Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderung an die Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, des Vorliegens einer Divergenzentscheidung sowie der Rüge, das FG habe gegen die Sachaufklärungspflicht verstoßen
Leitsatz (NV)
1. Der Beschwerdeführer hat für die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage strittig ist, was eine Auseinandersetzung mit der zu dieser Rechtsfrage vorhandenen Rechtsprechung und Literatur erfordert.
2. Für den Zulassungsgrund, eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, ist darzulegen, dass das angefochtene FG-Urteil und die (vorgeblichen) Divergenzentscheidungen dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind.
3. Zur Darlegung des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrages wird der Vortrag verlangt, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 76 Abs. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 01.08.2007; Aktenzeichen 8 K 9010/02) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) rügt zwar, dass der Streitfall grundsätzliche Bedeutung habe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) und dem Finanzgericht (FG) Verfahrensfehler unterlaufen seien (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Ihre Beschwerdebegründung erfüllt jedoch nicht die Darlegungserfordernisse (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Klägerin führt nicht in der gebotenen Weise aus, dass die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung erfüllt sind.
a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. wenn die Beantwortung der Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23). Der Beschwerdeführer hat zu begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage strittig ist, was eine Auseinandersetzung mit der zu dieser Rechtsfrage vorhandenen Rechtsprechung und Literatur erfordert (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32).
b) Der Vortrag der Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Zwar formuliert die Klägerin die Rechtsfrage, "ob nachträgliche Erhöhungen der Anschaffungskosten bei Umlaufvermögen aufgrund einer Außenprüfung an der sog. Teilwertvermutung teilnehmen". Sie setzt sich jedoch weder mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung zur sog. Teilwertvermutung (vgl. z.B. das vom FG herangezogene BFH-Urteil vom 7. Februar 2002 IV R 87/99, BFHE 197, 550, BStBl II 2002, 294) noch mit Auffassungen im Schrifttum hierzu auseinander, so dass ihr Vortrag nicht erkennen lässt, warum die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage im allgemeinen Interesse liegen soll.
2. Auch die Ausführungen der Klägerin zum Zulassungsgrund in § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO sind nicht hinreichend und substantiiert.
a) Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist erforderlich, wenn das FG mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene FG-Urteil und die (vorgeblichen) Divergenzentscheidungen müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 48 und 53, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Diese Voraussetzungen sind darzulegen.
b) Hieran fehlt es. Die Klägerin rügt im Streitfall nicht, dass das FG auf der Grundlage eines vergleichbaren Sachverhalts einen abweichenden Rechtssatz falsch angewendet habe.
aa) Sie führt in der Beschwerdebegründung aus, es liege eine Divergenzentscheidung deshalb vor, weil das FG für den strittigen Schuldzinsenabzug die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung von unbeachtlichem Drittaufwand und eigenem Aufwand --bei einem vom Ehegatten des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten aufgenommenen Darlehen-- falsch angewendet habe. Ihre Begründung zielt darauf ab, das FG habe auf der Grundlage der Beweiswürdigung seiner rechtlichen Würdigung unzutreffend die Feststellung zugrunde gelegt, nur der Ehemann der Klägerin sei Darlehensschuldner gewesen und ein Schuldbeitritt der Klägerin im Innenverhältnis sei nicht nachweisbar. Da aber der Schuldbeitritt vorgelegen habe, seien die in der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätze zum Schuldzinsenabzug für gesamtschuldnerische Darlehensverpflichtungen von Ehegatten heranzuziehen, in denen im Innenverhältnis nur einer der Ehegatten Zins- und Tilgungsleistungen trage und der Schuldzinsenabzug gewährt werde (vgl. z.B. die BFH-Entscheidungen vom 23. August 1999 GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782; vom 4. September 2000 IX R 22/97, BFHE 193, 112, BStBl II 2001, 785, und vom 3. Dezember 2002 IX R 14/00, BFH/NV 2003, 468).
bb) Darin liegt in der Art einer Revisionsbegründung die Rüge, dass das FG den Streitfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt habe. Es wird von der Klägerin aber kein abstrakter Rechtssatz benannt, den das FG bei einem vergleichbaren Sachverhalt seiner Entscheidung zu Grunde gelegt haben und mit dem es von dem tragenden Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen sein soll. Die Beschwerdebegründung geht vielmehr überhaupt nicht auf die vom FG angewendeten Rechtsgrundsätze im BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 X R 36/02 (BFHE 210, 124, BStBl II 2005, 707) ein, sondern benennt abstrakte Rechtssätze, die möglicherweise auf der Grundlage eines anderen --nicht festgestellten-- Sachverhalts Anwendung finden könnten.
c) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO kommt auch dann in Betracht, wenn die Entscheidung des FG unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom 21. Mai 2004 III B 107/03, BFH/NV 2004, 1220; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 68 ff.). Der Beschwerdeführer muss für diesen Zulassungsgrund hinreichend darlegen, dass die Vorentscheidung an einem solchen besonders schwerwiegenden materiell-rechtlichen Fehler leidet. Dies hat die Klägerin nicht ausgeführt. Sie beschränkt sich darauf, ausgehend von einem anderen als vom FG festgestellten Sachverhalt die sachliche und rechtliche Unrichtigkeit des FG-Urteils zu rügen, ohne sich damit auseinanderzusetzen, warum die Entscheidung des FG rechtlich nicht vertretbar sein soll.
