Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (NV)

1. Wird in einem Revisionsschriftsatz auch um Auskunft über die Möglichkeit der Prozeßkostenhilfe ersucht, so kann darin auch ein Antrag auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Revision gesehen werden.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist kann nicht gewährt werden, wenn die Partei das Gesuch um Prozeßkostenhilfe und die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht innerhalb der Revisionsfrist eingereicht hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 117 Abs. 2, 4

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) erzielte im Kalenderjahr 1981 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte im Einkommensteuerbescheid 1981 die Einkommensteuerschuld auf 570 DM fest. Für das Kalenderjahr 1982 erklärte der nunmehr arbeitslose Antragsteller lediglich einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2 925 DM. Demgemäß setzte das FA im Einkommensteuerbescheid 1982 die Einkommensteuerschuld 1982 auf null DM fest und änderte den Einkommensteuerbescheid 1981 gemäß § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FA nahm dabei einen Verlustrücktrag aus dem Jahre 1982 in Höhe von 359 DM vor und setzte die Einkommensteuerschuld 1981 auf 487 DM herab. Dieser Verlust unterschied sich von dem vom Antragsteller in Höhe von 2 925 DM erklärten dadurch, daß das FA die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 2 566 DM nicht anerkannte. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit Urteil vom 7. März 1985 3 K 49/84 - dem Antragsteller zugestellt am 27. März 1985 - abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 10. April 1985 - eingegangen am 15. April 1985 - ,,Nachprüfungsantrag" gestellt, der als Revision zu behandeln ist. Diese wird unter dem Aktenzeichen VIII R 92/85 geführt.

In diesem Schreiben trägt der Antragsteller auch vor, daß er als Arbeitslosenhilfeempfänger außerstande sei, für etwa entstandene und entstehende Gerichtskosten aufzukommen. Eine entsprechende Aufstellung einer monatlichen Belastung und des Verbleibs zum Lebensunterhalt in Höhe von 118 DM könne auf Wunsch gerne übersandt werden. Des weiteren fragt er an, ob hier die Möglichkeit der Prozeßkostenhilfe im evtl. Revisionsverfahren einschließlich Stellung eines ,,zwingend vorgeschriebenen Verteidigers" bestehe und an wen er sich ggf. zu wenden hätte.

Am 13. Mai 1985 reichte der Antragsteller eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein.

Der Senat wertet das Schreiben vom 10. April 1985 auch als Antrag auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag des Antragstellers auf Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.

Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur z. T. oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Antrag sind u. a. eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu hat sich die Partei des amtlichen Vordrucks zu bedienen (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO).

Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist nicht gewährt werden könnte.

Einer Partei, die ein Rechtsmittel selbst eingelegt hat und die nicht über ausreichende Mittel verfügt, kann zwar grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist gewährt werden, wenn sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert war. Das gilt jedoch nur, wenn die Partei alles getan hat, um das Hindernis zu beheben, das der fristgerechten Einlegung des Rechtsmittels entgegengestanden hat (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. Juli 1981 VII ZR 127/81, Versicherungsrecht - VersR - 1981, 884, und Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 13. April 1981 11 BA 46/81, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1981, 1052). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der anderen obersten Gerichte (BFH-Beschlüsse vom 1. September 1982 I S 4/82, BFHE 136, 354, BStBl II 1982, 737, und vom 27. Juni 1983 II S 2/83, BFHE 138, 526, BStBl II 1983, 644; BSG-Beschluß vom 30. April 1982 7 BH 10/82, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1984, 244; BGH-Beschluß vom 16. März 1983 IV b ZB 73/82, Der Betrieb - DB - 1983, 1251) ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die infolge wirtschaftlicher Bedrängnis eingetretene Versäumung der Rechtsmittelfrist mithin nur zu gewähren, wenn die Partei das Gesuch um Prozeßkostenhilfe und die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht hat, sofern sie nicht ohne ihr Verschulden auch hieran gehindert war.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar hat der Antragsteller rechtzeitig Prozeßkostenhilfe beantragt, innerhalb der Revisionsfrist, die am 29. April 1985 ablief; er hat jedoch keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die vom Antragsteller in seinem Schreiben vom 10. April 1985 gemachten formlosen Angaben sind nicht ausreichend und genügen nicht dem Erklärungserfordernis des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO. Die vom Antragsteller am 13. Mai 1985 auf amtlichem Vordruck eingereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht bis zum Ablauf der Revisionsfrist vorgelegt worden ist. Gründe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen würden, sind vom Antragsteller weder vorgetragen noch ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414211

BFH/NV 1986, 234

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