Entscheidungsstichwort (Thema)
Wert des Streitgegenstandes bei Betriebsprüfungsanordnung
Leitsatz (NV)
1. Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 155 FGO i. V. m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Er beträgt in Streitfällen über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Außenprüfung regelmäßg 50 v. H. der mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern, die im Einzelfall geschätzt werden müssen.
2. Fehlen geeignete Schätzungsgrundlagen und bietet der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte, um die Bedeutung der Sache nach dem gestellten Antrag zu beurteilen, so ist der Streitwert in Anlehnung an § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 4 000 DM zu bestimmen.
3. Das Mehrergebnis, das in einer Außenprüfung für andere Jahre erzielt worden ist, kann als Grundlage für die Bemessung des Streitgegenstandes nur dann herangezogen werden, wenn festgestellt werden kann, daß die tatsächlichen Verhältnisse der geprüften Jahre und der zu prüfenden Jahre vergleichbar sind.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 5; FGO § 115 Abs. 1, § 155; GKG § 13 Abs. 1 S. 2; ZPO § 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Das FG hat der Klage der Klägerin, einer ausländischen Gesellschaft, gegen das FA wegen Erlaß einer Prüfungsanordnung entsprochen und die Revision nicht zugelassen. Das FA hat gegen das FG-Urteil Revision eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Gegen das Urteil eines FG steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1985, 1274, BStBl I 1985, 496) nur zu, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM übersteigt oder wenn das FG die Revision zugelassen hat. Im Streitfall sind beide Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Wert des Streitgegenstandes erreicht die Revisionssumme von 10 000 DM nicht. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
2. Nach § 155 FGO i. V. m. § 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist der Wert des Streitgegenstandes nach freiem Ermessen zu bestimmen. Er beträgt in Streitfällen über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Außenprüfung regelmäßig 50 v. H. der mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern, die im Einzelfall geschätzt werden müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. September 1974 VII B 122/73, BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197, und vom 4. Oktober 1984 VIII R 111/84, BFHE 142, 542, BStBl II 1985, 257). Fehlen geeignete Schätzungsgrundlagen und bietet der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte, um die Bedeutung der Sache nach dem gestellten Antrag zu beurteilen, so ist der Streitwert in Anlehnung an § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf 4 000 DM zu bestimmen.
3. Im Streitfall fehlen geeignete Schätzungsgrundlagen. Dies beruht im wesentlichen darauf, daß die Klägerin vor Erlaß der Prüfungsanordnung für die Streitjahre nur zur Umsatzsteuer veranlagt worden war. Eine für die Jahre 1967 bis 1970 durchgeführte Betriebsprüfung ergab keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer damals bestehenden beschränkten Steuerpflicht. Zwar hat das FA im Klageverfahren vorgetragen, für die Klägerin seien im Inland ca. 90 Mitunternehmer als Subunternehmer tätig gewesen. Auch werde 50 v. H. des Gesamtumsatzes im Inland erzielt. Das FA hat jedoch die Prüfungsanordnung nicht an eine Mitunternehmerschaft, sondern nur an die Klägerin gerichtet. Im übrigen fehlt jeder konkrete Hinweis darauf, daß der genannte Umstand die Annahme einer gerade in den Streitjahren bestehenden beschränkten Steuerpflicht rechtfertigen könnte. Dies gilt auch mit Rücksicht auf die Tatsache, daß das FA in seinem Schriftsatz vom 24. Juni 1986 von einem Mehrergebnis von 2,3 Mio DM spricht, das für die Veranlagungszeiträume 1974 bis 1978 ermittelt worden sei und das sich auf die genannten Jahre in etwa gleichmäßig verteile. Dieses Mehrergebnis ist von der Klägerin bestritten. Für den Senat ist weder erkennbar, daß das Mehrergebnis einer gerichtlichen Überprüfung vermutlich standhält, noch kann er feststellen, daß die tatsächlichen Verhältnisse der Streitjahre mit denen der Veranlagungszeiträume 1974 bis 1978 vergleichbar waren.
4. Zwar umfaßt die angefochtene Prüfungsanordnung auch die Umsatzsteuer 1972 und 1973. Auch läßt das Schreiben des FA vom 25. Januar 1980 (Tz. 1.2, 2.3 und 2.5) an den Steuerberater . . . erkennen, daß für die beiden Jahre mit Umsatzsteuer-Mehrsteuern von 13 000 DM gerechnet wird. Jedoch läßt sich auch mit diesem Hinweis kein Streitwert von mehr als 10 000 DM begründen. In Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung ist der Streitwert aufgrund einer in die Zukunft gerichteten Prognose festzusetzen. Diese Prognose muß auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bezogen werden. Sie bleibt für die Streitwertfestsetzung auch dann maßgebend, wenn sich später - z. B. im Streitfall aufgrund der für die Jahre 1974 bis 1978 durchgeführten Außenprüfung - herausstellen sollte, daß ein anderer Streitwertansatz den tatsächlichen Verhältnissen besser gerecht worden wäre.
5. War die Revision gemäß § 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG in der Fassung vom 4. August 1980 (BGBl I 1980, 1147, BStBl I 1980, 462) nicht statthaft, so war sie gemäß § 124 Satz 2 FGO unzulässig und durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 414662 |
BFH/NV 1987, 49 |