Entscheidungsstichwort (Thema)
Erneute Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (NV)
- Eine Beschwerde, mit der ein bereits mit bindender Wirkung zurückgewiesener Ablehnungsgrund erneut geltend gemacht wird, ist unzulässig.
- Die Ablehnung von ehrenamtlichen Richtern ist unzulässig, wenn diese erstmals in der mündlichen Verhandlung mit der Sache des Ablehnenden befasst sind und keine konkreten Ablehnungsgründe geltend gemacht werden.
- Ein erneutes Ablehnungsgesuch kann nicht auf Gründe gestützt werden, die in einer früheren mündlichen Verhandlung entstanden sein sollen.
- Soll sich die unsachliche Einstellung eines Richters in der langdauernden Nichtbearbeitung der Sache zeigen, so muss dieser Vorwurf substantiiert begründet werden.
- Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint mutwillig i.S. von § 114 ZPO, wenn ein nicht Hilfsbedürftiger seine Rechte nicht in der gleichen Weise verfolgen würde.
Normenkette
FGO §§ 51, 142; ZPO §§ 43, 114
Tatbestand
Der Antragsteller erhob mit Schriftsatz vom 22. Dezember 1997 Klage beim Finanzgericht (FG) wegen Einkommensteuer 1992 bis 1995. Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte es ab, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auszusetzen. Auch das FG lehnte es zunächst durch Beschluss vom 23. März 1998 und dann durch Beschluss vom 11. Mai 1999 ab, die Vollziehung der vom FA ausgebrachten Pfändungsmaßnahmen sowie der angefochtenen Einkommensteuerbescheide auszusetzen. Der bereits mit Schriftsatz vom 30. April 1998 gestellt Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 11. Mai 1999).
In der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 1999 lehnte der Antragsteller den gesamten … Senat des FG als befangen ab. Dieser wies das Befangenheitsgesuch als unzulässig zurück und setzte antragsgemäß das Klageverfahren betreffend die Einkommensteuer 1992 bis 1995 bis zur Entscheidung über die Beschwerde des Antragstellers wegen Versagung der PKH aus.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 1999 lehnte der Antragsteller den Vorsitzenden des … Senats des FG, A, sowie die Richter am FG B und C wegen Besorgnis der Befangenheit erneut ab. Sein Gesuch stützte er auf das Tätigwerden dieser Richter in dem anhängigen Klageverfahren sowie in dem Aussetzungsverfahren … Er machte geltend, die Richter hätten sein bisheriges Vorbringen nicht beachtet. Außerdem rügte er die lange Verfahrensdauer. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 1999 lehnte er die beiden ehrenamtlichen Richter … mit der Begründung ab, er wisse nicht, ob sich diese ihm gegenüber bereits in voreingenommener Weise betätigt hätten. In seinem dem Gericht in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben sei er detailliert auf die Voreingenommenheit der abgelehnten Richter eingegangen. Er habe seit Klageerhebung in mindestens 29 Schreiben und Einschreiben seinen Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung wiederholt und an die Erledigung erinnert. Zudem habe er Zahlungen an das FA in Höhe von … DM nachgewiesen. Darauf sei das Gericht nicht eingegangen, und zwar auch nicht in dem Beschluss vom 11. Mai 1999 … Dieser Beschluss enthalte viele unzutreffende Behauptungen. Außerdem habe sich das FG nicht mit dem Vortrag zu der Wahrscheinlichkeit von Garantieleistungen auseinandergesetzt.
Die Richter A, B und C gaben zu dem Befangenheitsantrag jeweils dienstliche Äußerungen ab. Sie halten sich nicht für befangen.
Der Antrag hatte keinen Erfolg. Das FG führte in der Besetzung X, Y und Z u.a. aus, soweit der Antragsteller die beiden ehrenamtlichen Richter als befangen ablehne, sei der Antrag unzulässig. Im Allgemeinen sei die Ablehnung des Spruchkörpers als Ganzes unzulässig, es sei denn, alle Richter würden wegen konkreter Anhaltspunkte in der Kollegialentscheidung abgelehnt. Die Ablehnung der beiden ehrenamtlichen Richter sei missbräuchlich, weil sie erstmals in der mündlichen Verhandlung mit der Sache befasst waren, zu deren Beginn der erste Ablehnungsantrag gestellt worden sei.
