Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheinselbständigkeit; kumulative Urteilsbegründung
Leitsatz (NV)
1. Es ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass hinsichtlich der Frage, ob jemand als Scheinselbständiger zu beurteilen ist oder nicht, keine Bindungswirkung zwischen Steuerrecht einerseits und Arbeits- und Sozialversicherungsrecht andererseits besteht.
2. Ist ein Urteil auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, so muss mit der Beschwerde für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt werden.
Normenkette
EStG §§ 15, 18; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 14.12.2005; Aktenzeichen 14 K 1033/03) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Begründung der Beschwerde die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden, d.h. in der Beschwerdeschrift muss entweder dargetan werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, oder dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
1. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 25 ff. und § 115 Rz 23 ff., jeweils m.w.N.).
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 23 ff., m.w.N.; BFH-Beschluss vom 31. Mai 2000 IV B 55/99, juris). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierzu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Vielmehr muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212, m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
Nach diesen Maßstäben hat die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfene Frage, ob der Begriff der Scheinselbständigkeit auch auf das Steuerrecht "durchschlägt", keine grundsätzliche Bedeutung. Denn es ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass hinsichtlich der Frage, ob jemand als Scheinselbständiger zu beurteilen ist oder nicht, keine Bindungswirkung zwischen Steuerrecht einerseits und Arbeits- und Sozialversicherungsrecht andererseits besteht (BFH-Beschlüsse vom 17. Oktober 2003 V B 80/03, BFH/NV 2004, 379; vom 22. Oktober 2004 XI B 166/02, BFH/NV 2005, 504). Weshalb angesichts dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung weiterer Klärungsbedarf gegeben sein könnte, hat der Kläger nicht dargelegt.
b) In Anbetracht dieser Rechtsprechung ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine weitere Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sein könnte.
c) Die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, ist nicht zulässig erhoben. Denn bei einer Rüge der Verletzung der von Amts wegen gebotenen Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) gehören nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37, und vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236) zu einem schlüssigen Sachvortrag u.a. Ausführungen dazu, welche Tatsachen das FG hätte aufklären oder welche Beweise hätte erheben müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Soweit der Kläger geltend macht, das FG hätte der Ausbildung des Klägers an der …-Akademie weiter nachgehen müssen, so verkennt er, dass dieses Problem ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 14. Dezember 2005 vom FG mit den Beteiligten erörtert worden ist, und dass das FG nicht nur aufgrund der Schilderung des Klägers über seine Ausbildung in der mündlichen Verhandlung, sondern auch aufgrund seines Prüfungszeugnisses der …-Akademie den Schluss gezogen hat, diese Ausbildung sei nicht geeignet, den Kenntnisstand und die Qualifikation eines Betriebswirtes zu vermitteln. Dabei hat sich das FG unter anderem auch darauf gestützt, dass das Fachgebiet Wirtschaftswissenschaften nicht nur das Fach Betriebswirtschaftslehre, sondern auch das Fach Volkswirtschaftslehre erfasst. Da der Kläger ausweislich des erstinstanzlichen Urteils selbst bekundet hat, der Bereich "Rechnungswesen" habe nicht zum Unterrichtsstoff gehört, hat das FG den keinen Erfahrungssätzen oder Denkgesetzen widersprechenden Schluss gezogen, der Kläger habe nicht über die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse und über die Qualifikation eines Betriebswirtes verfügt. Das FG war angesichts dieser Sachlage nicht verpflichtet, weitere Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich Ausbildung des Klägers anzustellen.
Die Beschwerde lässt in diesem Zusammenhang auch außer Acht, dass das FG sein Urteil insoweit kumulativ begründet hat. Es hat nämlich auch darauf abgestellt, der Kläger habe keine einem beratenden Betriebswirt vergleichbare Tätigkeit ausgeübt, weil die Pflegeversicherung, das Gebiet, auf dem der Kläger beratend tätig war, nicht zu den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre gehöre und keine Kenntnisse eines Studiums der Betriebswirtschaft voraussetze. Ist ein Urteil aber auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, so muss mit der Beschwerde für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. November 1998 VIII B 18/98, BFH/NV 1999, 513; vom 12. Mai 2000 IV B 74/99, BFH/NV 2000, 1133; vom 16. Juli 2001 V B 44/01, BFH/NV 2001, 1620). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil in der Beschwerdeschrift zu dieser Urteilsbegründung keine Revisionszulassungsgründe dargelegt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1993572 |
BFH/NV 2008, 1133 |