Entscheidungsstichwort (Thema)
Mineralölsteuerermäßigung für den Betrieb von Anlagen der Kraft-Wärme-Koppelung; Begriff der Beihilfe i.S. des EG-Vertrages
Leitsatz (amtlich)
Die für die Verwendung von gekennzeichneten Gasölen zum Antrieb von Verbrennungsmotoren in ortsfesten Anlagen der Kraft-Wärme-Koppelung vorgesehene Steuersatzermäßigung, welche nur unter der Voraussetzung gewährt wird, dass im Jahresdurchschnitt mindestens 60 v.H. des Energiegehalts des verwendeten Mineralöls in Form der begünstigt erzeugten Wärme- und mechanischen Energie genutzt werden, verstößt weder gegen Gemeinschaftsrecht noch gegen den Gleichheitssatz der Verfassung. Insbesondere hat die Steuerbegünstigung nicht den Charakter einer Beihilfe.
Normenkette
EGVtr Art. 87 Abs. 1, Art. 93; EWGRL 81/92 Art. 8 Abs. 2 Buchst. A; GG Art. 3 Abs. 1; MinöStG 1993 § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (ZfZ 1997, 203) |
Nachgehend
Gründe
Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden, dass der Senat auf Grund dessen durch Beschluss entscheiden kann (Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--). Sie hatten Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Obschon die Bestätigung dieses Urteils durch den Senat nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG keiner Begründung bedarf, hält er es für angebracht, insbesondere die gemeinschaftsrechtliche Problematik des Falles, die das FG nur am Rande behandelt hat, zu vertiefen. Er ist der Auffassung, dass die gesetzliche Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 des Mineralölsteuergesetzes in der im Streitfall maßgeblichen Fassung von Art. 5 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992 --MinöStG 1993-- (BGBl I, 2150, 2185) keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken begegnet.
1. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 2 bis 4 MinöStG 1993 darf u.a. sog. leichtes gekennzeichnetes Heizöl zum ermäßigten Steuersatz von 80 DM/1000 l --gegenüber dem Regelsteuersatz für entsprechendes nicht gekennzeichnetes leichtes Heizöl zur Verwendung als Kraftstoff in Höhe von 620 DM/1000 l (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 MinöStG 1993 i.d.F. von Art. 7 Nr. 2 Buchst. b des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I, 2353)-- zum Antrieb von Verbrennungsmotoren in ortsfesten Anlagen verwendet werden, wenn diese Anlagen ausschließlich der gekoppelten Erzeugung von Wärme und Kraft (Kraft-Wärme-Kopplung) dienen. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 MinöStG 1993 hängt die Steuerermäßigung im Falle des Satzes 1 Nr. 1 davon ab, dass im Jahresdurchschnitt mindestens 60 v.H. des Energiegehalts des verwendeten Mineralöls in Form der begünstigt erzeugten Wärme- und mechanischen Energie (sog. Nutzungsgrad) genutzt werden. Diese steuerbegünstigte Verwendung bedarf der Erlaubnis gemäß § 12 Satz 1 Nr. 1 MinöStG 1993 durch den Beklagten und Revisionsbeklagten --Hauptzollamt (HZA)-- (§§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom 15. September 1993 --MinöStV--, BGBl I, 1602).
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die steuerbegünstigte Verwendung liegen im Streitfall nicht vor. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die KWK-Anlage, die der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreiben möchte, den geforderten Nutzungsgrad von 60 v.H. nicht erreicht. Da der Kläger die in § 32 Abs. 1 MinöStG 1993 vorgesehene, bis zum 31. Dezember 2001 befristete Übergangsregelung nach seinem ausdrücklichen Bekunden vor dem FG nicht in Anspruch nehmen möchte, besteht nach der Gesetzeslage kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis. Er ergibt sich im Gegensatz zur Auffassung des Klägers auch nicht aus übergeordnetem Recht.
2. Die im Streitfall einschlägige Steuerermäßigungsregelung ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, so dass sich hieraus keine Weiterungen für den geltend gemachten Anspruch des Klägers ergeben.
a) Als gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage, an der sich die nationale Regelung unmittelbar messen lassen muss, kommt allein Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 92/81/EWG (sog. Strukturrichtlinie Mineralöl; im Folgenden: Strukturrichtlinie) des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur von Verbrauchsteuern auf Mineralöle (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 316/12) in Betracht. Die Vorschrift lautet in ihrer ursprünglichen, im Streitfall maßgeblichen Fassung: "Unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften können die Mitgliedstaaten uneingeschränkte oder eingeschränkte Steuerbefreiungen oder Steuersatzermäßigungen für Mineralöle gewähren, welche unter Steueraufsicht verwendet werden: a) bei der Elektrizitätserzeugung und in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung;". Zu den Mineralölen i.S. der Richtlinie gehört auch leichtes Heizöl (Gasöl) als Erzeugnis des KN-Codes 2710 (Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Strukturrichtlinie).
Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift stellt Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Strukturrichtlinie eine umfassende und weitreichende Ermächtigung an die Mitgliedstaaten dar, für die Verwendung von Mineralöl unter Steueraufsicht bei der Elektrizitätserzeugung und in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung steuerliche Vergünstigungen zu gewähren. Diese können nach Wahl des Mitgliedstaats in der Form einer völligen Steuerbefreiung oder in der Form einer Steuersatzermäßigung gewährt werden. Die Vergünstigungen können ferner nach Wahl des Mitgliedstaats uneingeschränkt, d.h. für jeden Fall der genannten Verwendung von Mineralöl ohne weitere von den Mitgliedstaaten autonom festgelegte Bedingungen oder Voraussetzungen, oder eingeschränkt, d.h. nur unter Einhaltung weiterer von den Mitgliedstaaten vorgeschriebener Bedingungen oder Voraussetzungen, gewährt werden.
Die nationale Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 MinöStG 1993 hält sich klar in dem vorgegebenen Rahmen, indem sie für die Verwendung von Gasöl zum Antrieb von Verbrennungsmotoren in ortsfesten KWK-Anlagen eine Steuersatzermäßigung gewährt und deren Inanspruchnahme zur Wahrung der Belange der Steueraufsicht unter Erlaubnisvorbehalt stellt. Das zusätzliche Erfordernis, dass die Anlage einen Nutzungsgrad von 60 v.H. erreicht (Satz 2), ist eine sachliche Einschränkung, die der nationale Gesetzgeber aufgrund der ihm von der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigungsvorschrift zugebilligten inhaltlichen Gestaltungsfreiheit ohne weiteres treffen durfte. Da diese Regelung nicht ohne Sinn erscheint und insbesondere der vorgeschriebene Nutzungsgrad auch erreichbar ist, wie die vom HZA unwidersprochen vorgetragene Anzahl der erteilten Erlaubnisse zeigt, bedarf es an dieser Stelle einer weiteren Begründung nicht. Des weiteren war der nationale Gesetzgeber frei, entsprechenden Anlagen, die ausschließlich der Abdeckung von Spitzenlasten in der öffentlichen Stromversorgung dienen, die Steuerermäßigung uneingeschränkt, d.h. ohne Bindung an einen Nutzungsgrad, einzuräumen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 MinöStG 1993).
b) Die Regelung verstößt auch nicht gegen andere Gemeinschaftsvorschriften. Insbesondere einen Verstoß gegen das Verbot unerlaubter Beihilfen gemäß Art. 92 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) --jetzt Art. 87 Abs. 2 EG--, wie der Kläger meint, kann der Senat nicht erkennen. Zwar kommen Steuerermäßigungen grundsätzlich als mögliche Beihilfe in Betracht (vgl. Lenz/Rawlinson, EG-Vertrag, Art. 92 Rz. 17, m.N. aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--). Dann müsste es sich jedoch um eine Steuerermäßigung handeln, die den Rahmen allgemeiner Maßnahmen der Wirtschaftspolitik sprengt, bestimmte Unternehmen oder Gruppen selektiv begünstigt (Lenz/Rawlinson, a.a.O., Rz. 8) und damit zu einer Verfälschung des Wettbewerbs und der Möglichkeit der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels führt.
Der Senat hält es schon für ausgeschlossen, dass eine Steuerermäßigungsregelung wie die vorliegende, die sich nach ihrem Wortlaut nicht an bestimmte Unternehmen oder Gruppen richtet, sondern grundsätzlich jedermann offen steht, der die gekoppelte Erzeugung von Wärme und Kraft mittels Verbrennungsmotoren in ortsfesten Anlagen betreiben möchte, zu einer Begünstigung ausschließlich der großen Energieversorgungsunternehmen führt, wie der Kläger behauptet. Schon die relativ hohe Zahl der erteilten Erlaubnisse für KWK-Anlagen, die unter Einhaltung des vorgeschriebenen Nutzungsgrades gekoppelt Wärme und Kraft für den gewerblichen oder privaten Bedarf (z.B. bei größeren Wohneinheiten) erzeugen, widerlegt diese Behauptung. Ferner führt allein der Umstand, dass eine im Keller eines Einfamilienhauses zu betreibende KWK-Anlage, die naturgemäß im wesentlichen auf die Eigenversorgung des Anwesens mit Wärme und Kraft zugeschnitten sein wird, auch wenn im Streitfall der Kläger die Abgabe von Strom an die öffentliche Versorgung in Spitzenlastzeiten angeboten hat, in der Regel wegen eines Überschusses an nicht sinnvoll einsetzbarer Abwärme den vorgeschriebenen Nutzungsgrad kaum erreichen wird, nicht dazu, die an das Erreichen dieses Nutzungsgrades geknüpfte Steuerermäßigung in den zahlreichen anderen Fällen des Betreibens einer KWK-Anlage oder, wie der Kläger insbesondere vorträgt, in den Fällen der ohne Erreichen des Nutzungsgrades gewährten Steuerermäßigung bei der Abdeckung von Spitzenlasten in der öffentlichen Stromversorgung als Beihilfe anzusehen. Es ist verständlich und nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber den Fall des Klägers nicht als das zu regelnde Leitbild bei der Abfassung seiner Steuerermäßigungsregelung für KWK-Anlagen einerseits und für die Spitzenlastabdeckung in der öffentlichen Stromversorgung andererseits vor Augen hatte.