Hinsichtlich der Richter A, B und C sei der Antrag jedenfalls unbegründet. Allein die Tatsache, dass sie bei der Ablehnung der gestellten Anträge, die Vollziehung auszusetzen und PKH zu bewilligen, mitgewirkt hätten, begründe keine Besorgnis der Befangenheit. Die vorzunehmende summarische Prüfung in der Aussetzungssache bedeute nicht, dass die Richter bei der Hauptsache befangen wären. Auch schütze das Institut der Richterablehnung grundsätzlich nicht vor unrichtigen Rechtsansichten eines Richters. Im Streitfall seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Senat die Aussetzung der Vollziehung aus unsachlichen Gründen abgelehnt hätte. Das FA sei berechtigt gewesen, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Es sei auch nicht zweifelhaft, dass die gebildeten Rückstellungen erfolgswirksam aufzulösen seien.
Gegenstand des Verfahrens sei allein die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide. Soweit das FA Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen habe und diese Verwaltungsakte seien, seien diese gesondert anzugreifen und in einem gesonderten Verfahren einstweiliger Rechtsschutz zu begehren. PKH sei nur zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspreche; Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung seien nicht gegeben.
Ob bei 18 Monaten von einer langen Verfahrensdauer gesprochen werden könne, sei sehr zweifelhaft. Die Verfahrensdauer beruhe darauf, dass der Antragsteller zahlreiche Schriftsätze eingereicht habe und der Senat überlastet sei. Es sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass er von dem Grundsatz abgewichen sei, die Verfahren nach der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs zu bearbeiten.
Inhalt und Umfang der dienstlichen Äußerungen richteten sich nach dem geltend gemachten Ablehnungsgrund.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 29. Juli 1999 Beschwerde erhoben und zugleich zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens PKH sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben. Zur Begründung des Antrages führt er u.a. aus, die abgelehnten Richter wären nicht darauf eingegangen, dass das FA immer wieder mit falschen Forderungsaufstellungen neue Zwangsmaßnahmen ergriffen hätte. Insoweit nimmt er Bezug auf die beigefügte Aufstellung im Schreiben vom 23. Juli 1999 an seinen Prozessbevollmächtigten. Die aktuellen Pfändungen beliefen sich jedoch nicht auf nur … DM, sondern gemäß seiner beigefügten Aufstellung vom 28. Juli 1999 sogar auf … DM. Ihm sei nicht bekannt, dass die darin aufgeführten Posten inzwischen erledigt seien. Er habe das FG mehrfach auf die maßlosen Überpfändungen hingewiesen. Hätten die Richter vom FA verlangt, die Forderungen detailliert nachzuweisen, hätte sich herausgestellt, dass das FA bereits mehr kassiert habe, als es fordern dürfe. Er sehe darin eine bewusste und beabsichtigte Benachteiligung und Rechtsbeugung. Die eingereichten Aufstellungen hat der Antragsteller laufend aktualisiert.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH hat keinen Erfolg.
Gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 115 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Im Streitfall verspricht die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dafür besteht bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht die zu fordernde gewisse Wahrscheinlichkeit (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217; sowie Senatsbeschluss vom 3. Dezember 1996 IV S 2/96, BFH/NV 1997, 700; siehe weiter BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 1997 VII B 83/97, BFH/NV 1998, 78, m.w.N., und vom 2. Juli 1999 V B 83/99, BFH/NV 1999, 1450). Es ist nicht wahrscheinlich, dass sich im beabsichtigten Beschwerdeverfahren ein Anhalt für den Rechtsstandpunkt des Antragstellers findet, die mit der Sache befassten Richter des FG A, B und C seien ihm gegenüber voreingenommen.
