Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977
Leitsatz (NV)
Aus der Aufhebung eines Grunderwerbsteuerbescheids, mit dem die Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden GbR besteuert wurde, ergeben sich keine grunderwerbsteuerrechtlichen Folgerungen für die Einbringung des Grundstücks in die Gesellschaft. Die Gesellschaft in ihrer früheren Zusammensetzung ist zu dem Rechtsstreit über die Übertragung der Anteile nicht beizuladen.
Normenkette
AO 1977 § 174 Abs. 4-5; GrEStG § 5
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzgericht (FG) zu Recht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) A, B und C Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ihrer jüngsten Zusammensetzung zum Verfahren beigeladen hat.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. April 1982 gründeten Frau A und ihr Sohn Herr B und Frau C eine GbR. Nach außen trat die Gesellschaft entsprechend dem Gesellschaftsvertrag unter dem Namen A, B und C Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf. Gegenstand der Gesellschaft war nach dem Vertrag der Erwerb, die Verwaltung, der Ausbau und die dauerhafte Fruchtziehung des Grundbesitzes... Ihre Einlagen hatten die Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag dadurch zu erbringen, daß Frau A und Herr B das Grundstück in die Gesellschaft einbrachten und Frau C an Frau A 60000 DM und an Herrn B 40000 DM bezahlte. Bereits im Gesellschaftsvertrag erklärten die Beteiligten die Auflassung des Grundstücks. Im Gesellschaftsvertrag wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein gesetzliches Vorkaufsrecht der Stadt ... nicht bestehe, da es sich um eine Einbringung in eine GbR handele, und der Weg des Erwerbs über eine solche gewählt worden sei, da bei der Lage des Grundstücks evtl. bei einem Verkauf von Miteigentumsanteilen ein Vorkaufsrecht ausgeübt worden wäre.
Durch Bescheid vom 21. Mai 1982 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) für die Einbringung des Grundstücks aufgrund des Vertrags vom 23. April 1982 gegen die GbR Grunderwerbsteuer in Höhe von insgesamt 7000 DM fest. Es ging dabei von einer Gegenleistung von 2 Mio.DM aus und beließ hiervon 1900000 DM (= 95 v.H.) nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 des damals geltenden Bayerischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerfrei.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 3. Januar 1983 traten Herr B und Frau A ihre Gesellschaftsanteile an den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ab. Der Kaufpreis für die Anteile betrug 2 Mio.DM. Die Beteiligten bewilligten und beantragten, im Grundbuch die Abtretung der Gesellschaftsanteile und den Neueintritt des Klägers im Wege der Grundbuchberichtigung einzutragen.
Durch Bescheid vom 26. April 1983 setzte das FA unter Hinweis auf den Erwerb von 95 v.H. Anteile von Herrn B und Frau A gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 40000 DM fest. Es ging dabei von einer Gegenleistung von 2 Mio.DM aus. In den Erläuterungen zum Bescheid wies das FA darauf hin, daß die gewählte Vertragsgestaltung als wirtschaftlicher Kauf von Grundstücksbruchteilen anzusehen sei, auch wenn über das Grundstück kein Kaufvertrag i.S. des § 433 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abgeschlossen worden sei. Gegenstand der GbR sei der Erwerb, die Verwaltung und letztlich die Verwertung des Grundbesitzes. Würden deren Gesellschafter ihre Gesellschafterstellung auf andere Personen übertragen, so erschöpfte sich der wirtschaftliche Erfolg des Gesellschafterwechsels in der Eigentumsübertragung des Grundbesitzes. Derartige auf den Eigentumserwerb an einem Grundstück gerichtete Verträge unterlägen nach den Wertungen des GrEStG nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) der Steuer.
Mit dem dagegen erhobenen Einspruch brachte der Kläger vor, daß die Vertragsgestaltung nicht aus steuerlichen Gesichtspunkten gewählt worden sei. Mit nur dem Klägervertreter zugestellter Einspruchsentscheidung vom 2. August 1988 wies das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Mit der dagegen gerichteten Klage wurde sinngemäß beantragt, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 26. April 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. August 1988 aufzuheben. Das FA beantragte Klageabweisung.
Durch Schriftsatz vom 18. Juni 1991 beantragte das beklagte FA, die GbR A, B und C Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Verfahren beizuladen.
Durch Beschluß vom 8. Oktober 1991 hat das FG die GbR A, B und C Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ihrer jüngsten Zusammensetzung beigeladen. Die Beiladung erfolgte gemäß §§ 60 der Finanzgerichtsordnung (FGO), 174 Abs. 4, Abs. 5 AO 1977. Eine Beiladung nach § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 sei zulässig, wenn ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben sei und hieraus bei einem Dritten rechtliche Folgerungen zu ziehen seien und das FA die Beiladung beantragt habe. Angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG (BFH-Urteil vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BSTBl II 1991, 374) zur fortbestehenden Steuerschuldnerschaft einer GbR (BFH-Beschluß vom 26. September 1990 II B 24/90, BFHE 162, 249, BSTBl II 1990, 1035) sowie zum grunderwerbsteuerlichen Mißbrauchstatbestand des § 42 AO 1977 (BFH-Urteile vom 6. März 1990 II R 88/87, BFHE 160, 57, BStBl II 1990, 446 sowie vom 27. März 1991 II R 82/87, BFHE 164, 473, BStBl II 1991, 731) sei die Möglichkeit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheids und eine vom FA dann offensichtlich angestrebte Inanspruchnahme der GbR an Stelle des Klägers wegen der mit der Einbringung des Grundstücks in die GbR zusammenhängenden Übertragung des Gesellschaftsanteils von 95 v.H. nicht von der Hand zu weisen.
