Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung: Sorgfaltspflichten bei Mandatsübergang
Leitsatz (NV)
Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht gewährt werden, wenn ein Steuerberater seinen Praxisnachfolger nicht über die zu beachtende Rechtsmittelfrist informiert und keine Absprache trifft, wer von beiden die Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht begründet.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, § 116 Abs. 3; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 23.05.2008; Aktenzeichen 12 K 152/06) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) machte in den Streitjahren 1997 und 1998 Schuldzinsen, die ausschließlich vom Konto ihres Ehemannes bezahlt worden sind, als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) lehnte eine Berücksichtigung der Schuldzinsen als Betriebsausgaben ab. Einspruchs- und Klageverfahren hatten keinen Erfolg. Das Urteil wurde dem Klägervertreter, Steuerberater S, am 9. Juni 2008 zugestellt.
Mit Telefax vom 9. Juli 2008 legte Steuerberater S für die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) mit dem Hinweis ein, die Beschwerdebegründung werde innerhalb der nächsten sechs bis acht Wochen nachgereicht. Die Geschäftsstelle des beschließenden Senats teilte daraufhin Steuerberater S mit, die Beschwerde sei innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen; im Streitfall also bis zum 11. August 2008. Diese Frist könne auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden um einen Monat verlängert werden. Mit Schreiben vom 25. August 2008 teilte der Vorsitzende des beschließenden Senats Steuerberater S mit, die nach § 116 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgeschriebene Frist sei abgelaufen und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde liege nicht vor. Das Schreiben enthielt den Hinweis auf § 56 FGO.
Mit Schriftsatz vom 3. September 2008, beim BFH eingegangen am 8. September 2008, begründete Steuerberater S die Nichtzulassungsbeschwerde und beantragte außerdem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt er vor, er habe seine Steuerberatungspraxis zum 31. Juli 2008 aufgegeben und die Praxisübertragung sei wegen eines Wechsels der Praxisräume mit einem Umzug verbunden gewesen. Leider seien die den Streitfall betreffenden Unterlagen erst nach Fristablauf bei seinem Praxisnachfolger aufgetaucht. Eine frühere Bearbeitung sei nicht möglich gewesen, da sowohl sein Praxisnachfolger als auch er davon ausgegangen seien, der jeweils andere Teil werde im Streitfall tätig werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen. Das Rechtsmittel wurde nicht fristgerecht begründet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.
1. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils des Finanzgerichts (FG) zu begründen. Die Begründung ist beim BFH einzureichen (§ 116 Abs. 3 Satz 2 FGO). Im Streitfall lief die --nicht verlängerte-- Begründungsfrist am 11. August 2008 ab. Die Beschwerdebegründung ist jedoch erst am 8. September 2008 und damit verspätet beim BFH eingegangen.
2. Die von der Klägerin zugleich und damit innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO beantragte Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist kann nicht gewährt werden.
Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Kläger ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden des Prozessbevollmächtigten einem Kläger als sein eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 4. Dezember 2003 XI B 181/01, BFH/NV 2004, 526). Die Fristversäumnis durch einen rechtskundigen Prozessvertreter kann nur dann als entschuldigt angesehen werden, wenn sie durch die den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (BFH-Beschluss vom 29. März 2007 VIII R 52/06, BFH/NV 2007, 1515). Überträgt ein Prozessbevollmächtigter während der Beschwerdebegründungsfrist seine Steuerberatungspraxis, muss er den Praxisübernehmer von der zu beachtenden Rechtsmittelfrist informieren und mit diesem absprechen, wer von beiden die Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht begründet.
Hieran fehlt es im Streitfall. Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags sind keine Absprachen zwischen Steuerberater S und seinem Praxisnachfolger getroffen worden, wer die Beschwerde begründet. Vielmehr ging jeder der Beteiligten davon aus, der andere werde die Beschwerde begründen und zudem wurden die den Streitfall betreffenden Unterlagen während des Umzugs in andere Praxisräume verlegt. Steuerberater S hat auch nicht vorsichtshalber beim BFH um Fristverlängerung nachgesucht, obwohl ihn die Geschäftsstelle des beschließenden Senats vor Fristablauf auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte. Erst durch das Vorsitzendenschreiben vom 25. August 2008 wurde Steuerberater S auf die noch immer ausstehende Beschwerdebegründung aufmerksam. Die Fristversäumnis war demnach verschuldet.
3. Im Übrigen entspricht die Beschwerdebegründung auch nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Denn die Klägerin wendet sich gegen die materielle Unrichtigkeit des Urteils des FG, ohne einen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO zu bezeichnen. Der bloße Hinweis (ohne weitere Darlegungen) auf andere BFH-Urteile, die "ähnlich lauten" bzw. "in die gleiche Richtung zielen", reicht nicht aus.
Fundstellen