Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine schlüssige Anhörungsrüge
Leitsatz (NV)
1. Zur schlüssigen Darlegung einer Anhörungsrüge i.S. von § 133a FGO muss der Rügeführer u.a. substantiiert ausführen, zu welchen Sach- und/oder Rechtsfragen er sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht hat äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen hat.
2. Eine analoge Anwendung des § 133a FGO bei sonstigen schwerwiegenden formellen und/oder materiellen Mängeln (außer der Verletzung des rechtlichen Gehörs) kommt nicht in Betracht.
Normenkette
FGO § 133a
Tatbestand
I. Mit Beschluss vom 20. Juni 2007 X B 156/06 hat der angerufene Senat die Beschwerde der Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Rügeführerin) wegen Zurückweisung als Prozessbevollmächtigte durch das Finanzgericht Köln in dem Verfahren 11 K 3585/04 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Rügeführerin die vorliegende Anhörungsrüge nach § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) und zusätzlich eine Gegenvorstellung erhoben.
Sie bringt im Wesentlichen vor, der angerufene Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO) verletzt und sein Beschluss leide unter (weiteren) schweren formellen und materiellen Mängeln. Zur Begründung führt sie u.a. aus, der beschließende Senat habe das Wort "vorübergehend" in Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom 26. Februar 2001 (konsolidierte Fassung; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. C 325/1) bei offensichtlich falscher Zitierung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) unzutreffend ausgelegt. Der angerufene Senat habe alle Beweisanträge einschließlich der Vorlageanträge nicht befolgt, seine unbedingte Pflicht zur Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EG und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sowie geltendes Recht missachtet. Die Rügeführerin sei nur vorübergehend grenzüberschreitend tätig. Sie halte sich im Inland nur zu Terminen bei Gerichten, Behörden und anderen Institutionen wie auch gelegentlich bei Mandanten auf. Diese Aufenthalte seien sachlich und zeitlich zu vernachlässigen. Des Weiteren habe der Senat gesetzlich zwingende Vorlagen an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) und an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unterlassen. Inhalte von Entscheidungen des EuGH und des Bundesgerichtshofs seien falsch wiedergegeben worden. Auch seien die ab dem 28. Dezember 2006 in Kraft befindliche Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 (sog. Dienstleistungsrichtlinie) sowie die am 30. September 2005 in Kraft getretene Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen ignoriert worden.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Anhörungsrüge ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 6 FGO entspricht.
a) Nach dieser Vorschrift muss der Rügeführer insbesondere schlüssig und substantiiert darlegen, zu welchen Sach- und/ oder Rechtsfragen er sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (hier: Beschwerdeverfahren X B 156/06) nicht hat äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 12, m.w.N.).
aa) Daran fehlt es im Streitfall. Die Ausführungen der Rügeführerin erschöpfen sich im Kern in einer Darlegung ihrer Auffassung des Begriffs "vorübergehend" i.S. des Art. 50 EG. Sie bringt damit lediglich zum Ausdruck, der angerufene Senat habe nach ihrer Ansicht den Streitfall unrichtig gewürdigt und über ihre Beschwerde falsch entschieden. Das gilt auch für ihre Vorwürfe, der Senat habe die maßgebliche Rechtsfrage nicht dem EuGH vorgelegt, den GmS-OGB nicht angerufen und von einer Vorlage an das BVerfG abgesehen.
Mit einem solchen Vorbringen kann die Rügeführerin im Verfahren über die Anhörungsrüge nicht gehört werden (vgl. allgemein dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614), zumal sich der angerufene Senat im Beschluss vom 20. Juni 2007 X B 156/06 unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung (insbesondere des EuGH) ausführlich mit dem Begriff der "vorübergehenden grenzüberschreitenden Dienstleistung" befasst hat sowie ausdrücklich und begründet eine Vorlagepflicht an den EuGH, das BVerfG und an den GmS-OGB des Bundes verneint hat.
Demnach kann nicht davon die Rede sein, dass der beschließende Senat Vorbringen der Rügeführerin im vorangegangenen Beschwerdeverfahren entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat.
bb) Soweit die Rügeführerin eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör darin erblickt, dass der angerufene Senat diverse Beweisanträge übergangen habe, ist ihre Rüge schon deswegen unschlüssig, weil sie nicht substantiiert vorzutragen vermochte, dass diese Beweisanträge --auf der Basis des vom angerufenen Senat im angefochtenen Beschluss vom 20. Juni 2007 X B 156/06 eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts--
entscheidungserheblich waren.
2. Soweit die Rügeführerin eine analoge Anwendung des § 133a FGO mit der Begründung fordert, dass der Beschluss vom 20. Juni 2007 X B 156/06 an sonstigen schwerwiegenden formellen und/oder materiellen Mängeln leide, ist ihre Anhörungsrüge schon deshalb unzulässig, weil diese auf solche Mängel nicht gestützt werden kann (vgl. Dürr in Schwarz, FGO § 133a Rz 13; Gräber/Ruban, a.a.O., § 133a Rz 3; Rüsken in Beermann/Gosch, FGO § 133a Rz 8).
3. Der Senat kann offenlassen, ob neben der Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO noch eine Gegenvorstellung statthaft ist. Die von der Rügeführerin erhobene Gegenvorstellung ist zumindest unbegründet. Der Beschluss vom 20. Juni 2007 X B 156/06 ist entgegen ihrer Auffassung weder greifbar gesetzeswidrig noch willkürlich. Es ist nicht ersichtlich, dass er auf einer gravierenden Verletzung von Grundrechten beruht oder jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes.
Fundstellen