Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert des Streits um die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Außenprüfung

 

Leitsatz (NV)

Fehlen für die Bestimmung des Werts des Streitgegenstands in Streitfällen über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Außenprüfung geeignete Schätzungsgrundlagen und bietet der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte, um die Bedeutung der Sache nach dem gestellten Antrag zu beurteilen, so ist der Streitwert in Anlehnung an § 13 Abs. 1 S. 2 GKG i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen vom 9. Dez. 1986 (BGBl I, S. 2326) auf 4 000,- DM zu bestimmen.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 5; FGO § 115 Abs. 1; GKG § 13 Abs. 1 S. 2; ZPO § 3

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete am 2. September 1982 bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer atypisch stillen Gesellschaft, die Durchführung einer Außenprüfung wegen Gewinnfeststellungen, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer 1976 bis 1981 und Einheitswert des Betriebsvermögens 1. Januar 1977 bis 1. Januar 1982 an.

Mit der nach erfolgloser Beschwerde erhobenen Klage begehrte die Klägerin, die Prüfungsanordnung - soweit sie die Jahre 1976 bis 1978 betrifft - aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Nach einem Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats erklärte die Klägerin, daß eine auch nur griffweise Schätzung des bei einer Überprüfung der strittigen Zeiträume zu erwartenden steuerlichen Mehrergebnisses nicht möglich sei. Angesichts der Höhe der festgestellten Besteuerungsgrundlagen sowie der steuerlichen Interessenlage der Beteiligten übersteige der Wert des Streitgegenstandes die 10 000-DM-Grenze jedoch um ein Vielfaches. Das FA, das den Wert des Streitgegenstandes im finanzgerichtlichen Verfahren auf 20 000 DM geschätzt hatte, erklärte, daß es diese Angaben aufgrund der Gewichtigkeit der angeordneten Prüfung und ihrer möglichen steuerlichen Auswirkungen gemacht habe. Weitergehende Erkenntnisse, die diese Vermutung belegten, lägen nicht vor.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Prüfungszeitraum auf die Jahre 1979 bis 1981 zu beschränken.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

1. Gegen das Urteil eines FG steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1985, 1274, BStBl I 1985, 496) - vorbehaltlich des § 116 FGO - nur zu, wenn der Wert des Streitgegenstands 10 000 DM übersteigt oder wenn das FG die Revision zugelassen hat. Im Streitfall sind beide Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Wert des Streitgegenstands erreicht die Revisionssumme von 10 000 DM nicht. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

2. Nach § 155 FGO i.V.m. § 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist der Wert des Streitgegenstandes nach freiem Ermessen zu bestimmen. Er beträgt in Streitfällen über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Außenprüfung regelmäßig 50 v. H. der mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern, die im Einzelfall geschätzt werden müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. September 1974 VII B 122/73, BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197 und vom 4. Oktober 1984 VIII R 111/84, BFHE 142, 542, BStBl II 1985, 257). Fehlen geeignete Schätzungsgrundlagen und bietet der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte, um die Bedeutung der Sache nach dem gestellten Antrag zu beurteilen, so ist der Streitwert in Anlehnung an § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen vom 9. Dezember 1986 (BGBl I, 1986, 2326, BStBl I 1987, 195) auf 4 000 DM zu bestimmen.

3. Im Streitfall sind brauchbare Anhaltspunkte für die Schätzung der voraussichtlichen Mehrsteuern nicht vorhanden. Dies folgt zum einen daraus, daß die Steuern der zu überprüfenden Jahre nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erklärungsgemäß unter Vorbehalt festgesetzt wurden und greifbare Anhaltspunkte für eine rechtlich zweifelhafte Beurteilung einzelner Sachverhalte nicht vorliegen. Zum anderen ist, da eine erstmalige Prüfung der steuerlichen Verhältnisse durchgeführt werden soll, ein Rückgriff auf das Mehrergebnis früherer Außenprüfungen (vgl. dazu Beschluß des BFH vom 23. Juli 1986 I R 94/83, BFH/NV 1987, 49) nicht möglich.

Eine Schätzung der mutmaßlichen Mehrsteuer kann vorliegend auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Vortrags des FA und der Erläuterungen der Klägerin in der Revisionsinstanz nicht vorgenommen werden. Denn weder die allgemeine Vermutung, die angeordnete Prüfung sei von Gewicht, noch die Höhe der vorläufig festgesetzten Besteuerungsgrundlagen sowie die steuerliche Interessenlage der Betroffenen geben, sofern diese Umstände im Hinblick auf die zu erwartende Steuernachforderung nicht konkretisiert werden können, einen hinreichend bestimmten Anhalt für die Schätzung des Streitwerts.

4. Verfahrensmängel, die eine zulassungsfreie Revision ermöglichen, sind nicht vorgetragen worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415669

BFH/NV 1988, 515

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