Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsentscheidung: Aktivierung eines zurückübertragenen Mandantenstamms, Schadensersatzzahlung aus einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis
Leitsatz (NV)
- Ein Verfahrensmangel ist nur dann in zulässiger Weise begründet, wenn die Tatsachen genau angegeben werden, die den Mangel ergeben; die Verfahrensrüge muss schlüssig sein.
- Ist der Gesichtspunkt einer Aktivierung des zurückübertragenen Mandantenstammes in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden, so stellt eine hierauf gestützte Entscheidung des FG keine Überraschungsentscheidung des FG dar.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 96 Abs. 2
Gründe
Nach Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist.
Nach § 115 Abs. 2 FGO a.F. ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F.). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).
Der Verfahrensmangel ist nur dann in zulässiger Weise begründet, wenn die Tatsachen genau angegeben werden, die den Mangel ergeben. Die Verfahrensrüge muss schlüssig sein. Aus dem Vortrag muss erkennbar sein, welche Verfahrensvorschrift das Finanzgericht (FG) nach Ansicht des Beschwerdeführers verletzt hat. Erforderlich ist ferner die Darlegung, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, es also ohne den Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 33 ff., m.w.N.).
a) Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt, das FG habe unter Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht zu Unrecht die Teilwertabschreibung der Restkaufpreisforderung in Höhe von 135 965 DM versagt, ist dem entgegenzuhalten, dass das FG dem Kläger eine Teilwertberichtigung der Kaufpreisforderung ausdrücklich zugestanden hat.
Soweit sich die Rüge unzureichender Sachverhaltsaufklärung darauf beziehen sollte, dass das FG den Wert des an den Kläger nach dem Vertragsrücktritt zurückfallenden Mandantenstammes im Schätzungswege in Höhe der ausfallenden Restkaufpreisforderung angesetzt hat, hat der Kläger nicht vorgetragen, welche weiteren Maßnahmen zur Sachaufklärung das FG hätte ergreifen müssen (vgl. zu den Anforderungen Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Anm. 40). Der Kläger hat auch nicht behauptet oder belegt, dass der Mandantenstamm zum Zeitpunkt der Rückübertragung weniger als die vom FG geschätzten 135 965 DM wert war. Wenn der Kläger dazu anführt, die bereits gezahlten Kaufpreisraten seien entsprechend der bereits bei Verkauf des Mandantenstammes für den Fall eines Rücktritts getroffenen Vereinbarung nicht als Teilkaufpreiszahlung zu behandeln, sondern als bloße Nutzungsentschädigung, so ergibt sich daraus nicht, dass der Mandantenstamm zum Zeitpunkt der rücktrittsbedingten Rückabwicklung keinen Wert mehr darstellte. Auch wenn der Kläger für die Rücknahme des Mandantenstammes ―wie vorgetragen― kein Entgelt bezahlt hat, so hat er doch offensichtlich im Gegenzug seine Restkaufpreisforderung verloren. Die Rüge unzureichender Sachverhaltsermittlung ist nach alledem nicht schlüssig erhoben.
Die Ausführungen des Klägers, der Wert des Mandantenstammes sei deshalb abzuschreiben, weil er 1993 seine Tätigkeit als Steuerberater beendet habe und sich die Mandanten einen neuen Steuerberater gesucht hätten, ist als neues tatsächliches Vorbringen unbeachtlich (vgl. § 118 Abs. 2 FGO, vgl. auch BFH-Urteil vom 28. November 1990 X R 119/88, BFH/NV 1991, 306); nach den Feststellungen des FG war der Kläger bis ins Streitjahr 1994 als Steuerberater tätig.
Das FG hat den Kläger auch nicht mit der Begründung seiner Entscheidung unter Vorstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO überrascht. Der Gesichtspunkt einer Aktivierung des zurückübertragenen Mandantenstammes ist in der mündlichen Verhandlung offensichtlich angesprochen worden, wie sich aus der Einlassung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) in der Beschwerdeerwiderung und aus dem vom FG in Bezug genommenen nachgereichten Schriftsatz des Klägers vom 22. November 2000 ergibt. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
b) Soweit der Kläger sinngemäß rügt, das FG habe es unter Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht versäumt, den Sachverhalt hinsichtlich der Schadensersatzleistung an Herrn X an Hand des Urteils des Landgerichts (LG) Y weiter aufzuklären und ggf. durch Erhebung der als Beweismittel angegebenen Zeugen festzustellen, ist der Vortrag gleichfalls nicht schlüssig.
Ausweislich des Urteils hat das FG das Urteil des LG ebenso wie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidungsbildung herangezogen. Es ist ferner davon ausgegangen, dass der Kläger entsprechende Zahlungen in Höhe von 75 000 DM an Herrn X geleistet hat. Die Klageabweisung beruht vielmehr darauf, dass nach dem Vorbringen des Klägers und unter Berücksichtigung aller vorliegenden Unterlagen sich der behauptete Zusammenhang zwischen den genannten Schadensersatzzahlungen und seiner Tätigkeit als angestellter Steuerberater bei der Z nicht habe feststellen lassen. Dafür trage der Kläger, der keine Klarheit über die Grundlagen der den Zahlungen zugrunde liegenden Ansprüche geschaffen habe, die Feststellungslast. Ein solcher Zusammenhang ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, er sei zur Zahlung nur aus dem persönlichen deklaratorischen Schuldanerkenntnis (Bürgschaftsversprechen) verurteilt worden; dies besagt gerade nichts darüber, ob das Arbeitsverhältnis Grund des Anerkenntnisses gewesen sein könnte. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung in Bezug auf das LG-Urteil geht mithin fehl.
Hinsichtlich der Rüge, das FG habe es insoweit unterlassen, die angebotenen Zeugen zu hören, hat der Kläger nicht dargetan, dass er beim FG die Nichterhebung des Beweises gerügt habe oder aus welchen Gründen er die unterlassene Beweiserhebung nicht habe rechtzeitig rügen können (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 54/93, BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864, m.w.N.); dies ist erforderlich, weil auf ein Rügerecht verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung).
c) Unzulässig ist schließlich die Rüge, das FG habe gegen die Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es zu den Schadensersatzleistungen in Höhe von 40 000 DM und 35 000 DM nicht den Zeugen A gehört habe. Auch insoweit hat der Kläger nicht dargetan, dass er die Nichtanhörung des Zeugen in der mündlichen Verhandlung gerügt habe bzw. warum er dies nicht habe rügen können.
d) Die Rüge einer Abweichung des FG von der Rechtsprechung des BFH ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Der Kläger hat hierzu keine Entscheidungen des BFH angeführt.
e) Die Entscheidung ergeht nach § 116 Abs. 3 Satz 2 FGO mit Kurzbegründung.
Fundstellen
Haufe-Index 846309 |
BFH/NV 2003, 53 |