Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine vollständige Erstattung von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (NV)
Die wirtschaftliche Situation des Beteiligten kann allenfalls eine Erstattung bis zur Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen rechtfertigen.
Normenkette
AO 1977 §§ 227, 234, 238 Abs. 1, § 240; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt -HZA-) nahm den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit Steuerbescheid für Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von ... DM in Anspruch, die für die Einfuhr von Krügerrand Goldmünzen entstanden war. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung und zinslose Stundung lehnte das HZA ab und setzte eine Zahlungsfrist bis zum ... Mit Schreiben vom ... beantragte der Kläger erneut Stundung und bot Teilzahlung in Höhe von ... DM zum ... und weiterhin jeweils ... DM zum 15. jeden Monats an. Mit Bescheid vom ... lehnte das HZA die Stundung ab, bewilligte jedoch dem Kläger die angebotene Ratenzahlung unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub. Dabei wurde der Kläger darauf hingewiesen, daß auch für die Dauer des Vollstreckungsaufschubs weiterhin Säumniszuschläge verwirkt werden. Am ... leistete der Kläger die Zahlung von ... DM. Die Restschuld wurde durch Verwertung anderer Goldmünzen, die der Steuerbescheid vom ... nicht betraf, getilgt.
Diese Goldmünzen waren in einem Strafverfahren u.a. als Beweismittel sowie gemäß § 76 der Abgabenordnung (AO 1977) beschlagnahmt worden. Den diesbezüglichen Herausgabeanspruch des Klägers hatte das HZA gepfändet. Die Einziehung der beschlagnahmten Goldmünzen wurde im Strafurteil des Landgerichts nicht angeordnet. Der Kläger hatte mehrfach deren Verwertung beantragt, diese wurde jedoch erst vorgenommen, nachdem der Vorsitzende Richter am Landgericht die Goldmünzen auf Anfrage des HZA am ... freigab. Aus dem Verwertungserlös von ... DM wurden die Restschuld sowie die festgesetzten Säumniszuschläge getilgt.
Mit Bescheid vom ... kam das HZA dem Kläger nur insoweit entgegen, als es die festgesetzten Säumniszuschläge zur Hälfte aus Billigkeitsgründen erstattete; der verbleibende Betrag entsprach den Zinsen, die im Falle einer gewährten Stundung angefallen wären. Die gegen den Bescheid gerichtete Beschwerde, mit der der Kläger den Erlaß auch der restlichen Säumniszuschläge erstrebte, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies auch die Klage ab und führte aus, die Oberfinanzdirektion (OFD) habe in der Beschwerdeentscheidung von ihrem Ermessen in zutreffender Weise Gebrauch gemacht. Gründe, die eine vollständige Erstattung der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen rechtfertigen würden, seien nicht vorgetragen worden und seien auch nicht ersichtlich. Der Kläger habe der OFD weder dargelegt noch nachgewiesen, daß ihm -außer den beschlagnahmten Goldmünzen- zur Begleichung seiner Abgabenschuld nicht genügend Zahlungsmittel oder Wertgegenstände zur Verfügung gestanden haben. Die von ihm selbst angebotenen Ratenzahlungen belegten vielmehr, daß er in der Lage gewesen sei, die Ratenbeträge aufzubringen. Im übrigen habe das HZA den Anfall der Säuniszuschläge nicht zu vertreten gehabt, weil es wegen der bestehenden Beschlagnahme der Goldmünzen keine Möglichkeit gehabt habe, die Abgabenschuld des Klägers vor dem ... durch Verwertung der Münzen zu tilgen.
Entscheidungsgründe
II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG gerichtete Beschwerde des Klägers, die er auf einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) stützt, ist unbegründet.
Der Kläger hat zwar die Verfahrensvorschriften nicht benannt, gegen die das FG verstoßen haben soll. Aus der Beschwerdeschrift ist aber zu entnehmen, daß der Kläger § 96 FGO (Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens) für verletzt hält, weil das FG seine Schreiben vom ... nicht berücksichtigt habe, mit denen er der OFD seine Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld dargelegt und die angeforderten Unterlagen für den Nachweis dieser Tatsache vorgelegt habe. Außerdem ist der Beschwerdeschrift zu entnehmen, daß der Kläger auch § 76 Abs. 1 FGO (Sachaufklärungspflicht des FG) für verletzt hält, weil das FG die zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 1. April 1998 beantragte Beweiserhebung zu der Behauptung, daß er nicht in der Lage gewesen sei, die Steuerschulden zum Fälligkeitszeitpunkt zu bezahlen, nicht durchgeführt habe.
Es kann dahinstehen, ob damit Verfahrensfehler ausreichend bezeichnet sind und die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb zulässig ist (vgl. zu den Anforderungen an die ordnungsgemäße Bezeichnung eines Verfahrensmangels Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 65, § 120 Rz. 37 ff.). Sie ist jedenfalls unbegründet, weil die benannten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Denn die wirtschaftliche Situation des Klägers, die mit den genannten Schreiben an die OFD dargelegt und mit der beantragten Beweiserhebung bewiesen werden sollte, hatte die OFD schon bei Ausübung ihres Ermessens in der angefochtenen Beschwerdeentscheidung berücksichtigt. Sie rechtfertigt nicht die vollständige Erstattung der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO 1977), sondern allenfalls -wie von der OFD zu Recht entschieden- eine Erstattung bis zur Hälfte der nach § 240 AO 1977 verwirkten Säumniszuschläge.
Denn Säumniszuschläge sind nicht nur ein Druckmittel, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung der festgesetzten Steuer veranlassen soll, sondern sie sind auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und dienen zur Abgeltung des Verwaltungsaufwandes, der mit der verspäteten Zahlung verbunden ist. Daher ist das HZA regelmäßig nicht verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Steuerschuldners mehr als die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge zu erlassen (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 16. Juli 1997 XI R 32/96, BFHE 184, 193, BStBl II 1998, 7). Insoweit entsprechen sie den Stundungszinsen nach § 234 Abs. 1 AO 1977, die gemäß § 238 Abs. 1 AO 1977 monatlich einhalb vom Hundert des maßgebenden Betrages betragen.
Zwar kann auf Stundungszinsen nach § 234 Abs. 2 AO 1977 ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Diese Voraussetzung ist aber nicht schon dadurch erfüllt, daß der Steuerschuldner vorübergehend zahlungsunfähig oder überschuldet ist (vgl. BFH in BFHE 184, 193, BStBl II 1998, 7, und Urteil vom 18. April 1996 V R 55/95, BFHE 180, 516, BStBl II 1996, 561). Es müssen vielmehr weitere Gründe hinzukommen (vgl. Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 234 Anm. 14). Solche persönlichen und/oder sachlichen Billigkeitsgründe hat der Kläger indes, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, weder in den genannten Schreiben gegenüber der OFD vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Auch mit dem zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag ist das Vorliegen solcher Gründe nicht unter Beweis gestellt worden. Durch die beantragte Beweiserhebung sollte, wie bereits erwähnt, nur die Zahlungsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld bewiesen werden. Da diese Tatsache aber nicht zu einer Entscheidung im Sinne des Klägers führen konnte, sondern lediglich die durch die OFD getroffene Entscheidung rechtfertigte und in ihr bereits berücksichtigt war, ist das FG dem Beweisantrag mit Recht nicht gefolgt.
Fundstellen
Haufe-Index 170905 |
BFH/NV 1999, 1057 |