3. Die Zulassung wegen des behaupteten Verstoßes des FG gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) aufgrund des Übergehens angebotener Beweismittel wird nicht hinreichend erläutert.
a) Die Ablehnung eines Beweisantrags ist unzulässig, wenn sie auf einer Vorwegnahme der Beweiswürdigung beruht und das Gericht das Ergebnis der Beweisaufnahme ohne tatsächliche Heranziehung der Beweismittel allein unter Zugrundelegung der bisher erhobenen Beweise oder sonstiger Umstände würdigt (BFH-Urteil vom 27. September 1983 II R 178/79, BFH/NV 1986, 176). Zur Darlegung des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrags wird der Vortrag verlangt, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll (§ 295 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 FGO, BFH-Beschlüsse vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597; vom 30. Dezember 2002 XI B 58/02, BFH/NV 2003, 787; vom 1. Februar 2007 VI B 118/04, BFHE 216, 409, BStBl II 2007, 538; vom 28. Juli 2008 VIII B 189/07, nicht veröffentlicht --n.v.--). Von einem Rügeverzicht ist bereits dann auszugehen, wenn zur mündlichen Verhandlung kein Zeuge geladen worden ist und damit für den Kläger erkennbar ist, dass das FG die beantragte Zeugenvernehmung nicht durchzuführen beabsichtigt. Wird dies in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt, so liegt darin ein Verzicht auf die Geltendmachung des Verfahrensmangels des Übergehens eines Beweisantrags (BFH-Beschlüsse vom 28. September 2005 XI B 134/04, BFH/NV 2006, 314; vom 11. August 2006 VIII B 322/04, BFH/NV 2006, 2280, m.w.N.; vom 19. Februar 2008 VIII B 139/07, n.v.).
b) Die Beschwerdebegründung enthält zum Bestehen des Rügerechts keine ausreichenden Ausführungen.
Die Klägerin hat ihren Ehemann und Prozessbevollmächtigen als Zeugen benannt, was gemäß § 82 FGO i.V.m. § 373 ZPO zulässig ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 373 Rz 5). Diesen hat das FG --ohne eine förmliche Zeugenvernehmung nach den Vorschriften des § 82 FGO i.V.m. §§ 373 ff. ZPO durchzuführen-- in der mündlichen Verhandlung zu dem behaupteten Schuldbeitritt der Klägerin befragt und sich mit dessen Vortrag im angefochtenen Urteil in der Beweiswürdigung auseinandergesetzt. Der Senat lässt dahinstehen, ob bei dieser Ausgangslage überhaupt von einem übergegangenen Beweisantrag auszugehen ist. Jedenfalls fehlen schlüssige Ausführungen dazu, dass die Klägerin ihr Rügerecht nicht verloren hat. Sie war in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertreten und hätte deshalb darlegen müssen, warum der Prozessbevollmächtigte angesichts der Tatsachen, dass das FG keinen Zeugen geladen hatte und die mündliche Verhandlung mit dem Beschluss beendet worden ist, eine Entscheidung werde nach der Sitzung verkündet, die Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt hat oder dass einer der in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vorliegt, in denen eine Rüge entbehrlich ist.
4. Mit der Rüge, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es vor Schließung der mündlichen Verhandlung in der Sache kein Rechtsgespräch über den aus seiner Sicht nicht nachgewiesenen Tatsachenvortrag und seine rechtliche Würdigung geführt habe, legt die Klägerin den behaupteten Verfahrensmangel nicht schlüssig dar.
Das FG trifft eine Überraschungsentscheidung und verstößt damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO, wenn es seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1991 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, sowie des BFH vom 15. März 2002 X B 175/01, BFH/NV 2002, 944; vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947, und vom 11. Januar 2007 XI B 22/06, BFH/NV 2007, 909, m.w.N.). Das FG ist aus dem Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, jedoch weder zu einem Rechtsgespräch, noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung in dem Sinne verpflichtet, dass es die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten vorher umfassend und im Einzelnen zu erörtern oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis seiner Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen hätte (Senatsbeschluss vom 23. August 2007 X B 183/07, BFH/NV 2007, 2320). Der Vortrag der Klägerin, das FG habe seine Hinweispflichten missachtet, führt damit nicht zur Revisionszulassung wegen eines Verfahrensmangels. Denn die Klägerin rügt einen Verstoß des FG gegen eine Hinweispflicht, die in dieser Form nicht besteht.
Fundstellen