Gegen diesen Beschluß hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, daß die beigeladene GbR nicht mehr bestehe. Durch Vertrag vom 10. Oktober 1989 sei das Grundstück an Dritte veräußert worden. Damit sei die Gesellschaft aufgelöst. Eine Beiladung scheide deshalb aus. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des FG über die Beiladung der GbR, da ein Grund zur Beiladung nicht vorliegt.
1. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 enthält einen selbständigen - d.h. von den Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 FGO unabhängig bestehenden - Beiladungsgrund (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Oktober 1985 IV B 62/85, BFH/NV 1987, 479). Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlaß oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977). Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (§ 174 Abs. 4 Satz 2 AO 1977). Gegenüber Dritten gelten diese Vorschriften, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt werden (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977). Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977). Erforderlich für eine Beiladung ist demnach lediglich, daß ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei einem Dritten zu ziehen sind (BFH-Beschluß vom 19. Mai 1981 VIII B 90/79, BFHE 133, 348, BSTBl II 1981, 633), und daß das FA die Beiladung des Dritten beantragt oder veranlaßt hat (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall jedoch nicht vor, da nach einer Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids (durch das FG) keine rechtlichen Folgerungen bei der (früheren) BGB-Gesellschaft zu ziehen wären.
Die Rechtsprechung versteht § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 als eine gegenüber den Tatbeständen der Abs. 1 bis 3 der Vorschrift eigenständige Änderungsnorm, die nicht auf die Fälle der alternativen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts beschränkt ist (BFH-Beschluß vom 20. April 1989 V B 153/88, BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539). Es genügt, daß ein und derselbe Sachverhalt sowohl bei dem Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten erfaßt und dabei irrig beurteilt worden ist. Nach einer Richtigstellung der rechtlichen Beurteilung zugunsten des einen Steuerpflichtigen kann damit korrespondierend aus dem bestimmten, d.h. aus demselben Lebenssachverhalt die rechtliche Folgerung auch bei dem anderen Steuerpflichtigen im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen Steuerfestsetzung gezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404). Daran fehlt es jedoch im Streitfall.
Die - möglicherweise erfolgende - Aufhebung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids gegenüber dem Kläger führt zu keiner Folgeänderung bei der (früheren) GbR. Mit dem angefochtenen Steuerbescheid hat das beklagte FA die Anteilsübertragung als solche als einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang angesehen und die Besteuerung auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO 1977 gestützt. Die Steuerpflicht der GbR ergibt sich demgegenüber bereits aus der Einbringung des Grundstücks (= der Miteigentumsanteile am Grundstück) von den Gründungsgesellschaftern in die Gesellschaft. Insofern liegen zwei getrennte Sachverhalte vor. Beide Vorgänge sind lediglich dadurch verknüpft, daß die - nach Auffassung des FA - die Steuerpflicht auslösende Anteilsübertragung zugleich zur Versagung der Steuerbegünstigung des § 5 GrEStG für die vorangegangene Grundstückseinbringung führen kann (zur Frage der Versagung der Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG in derartigen Fällen vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BSTBl II 1991, 374). Nach Auffassung des Senats hindert jedoch die Versagung der Steuerbefreiung des § 5 GrEStG für die Einbringung eines Grundstücks durch einen Gesellschafter in eine Gesellschaft nicht die Besteuerung des nachfolgenden Wechsels im Personenstand der Gesellschaft gemäß § 42 AO 1977 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 (Senatsurteil vom 13. November 1991 II R 7/88, BFHE 166, 180, BStBl II 1992, 202). Die Übertragung des Grundstücks auf die Gesellschaft und die (anschließende) Auswechslung der Gesellschafter sind regelmäßig als grunderwerbsteuerrechtlich getrennt zu beurteilende Sachverhalte anzusehen. Rechtstechnisch sind die steuerbegründenden bzw. steuervergünstigungsversagenden Merkmale nicht miteinander identisch (auch nicht negativ). Scheitert beispielsweise eine Besteuerung der Übertragung der Beteiligung an der Gesellschaft bereits daran, daß nicht sämtliche Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft übertragen werden (vgl. Senatsurteil vom 31. Juli 1991 II R 17/88, BFHE 165, 297, BStBl II 1991, 891), so sagt dies weder positiv noch negativ etwas darüber aus, ob für die vorangegangene Grundstücksübertragung auf die Gesellschaft die Steuervergünstigung des § 5 GrEStG zu gewähren ist. Umgekehrt beeinflußt die Versagung oder Gewährung der Steuervergünstigung für die Einbringung in die Gesellschaft nicht die Besteuerung oder Nichtbesteuerung der Übertragung der Mitgliedschaftsrechte als solcher. Eine Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids im Streitfall hätte daher keine - auch nicht möglicherweise - steuerlichen Folgerungen i.S. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 für die Grundstückseinbringung in die Gesellschaft.
2. Der Senat hat den angefochtenen Beiladungsbeschluß voll inhaltlich zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Februar 1969 VII B 60/66, BFHE 95, 84, BStBl II 1969, 318). Er hat deshalb auch zu entscheiden, ob der Beiladungsbeschluß des FG auf § 60 Abs. 1 FGO gestützt werden könnte (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239). Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach den Steuergesetzen werden rechtliche Interessen der BGB-Gesellschaft - wie oben dargelegt - durch die Entscheidung nicht berührt.
Fundstellen
Haufe-Index 419114 |
BFH/NV 1994, 342 |