Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachaufklärungspflicht; Rügerecht
Leitsatz (NV)
1. Bei einer Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehören zu einem schlüssigen Sachvortrag u.a. Ausführungen dazu, welche Tatsachen das FG hätte aufklären oder welche Beweise es hätte erheben müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
2. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen. Die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen binden den BFH als Revisionsgericht schon dann, wenn sie nur möglich, d.h. vertretbar sind; sie müssen nicht zwingend sein.
3. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 FGO. Das Rügerecht geht dabei bereits durch das Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge vor dem FG verloren.
4. Fehler der Finanzverwaltung sind keine Verfahrensmängel i.S.d. Revisionsrechts.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 01.12.2006; Aktenzeichen 12 K 5257/03 E,V) |
Gründe
Der Senat kann offenlassen, ob die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in jeder Hinsicht entspricht, denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.
1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils erheben, wird damit kein Zulassungsgrund dargelegt. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können. Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.
Eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall könnte allenfalls dann zur Zulassung der Revision führen, wenn dieser Fehler von erheblichem Gewicht und zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen oder aber, wenn die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) objektiv willkürlich ist (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 201 f., 204; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 55 und 68). Dafür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.
2. Die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, ist nicht zulässig erhoben. Denn bei einer Rüge der Verletzung der von Amts wegen gebotenen Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) gehören nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, m.w.N.; Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37, und vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236) zu einem schlüssigen Sachvortrag u.a. Ausführungen dazu, welche Tatsachen das FG hätte aufklären oder welche Beweise es hätte erheben müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
a) Substantiierter Vortrag der Kläger in diesem Sinne liegt nicht vor. Die Kläger greifen zwar eine Vielzahl von Einzelpunkten auf, mit denen sie die Feststellungen und Schlussfolgerungen des FG hinterfragen und in Zweifel ziehen. Im Ergebnis wenden sie sich aber inhaltlich gegen die umfangreiche Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Darin liegt jedoch nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern falscher materieller Rechtsanwendung, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; vom 4. August 1999 IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Denn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 I B 40/99, BFH/NV 2000, 874).
In diesem Zusammenhang verkennen die Kläger auch, dass die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) nur insoweit revisibel ist, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung, Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87, m.w.N.). Solche Verstöße sind jedoch im Streitfall nicht erkennbar. Aus revisionsrechtlicher Sicht ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG aus den ihm vorliegenden Umständen nach Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls abgeleitet hat, die Kläger hätten in den Streitjahren ausländische Kapitaleinkünfte aus Papieren bei einem Konto der X-Bank in B (Ausland) bezogen. Denn die vorinstanzlichen Schlussfolgerungen binden den BFH als Revisionsgericht schon dann, wenn sie nur möglich, d.h. vertretbar sind; sie müssen nicht zwingend sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462; BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488).
b) Im Übrigen könnte ein ordnungsgemäß dargelegter etwaiger Verfahrensmangel nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. Er beträfe eine Verfahrensvorschrift, auf deren Beachtung verzichtet wurde. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 FGO (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. März 2000 VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125). Das Rügerecht geht dabei bereits durch das Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge vor dem FG verloren (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 103, mit Nachweisen).
Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausweislich der Sitzungsniederschrift weder entsprechende Beweisanträge gestellt noch rechtzeitig eine vermeintlich mangelhafte Sachaufklärung gerügt. Dies wäre --auch wenn sie nicht rechtskundig vertreten waren-- aus ihrer Sicht aber notwendig gewesen, weil die Problematik der Zurechnung des ausländischen Kontos … der X-Bank zwischen den Beteiligten durchweg streitig war und sowohl im Erörterungstermin vom 2. März 2006 als auch in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2006 umfangreich zur Sprache gekommen ist. Deshalb kann eine etwaige Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr geltend gemacht werden (BFH-Beschlüsse vom 4. September 2002 IX B 194/01, juris; vom 28. Februar 2007 V B 107/06, BFH/NV 2007, 1170, und vom 28. Februar 2007 IX B 174/06, BFH/NV 2007, 1171).