Wie der erkennende Senat mit Beschluss vom 24. Juni 1999 IV B 76-79/98 (BFH/NV 2000, 53) entschieden hat, ist eine Beschwerde unzulässig, wenn über einen erneut geltend gemachten Ablehnungsgrund bereits mit bindender Wirkung entschieden worden ist. Das FG hat in seinem Beschluss vom 22. Juli 1999 zutreffend ausgeführt, dass es unzulässig ist, alle Mitglieder eines Spruchkörpers ohne Angabe in der Person der einzelnen Richter liegender ernstlicher Gründe als befangen abzulehnen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 12. September 1996 IV B 8/96, BFH/NV 1997, 243; sowie BFH-Beschluss vom 8. Oktober 1997 I B 103/97, BFH/NV 1998, 475). Bereits aus diesem Grund kann die Beschwerde jedenfalls insofern keinen Erfolg haben, als sich der Antragsteller damit erneut gegen eine Beteiligung der beiden ehrenamtlichen Richter wendet. Das FG hatte mit Beschluss vom 20. Mai 1999 den zunächst gestellten Antrag hinsichtlich der beiden ehrenamtlichen Richter zurückgewiesen, weil diese erstmalig in der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 1999 mit der Sache befasst waren und der Antragsteller gegen sie keine konkreten Ablehnungsgründe geltend gemacht hatte. Das hat dieser auch in seinem am 26. Mai 1999 eingegangenen Ablehnungsantrag vom 20. Mai 1999, im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss vom 22. Juli 1999 sowie im jetzigen PKH-Verfahren unterlassen.
Aus dem gleichen Grund ist die erneute Ablehnung der Richter A, B und C zumindest teilweise unzulässig. Denn das FG hatte das Befangenheitsgesuch des Antragstellers, und zwar soweit es sich gegen die Berufsrichter A, B und C richtete, bereits durch den Beschluss vom 20. Mai 1999 zurückgewiesen. Diesen Beschluss hat der Antragsteller nicht angefochten, vielmehr mit dem am 26. Mai 1999 beim FG eingegangenen Schriftsatz diese Richter erneut als befangen abgelehnt, und zwar weitestgehend mit dem ursprünglichen Argument, die Beschlüsse des FG vom 11. Mai 1999 seien nicht richtig.
Im Übrigen konnte das erneute Ablehnungsgesuch nicht auf solche Gründe gestützt werden, die noch in der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 1999 entstanden waren. Aus § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 43 und 44 ZPO ergibt sich, dass in einem solchen Fall ein Ablehnungsgesuch noch in der mündlichen Verhandlung angebracht werden muss (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1996 IV R 55/94, BFH/NV 1996, 801, sowie Senatsbeschluss vom 10. Juni 1998 IV B 114/97, BFH/NV 1999, 57, m.w.N.). Das betrifft u.a. den Vorwurf, der Antrag auf Fristverlängerung sei mit einer rüden Bemerkung abgelehnt worden.
Zudem verspricht die eingelegte Beschwerde deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil für eine unsachliche Einstellung (vgl. zur möglichen Befangenheit bei einer langdauernden Nichtbearbeitung Senatsbeschluss vom 11. August 1994 IV B 98/93, BFH/NV 1995, 410; siehe auch Senatsbeschlüsse vom 11. Januar 1995 IV B 104/93, BFH/NV 1995, 629, und vom 13. Mai 1998 IV B 104/97, BFH/NV 1999, 46) der als befangen abgelehnten Richter A, B und C weder der Antragsteller etwas substantiiert vorgetragen hat noch sonst etwas ersichtlich ist. Insbesondere geht der Antragsteller trotz der entsprechenden Passagen in dem Beschluss des FG vom 22. Juli 1999 nicht einmal ansatzweise darauf ein, dass das FG es bereits mit Beschluss vom 23. März 1998 abgelehnt hatte, die Vollziehung der vom FA eingeleiteten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aufzuheben bzw. auszusetzen. Damit geht sein Vorwurf, das FG sei nicht auf sein diesbezügliches Vorbringen eingegangen, ins Leere. Seine Beschwerde gegen den Beschluss des FG vom 22. Juli 1999 erscheint als mutwillig i.S. des § 114 ZPO, weil ein nicht Hilfsbedürftiger seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juli 1996 IV B 105/95, BFH/NV 1997, 58).
Fundstellen
Haufe-Index 425723 |
BFH/NV 2000, 1207 |