageverfahren weder nach § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen (vgl. dazu § 246 Abs. 1 ZPO) noch war das FG gehindert, ein Vollendurteil zu erlassen.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 419480 |
BFH/NV 1994, 387 |