c) Unschlüssig ist auch der Vortrag der Kläger, das FG-Urteil beruhe auf dem "Vermerk" des Vorsitzenden der Strafkammer des Landgerichts Y, die insoweit durchgeführte Akteneinsicht seitens des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) sei unzulässig und damit komme auch eine Verwertung des "Vermerks" nicht in Betracht. Eine solche unzulässige Akteneinsicht könnte allenfalls einen Verfahrensfehler der Finanzverwaltung bezeichnen, nicht aber einen solchen des FG. Fehler der Finanzverwaltung sind aber keine Verfahrensmängel im Sinne des Revisionsrechts; im Übrigen sind auch Fehler des FG bei der Auslegung der Vorschriften der Abgabenordnung (AO) und anderer das Besteuerungsverfahren regelnder Vorschriften keine Verfahrens-, sondern nur materiell-rechtliche Mängel (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 77, m.w.N.), die nicht zur Zulassung der Revision führen. Abgesehen davon verkennen die Kläger, dass das FA diesen Vermerk mit der Überreichung an das FG als Prozessstoff in das Verfahren eingeführt hat und auch die Kläger eine Abschrift des Vermerks erhalten und damit Gelegenheit bekommen haben, dazu Stellung zu nehmen. Dass die FG-Entscheidung auf dem "Vermerk" gründet, ist im Übrigen nicht erkennbar.
3. Nicht schlüssig erhoben ist auch die Rüge der Verletzung des § 119 Nr. 3 FGO. Wenn die Kläger in diesem Zusammenhang vortragen, es sei klärungsbedürftig, inwieweit durch Verweis auf § 30 AO und schützenswerte Daten Dritter der Verpflichtung eines Gerichts, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln, Grenzen gesetzt werden und damit der Anspruch auf rechtliches Gehör beschnitten werde und es sei ferner klärungsbedürftig, inwieweit solche Grenzen des § 30 AO objektiv zu bestimmen seien, machen sie im Ergebnis die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfragen geltend. Ihrer Darlegungslast genügen sie damit indes nicht. Denn grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., vgl. die Nachweise bei Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; BFH-Beschluss vom 31. Mai 2000 IV B 55/99, juris). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierzu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Vielmehr muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212, m.w.N., ständige Rechtsprechung). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht im Ansatz.
4. Die von den Klägern behauptete Divergenz zwischen der angefochtenen FG-Entscheidung und dem Senatsurteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82 (BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226) ist nicht gegeben. Der BFH hat den Rechtssatz aufgestellt, das Steuergeheimnis schließe nicht aus, dass das FG anhand der für die Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten prüft, ob gegen die Zahlen der Vergleichsbetriebe Bedenken bestehen. Einen davon abweichenden Rechtssatz hat das FG nicht aufgestellt, sondern lediglich darauf hingewiesen, bei einem vertrauensvollen Verhältnis zu den Eltern der Klägerin müsse es möglich sein, sich dort nach der Art des erbrachten Nachweises zu erkundigen und sodann einen entsprechenden Nachweis zu führen.
Eine Divergenz zwischen der angefochtenen Entscheidung und dem Urteil des FG Nürnberg vom 19. Januar 2006 VII 338/2001 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1169) ist ebenfalls nicht gegeben. Dem vom FG Nürnberg aufgestellten Rechtssatz, "Kapitalerträge seien nach der Tatsachenvermutung grundsätzlich dem Kontoinhaber zuzurechnen", hat das FG Düsseldorf in der angefochtenen Entscheidung nicht widersprochen, sondern sich lediglich mit der Frage befasst, ob die Kläger als Bevollmächtigte oder aufgrund sonstiger vertraglicher Dispositionsbefugnis über die Erträge des Kontos … verfügen konnten.
Auch eine etwaige Divergenz zwischen der angefochtenen Entscheidung und dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 20. November 2002 3 K 1659/00 (Deutsches Steuerrecht/ Entscheidungsdienst 2004, 86) haben die Kläger nicht schlüssig dargelegt. Hier scheitert es bereits daran, dass das FG Düsseldorf die von den Klägern behaupteten Rechtssätze (vgl. Bl. 35 der Beschwerdebegründung) so nicht aufgestellt hat. Das FG hat vielmehr eine umfangreiche Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorgenommen und ist in Anbetracht einer Vielzahl von Ungereimtheiten in der Darstellung der Kläger zu dem Schluss gekommen, dass ihren Angaben zu den von ihnen im Laufe der Jahre getätigten Investitionen nicht gefolgt werden könne.
Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nicht (§ 116 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz FGO).
Fundstellen