Keine Anwendung der Fahrtenbuchmethode bei Schätzung des Treibstoffverbrauchs des überlassenen Kfz
Hintergrund: 1 %-Regelung oder Fahrtenbuchmethode
Die X GmbH überließ zwei Angestellten (A und B) von Dezember 2011 bis April 2016 jeweils ein betriebliches Fahrzeug auch zur Nutzung zu privaten Fahrten und dem Angestellten A zusätzlich zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (bis 2013) bzw. erster Tätigkeitsstätte (seit 2014). Beide Arbeitnehmer führten zum Nachweis des Verhältnisses der privaten Fahrten und im Falle des A auch der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte zu den übrigen Fahrten ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch.
Im Rahmen einer LSt-Außenprüfung stellte das FA fest, dass die GmbH bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der privaten Kfz-Nutzung nach der Fahrtenbuchmethode die Treibstoffkosten nach Durchschnittswerten geschätzt hatte. Denn die Fahrzeuge waren an einer betriebseigenen Tankstelle betankt worden, die weder über eine Anzeige der Abgabemenge noch des Abgabepreises verfügte.
Das FA sah die Schätzung als unzulässig an. Es berücksichtigte den geldwerten Vorteil nach der 1 %- und der 0,03 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG) und nahm die GmbH mit Haftungsbescheid in Anspruch.
Das FG gab der Klage teilweise statt. Es hielt die Fahrtenbuchmethode dem Grunde nach für zulässig, berechnete den geldwerten Vorteil jedoch neu. Die Treibstoffkosten ermittelte es nach dem vom Fahrzeughersteller angegebenen Durchschnittsverbrauch im innerstädtischen Verkehr sowie anhand des durchschnittlichen Liter-Einkaufspreises des Kraftstoffes, der (durch Einkaufsrechnungen nachgewiesen) im Streitzeitraum für die betriebseigene Tankstelle angeschafft worden war.
Entscheidung: Keine Schätzung von belegmäßig nicht erfassten Kosten
Der BFH wies die Revision zurück. Eine Schätzung von belegmäßig nicht erfassten Kosten der überlassenen Fahrzeuge schließt die Anwendung der Fahrtenbuchmethode aus.
Grundsatz der Fahrtenbuchmethode
Der Wert der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz kann (statt der 1 %- bzw. 0,03 %-Regelung) nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte entfallenden Teil der "gesamten Kfz-Aufwendungen" angesetzt werden, wenn die durch das Kfz "insgesamt entstehenden Aufwendungen" durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.
Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut
Nach dem Gesetzeswortlaut ist somit die Fahrtenbuchmethode nicht schon dann anzuwenden, wenn ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt wird, das das Verhältnis der privaten Fahrten (und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte) zu den übrigen Fahrten nachweist. Denn § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG setzt zudem voraus, dass zum einen der Wert der Privatnutzung als Teil der gesamten Kfz-Aufwendungen angesetzt wird und zum anderen, dass die durch Belege nachzuweisenden Kosten die durch das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen umfassen. Erforderlich ist damit zum einen die vollständige Dokumentation der Fahrtstrecken mittels Fahrtenbuchs und zum anderen die belegmäßige Erfassung der gesamten Kfz-Aufwendungen (BFH v. 20.3.2014, VI R 35/12, BStBl II 2014 S. 643, Rz. 13).
Keine Schätzung von belebmäßig nicht erfassten Kosten
Ausgehend vom Gesetzeswortlaut ist eine (Teil-)Schätzung von belegmäßig nicht erfassten Kosten der überlassenen Fahrzeuge ausgeschlossen. Das gilt – entgegen der Auffassung der GmbH – selbst dann, wenn aufgrund der gewählten Schätzungsgrundlagen oder eines "Sicherheitszuschlags" bei der Bemessung des Nutzungsvorteils nach der Fahrtenbuchmethode vermeintlich höhere Gesamtkosten angesetzt werden, als tatsächlich entstanden sind.
Fahrtenbuchmethode daher im Streitfall ausgeschlossen
Nach diesen Grundsätzen ist eine Ermittlung des geldwerten Vorteils nach der Fahrtenbuchmethode im Streitfall ausgeschlossen. Die GmbH hat nicht sämtliche, durch das jeweils überlassene Kfz entstandenen Aufwendungen belegmäßig nachgewiesen. Die durch die Nutzung dieser Fahrzeuge entstandenen (tatsächlichen) Treibstoffkosten beruhen vielmehr auf einer Schätzung. Zwar hat die GmbH die Einkaufsrechnungen für den insgesamt im Streitzeitraum bezogenen Treibstoff vorgelegt. Die anteiligen Treibstoffkosten je PKW hat sie aber nur anhand des vom Fahrzeughersteller angegebenen Durchschnittsverbrauchs sowie des durchschnittlichen Liter-Kraftstoffpreises ermittelt und damit nicht durch Belege nachgewiesen.
Kein Verfassungsverstoß
Der BFH sieht in dieser Handhabung des Belegerfordernisses keinen Verfassungsverstoß. Die 1 %-Regelung ist verfassungskonform, da der Steuerpflichtige zwischen dieser grob typisierenden Regelung und der (exakten) Fahrtenbuchmethode wählen kann (BFH v. 15.5.2018, X R 28/15, BStBl II 2018 S. 712, Rz. 21). Dieses Wahlrecht wird durch das in § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG geregelte Nachweisverlangen nicht beeinträchtigt. Vielmehr kann eine zutreffende Bewertung des Nutzungsvorteils anhand der gesamten Kfz-Aufwendungen nur gelingen, wenn diese auch belastbar erfasst werden. Dem trägt der Gesetzgeber Rechnung, wenn er hierfür einen Nachweis mittels belegmäßiger Erfassung anordnet. Ein solcher ist dem Steuerpflichtigen im Regelfall auch möglich und zumutbar.
Hinweis: Großzügigere Auffassung im Schrifttum
Der BFH verweist auf den Gesetzeswortlaut, der eine Belegerfassung der "insgesamt" durch das Kfz entstehenden Aufwendungen verlangt. Dagegen wird von einem Teil des Schrifttums zutreffend eingewandt, bei geringfügigen Mängeln müsse eine (Teil-)Schätzung akzeptiert werden. Das FG hat im Streitfall die Treibstoffkosten anhand der Durchschnittspreise und den Treibstoffverbrauch anhand der Herstellerangaben geschätzt. Darin könnten akzeptable geringfügige Mängel gesehen werden. Das gilt insbesondere im Streitfall, in dem wegen fehlender Mengen- und Preisanzeigen an der Trankstelle genaue Angaben unmöglich waren. Im Übrigen bleibt zu ergänzen, dass auch die AfA letztlich auf einer Schätzung beruht.
BFH Urteil vom 15.12.2022 - VI R 44/20 (veröffentlicht am 23.02.2023)
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