Selbst wenn man jedoch mit dem Kläger unterstellte, die angegriffene mineralölsteuerrechtliche Regelung bewirke deshalb eine Begünstigung der großen Energieversorgungsunternehmen, weil kleinere Stromlieferanten, wie der Kläger einer werden möchte, aus tatsächlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage wären, die Voraussetzungen der Steuerbegünstigungstatbestände zu erfüllen, wäre der dann möglicherweise bestehende selektive Charakter der Regelung durch die Natur und den inneren Aufbau des gemeinschaftlichen und nationalen Mineralölbesteuerungssystems gerechtfertigt (vgl. zu diesem Aspekt EuGH, Urteil vom 2. Juli 1974 Rs. 173/73 --Italien/Kommission--, EuGHE 1974, 709; zu weiteren Anwendungsbeispielen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung s. die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung, BStBl I 1999, 205 Nrn. 23 ff.). In diesem Fall entzöge sich die zu beurteilende Maßnahme dem Zugriff des Art. 87 Abs. 1 EG (vgl. Mitteilung der Kommission, a.a.O., Nr. 12).
Hinsichtlich der zum Gemeinschaftsrecht gehörigen Bestandteile des Mineralölbesteuerungssystems ergibt sich diese Rechtfertigung schon daraus, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Strukturrichtlinie die Mineralölbesteuerung bei der Elektrizitätserzeugung und beim Betrieb von KWK-Anlagen völlig dem Belieben der Mitgliedstaaten überlassen hat. Damit hat er in Kenntnis seines Harmonisierungsauftrags bei den indirekten Steuern (Art. 99 EG-Vertrag, jetzt Art. 93 EG) in einem ersten Vollzugsschritt die mineralölsteuerrechtliche Behandlung der KWK-Anlagen bewußt den Mitgliedstaaten überlassen und damit die Möglichkeit unterschiedlicher inhaltlicher Ausgestaltung in den einzelnen Mitgliedstaaten (von der vollen Steuererhebung über eine ermäßigte Besteuerung bis hin zur völligen Steuerfreistellung, mit oder ohne zusätzliche Einschränkungen oder Bedingungen) einschließlich der möglicherweise daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen nicht nur in Kauf genommen, sondern von vornherein gebilligt und zugelassen, sofern sich nur die nähere Ausgestaltung im vorgegebenen Rahmen hält. Es gilt hier noch das Prinzip des freien Steuerwettbewerbs der Mitgliedstaaten. Allein in der unterschiedlichen Ausfüllung des vorgegebenen Bereichs durch die einzelnen Mitgliedstaaten kann nicht der Tatbestand einer Beihilfe nach Art. 87 EG gesehen werden. Dieser Ansatz schließt gleichzeitig aus, dass eine Steuerermäßigungsregelung wie die vorliegende, die sich, wie ausgeführt, in dem durch dieses Gemeinschaftsrecht vorgegebenen Rahmen hält, den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinflussen könnte.
Auch innerhalb des nationalen Steuersystems bei der Mineralölbesteuerung ist die vom Kläger beanstandete Steuerermäßigungsregelung durch die Natur und den inneren Aufbau des Systems, zu dem auch die Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht gehört, gerechtfertigt. Dabei ist eine Diskriminierung des Klägers nicht erkennbar, weil die Marktbürger von der Steuerregelung gleichermaßen und ohne Unterscheidung betroffen sind.
c) Die Vereinbarkeit des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 MinöStG 1993 mit dem Gemeinschaftsrecht erscheint dem Senat hiernach so klar und eindeutig, dass er sich in Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415) nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 3 EG für verpflichtet hält.
3. Der Senat stimmt mit dem FG im Ergebnis ferner darin überein, dass die angegriffene Steuerermäßigungsregelung auch nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) widerspricht und daher eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht kommt. Diesbezüglich hält er eine weitere Begründung nicht für erforderlich.
Fundstellen
Haufe-Index 424763 |
BFH/NV 2000, 662 |
BFHE 191, 174 |
BFHE 2001, 174 |
BB 2000, 450 |
DStRE 2000, 261 |
HFR 2000, 378 |
StE 2000, 120 |