Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitserlaß
Leitsatz (NV)
1. Ein (Teil-)Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen setzt u.a. voraus, daß der erstrebte Verzicht auf die Abgabenerhebung geeignet ist, die wirtschaftliche Lage des Steuerschuldners zu beeinflussen.
2. Ein Steuerschuldner, der einen (Teil-)Erlaß aus Billigkeitsgründen begehrt, bzw. dessen gesetzlicher Vertreter ist in besonderem Maße zur Mitwirkung bei der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet.
Normenkette
AO 1977 § 34 Abs. 1, § § 88 ff., § 227; FGO § 142
Tatbestand
In dem vor dem Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren ... wendet sich der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) gegen die Ablehnung seines Begehrens, ihm die Einkommensteuerschuld 1984 aus persönlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.
Dem liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger betrieb, seit 1. Januar 1982 bis zur Untersagung der Gewerbeausübung nach § 35 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) am 20. Mai 1992, ein Einzelunternehmen.
Wegen einer psychischen Erkrankung, die auch der Grund für die gewerberechtliche Entscheidung war, wurde für den Kläger ab 1983 Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet, die sich auf die Vermögensverwaltung, vor allem auf die mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden und auch auf die steuerlichen Angelegenheiten erstreckt. Zum Pfleger ist seit 1986 der derzeitige gesetzliche Vertreter des Klägers (V) bestellt.
Schon 1983 hatte der frühere Pfleger eine erhebliche Verschuldung des Klägers festgestellt und daher (mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts) zwei betriebliche Grundstücke veräußert. Der gesamte Erlös hieraus war zur Schuldtilgung, auch gegenüber dem Antragsgegner und Beschwerdegegner, dem beklagten Finanzamt (FA), benötigt worden.
Die Einkommensteuerschuld des Klägers für 1984 hat das FA auf ... DM festgesetzt, von denen ... DM bezahlt sind.
Mit Schreiben vom 8. Juni 1988 beantragte V für den Kläger Erlaß (z.T. in Form der Erstattung) der gesamten Einkommensteuerschuld 1984 aus persönlichen Billigkeitsgründen. Zur Begründung verwies er vor allem auf die Erkrankung des Klägers, die es ihm nicht erlaube, seine Steuerschulden zu begleichen.
Das FA lehnte den Erlaßantrag im wesentlichen mit der Begründung ab, eine solche Maßnahme begünstige - wegen der übrigen Schulden - nicht den Kläger selbst, sondern die anderen Gläubiger.
Auch die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Oberfinanzdirektion (OFD) teilte die Ansicht des FA und stützte sich außerdem auf den Umstand, daß die Erlaßbedürftigkeit nicht hinreichend belegt sei. V habe sich außerstande gesehen, eine Geldbedarfsrechnung, einen Liquiditätsstatus oder die Steuererklärung 1988 vorzulegen. Für den Fall allerdings, daß es zu einer einvernehmlichen Regelung mit allen Gläubigern kommen sollte, werde auch das FA durch einen entsprechenden (Teil-)Erlaß zur Sanierung beitragen.
Auf diese Verwaltungsentscheidungen hin hat V für den Kläger Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den zugleich außerdem gestellten Antrag, dem Kläger Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihm V als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen, hat das FG mangels Erfolgsaussichten abgelehnt.
Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde verfolgt der Kläger sein PKH-Begehren weiter und stützt sich zur Begründung vor allem auf seine unzureichende Altersversorgung.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen, indem es erneut auf die mangelnde Mitwirkung des Klägers bei der Sachaufklärung und auf den Umstand verweist, daß ein Erlaß die wirtschaftliche Situation des Klägers nicht verändern würde, aber weiterhin seine Bereitschaft bekundet, mit den anderen Gläubigern gemeinsam an einer Gesamtlösung mitzuwirken.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das FG den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Ganz abgesehen davon, daß die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht in der für ein PKH-Verfahren erforderlichen Weise (§ 117 Abs. 2 ZPO) zeitnah dargetan wurden, fehlen auch die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH: Die beim FG anhängige Verpflichtungsklage bietet keine Erfolgsaussichten, weil
- ein (Teil-)Erlaß unter den bekanntgewordenen Umständen nicht geeignet ist, auf die wirtschaftliche Lage des Klägers einzuwirken (vgl. dazu den Beschluß des erkennenden Senats vom 1. April 1993 X R 197/92, BFH/NV 1993, 640, 641; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 227 AO Tz. 326f. m.w.N.);
- V die Mitwirkungspflichten bei der Sachaufklärung nicht in ausreichendem Maße erfüllt hat (Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., Tz. 380 m.w.N.) und der Kläger sich dies zurechnen lassen muß (§ 34 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -).
Überhaupt ist unverständlich, warum das wiederholte Angebot der Finanzbehörden, an einer Gesamtlösung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers mitzuwirken, in dessen eigenem Interesse bisher nicht aufgegriffen wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 419683 |
BFH/NV 1994, 757 |