Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Berücksichtigung der Uneinbringlichkeit des Entgelts in einem späteren Bescheid
Leitsatz (NV)
Hat das FA die Uneinbringlichkeit des Entgelts nicht bereits bei der Umsatzsteuer-Veranlagung für das Jahr 1994, sondern erst bei der Veranlagung für das Jahr 1995 berücksichtigt, erledigt sich die Anfechtungsklage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1994 nicht durch den Umsatzsteuerbescheid für 1995. Es sind deshalb auch nicht die Voraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage gegeben.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, §§ 96, 100 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr 1994 als selbständiger Dachdecker tätig. Im Jahresabschluss 1994 buchte er drei Rechnungen vom 29. November 1994 an die K-GmbH über zusammen … DM brutto (= … DM ohne Umsatzsteuer) aus. Die Ausbuchungen wurden bei einer Außenprüfung damit begründet, dass im Juli 1995 über das Vermögen der GmbH das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden sei.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) stellte sich auf den Standpunkt, dass die Uneinbringlichkeit der Forderungen im Jahre 1994 noch nicht absehbar gewesen sei, und änderte die Umsatzsteuerveranlagung des Klägers entsprechend.
Hiergegen erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage.
Während der Rechtshängigkeit der Sache änderte das FA die an den Kläger und seine Ehefrau gerichteten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 und 1995, indem es für das Jahr 1995 die Forderungsverluste und für das Jahr 1994 einen daraus resultierenden Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigte.
In der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger festzustellen, dass der Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 7. Mai 1996 und der Einspruchsbescheid vom 6. Februar 1997 rechtswidrig waren.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. In den Entscheidungsgründen wies es darauf hin, der Kläger habe trotz eingehender Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf beharrt, den Klageantrag wie geschehen zu stellen. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, mit der er im Wesentlichen Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Mai 1988 I R 225/82 (BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944) geltend macht. Nach diesem Urteil entbinde der Grundsatz der Entscheidung des Tatrichters nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung nicht von der Notwendigkeit, die für diese Überzeugung maßgeblichen Tatsachen und Umstände festzustellen und in der Entscheidung die wesentlichen daraus abgeleiteten Folgerungen nachvollziehbar darzustellen. Dagegen habe das FG verstoßen, indem es die Erledigung der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage mit seinen Einkommensteuer-Veranlagungen in Verbindung gebracht habe. Tatsächlich habe sich diese durch den Umsatzsteueränderungsbescheid für das Jahr 1995 vom 3. August 1999 erledigt, mit dem das FA die Uneinbringlichkeit der Forderungen für das Jahr 1995 berücksichtigt habe und dadurch das durch den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1994 bewirkte Unrecht wieder beseitigt habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Zulassungsgründe beurteilen sich nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567). Da die Vorentscheidung am 20. September 2000 verkündet worden ist, richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs gemäß Art. 4 2.FGOÄndG nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften. Dasselbe muss auch für die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde gelten.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO a.F.) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH abweicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F.). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).
1. Eine Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt vor, wenn das FG seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem gleichfalls abstrakten Rechtssatz in einer bestimmten Entscheidung des BFH abweicht. Bei der Bezeichnung des Urteils des BFH, von der die Vorentscheidung abweichen soll, sind die abstrakten Rechtssätze so zu bezeichnen, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Im Streitfall sind derartige sich widerstreitende abstrakte Rechtssätze nicht erkennbar. Es mag zwar sein, dass das FG gegen die Vorschrift des § 96 FGO verstoßen hat; es hat dabei aber keine Grundsätze aufgestellt, die der Vorschrift des § 96 FGO und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BFH widersprechen.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (Verstoß gegen § 96 FGO) zuzulassen, da die Vorentscheidung auf einem derartigen Verfahrensmangel nicht beruhen kann.
Das FG hat nämlich im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen einer sog. Fortsetzungsfestsetzungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO verneint, da sich der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 1994 weder durch die Einkommensteuerbescheide für 1994 und 1995 noch durch den Umsatzsteueränderungsbescheid für 1995 erledigt hat. Wenn der Kläger der Ansicht war, die Uneinbringlichkeit der Forderungen hätte bereits bei der Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 1994 berücksichtigt werden müssen, hätte er diesen Bescheid weiter anfechten müssen.
Fundstellen