Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des zuständigen FG durch den BFH
Leitsatz (NV)
1. Erläßt ein FA aus dem Zuständigkeitsbereich der OFD Düsseldorf einen rk-KiSt-Bescheid, gegen den der Einspruch beim Erzbistum Köln einzulegen ist und eingelegt wird, so ist das FG Köln für das sich anschließende Klageverfahren örtlich zuständig.
2. Verweist das FG Köln dennoch das Klageverfahren an das FG Düsseldorf, so ist der Beschluß mit der Folge fehlerhaft, daß keine Bindung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG eintritt.
Normenkette
FGO §§ 38, 39 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, §§ 57, 70 S. 2, § 160 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2 S. 3; KiStG NW § 14 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 19. Juni 1992 Klage vor dem Finanzgericht (FG) Köln gegen das Erzbistum Köln (Erzbistum) wegen Festsetzung römisch-katholischer Kirchensteuer 1989 durch das Finanzamt (FA) Z. Dem Klagebegehren liegt zugrunde, daß der Kläger am 12. Juni 1989 aus der römisch-katholischen Kirche austrat und dennoch für die Zeit bis zum 31. Juli 1989 nach der o.g. Kirchensteuerfestsetzung römisch-katholische Kirchensteuer zahlen sollte. Der Kläger legte gegen den Bescheid zunächst Einspruch beim erzbischöflichen Generalvikariat in Köln mit dem Ziel ein, der Kirchensteuerfestsetzung nur das bis zum 30. Juni 1989 erzielte Einkommen zugrunde zu legen. Dies lehnte das Erzbistum durch Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 1992 ab.
Da das FA Z ursprünglich die Kirchensteuer festgesetzt hatte, hielt sich das FG Köln für örtlich unzuständig. Es verwies die Sache ,,zuständigkeitshalber" durch Beschluß vom 12. August 1992 an das FG Düsseldorf, ohne zuvor dem Erzbistum Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das FG Düsseldorf hielt sich seinerseits ebenfalls für örtlich unzustänig. Es war der Auffassung, daß das FG Köln zuständig sei. Durch Beschluß vom 4. Februar 1993 hat es sich deshalb für örtlich unzuständig erklärt und den Bundesfinanzhof (BFH) zur Bestimmung des zuständigen FG angerufen.
Entscheidungsgründe
Die Anrufung des BFH ist gemäß § 39 Abs. 1 Nr.4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Sie führt zu der Bestimmung des FG Köln als dem in der Sache zuständigen FG.
1. Nach § 39 Abs. 2 FGO kann die Anrufung des BFH auch von einem mit dem Rechtsstreit befaßten FG beschlossen werden. Das anrufende FG Düsseldorf war mit der Sache befaßt und deshalb zur Anrufung berechtigt. Das FG Köln hatte das ,,Streitverfahren" durch Beschluß vom 12. August 1992 an das FG Düsseldorf ,,zuständigkeitshalber" verwiesen.
2. Zwar ist eine Bestimmung des zuständigen FG durch den BFH gemäß § 39 Abs. 1 Nr.4 FGO nur dann zulässig, wenn verschiedene FG, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Auch diese Voraussetzung ist jedoch im Streitfall erfüllt. Es liege entsprechende Beschlüsse des FG Köln vom 12. August 1992 und vom FG Düsseldorf vom 4. Februar 1993 vor. Die Beschlüsse sind unanfechtbar (§ 70 Satz 2 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG -). Ob beide Beschlüsse oder auch nur einer von ihnen Rechtens sind, ist für die Zulässigkeit der Anrufung des BFH unerheblich. Durch § 39 FGO soll die Zuständigkeitstreitigkeit zwischen zwei FG geschlichtet werden. Die Vorschrift dient der Lückenlosigkeit des Rechtsschutzes. Ein lückenhafter Rechtsschutz droht aber auch dann, wenn sich ein FG zu Unrecht für zuständig erklärt und ein anderes die Übernahme der Sache verweigert. Dieser Sachverhalt ist im Streitfall gegeben.
3. Für die Entscheidung über die Klage des Klägers ist das FG Köln örtlich zuständig. Es war deshalb als das zuständige FG zu bestimmen.
a) Die örtliche Zuständigkeit des FG Köln ergibt sich für die Klage aus § 38 Abs. 1 FGO. Danach ist das FG örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat, gegen die die Klage gerichtet ist. Die Klage des Klägers ist aber gegen das Erzbistum Köln, vertreten durch das Generalvikariat, gerichtet. Das Erzbistum Köln ist eine Behörde i.S. des § 38 Abs. 1 FGO, die ihren Sitz in Köln hat (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen - AGFGO NW -). Es ist auch nicht damit zu rechnen, daß die Klage künftig gegen eine andere Behörde (z.B. das FA) gerichtet wird. Das Erzbistum ist für die Klage passiv legitimiert. Dies ergibt sich aus § 160 Abs. 1 FGO i.V.m. § 14 Abs. 5 des Kirchensteuergesetzes (KiStG) NW und § 15 Abs. 2 KiStO der Erzdiözese Köln vom 30. März 1969. Nach § 14 Abs. 5 KiStG NW ist beteiligte Behörde i.S. des § 57 FGO diejenige, die nach der Steuerordnung über den Einspruch zu entscheiden hat. Über den Einspruch des Klägers hatte (und hat) gemäß § 15 Abs. 2 der o.g. KiStO das Erzbischöfliche Generalvikariat Köln zu entscheiden (entschieden).
b) Eine abweichende Zuständigkeitsregelung ergibt sich nicht aus § 38 Abs. 2 FGO, weil das Erzbistum Köln keine oberste Finanzbehörde ist. Oberste Finanzbehörden sind nur die in § 1 Nr.1, § 2 Abs. 1 Nr.1 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) und § 6 Abs. 1 Nr.1 der Abgabenordnung genannten.
c) Die vom FG Köln vertretene abweichende Rechtsauffassung, es sei das FG Düsseldorf zuständig, weil der ursprüngliche Kirchensteuerbescheid von einem in dessen Bezirk ansässigen FA erlassen worden ist, findet im Gesetz keine Stütze. § 38 Abs. 1 FGO stellt auf den Sitz des die Kirchensteuer festsetzenden FA nicht ab. Die Vorschrift geht von der Überlegung aus, daß dem FA hoheitliche Aufgaben des Erzbistums Köln durch Gesetz übertragen sind, die jedoch mit Beginn des Rechtsbehelfsverfahrens auf das Erzbistum Köln wieder zurückfallen. Das Verwaltungshandeln des FA war ein solches für Rechnung des Erzbistums Köln, weshalb es rechtlich unbedenklich ist, wenn § 38 Abs. 1 FGO die örtliche Zuständigkeit der FG am Sitz des Erzbistums orientiert.
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 70 Satz 2 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach ist zwar das Gericht, an das die Sache verwiesen wird (hier: Düsseldorf), hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit an den Verweisungsbeschluß gebunden. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß ein FG seine sämtlichen Verfahren oder auch nur eine ganze Gruppe von Verfahren zu Unrecht durch Verweisungsbeschlüsse an ein anderes FG abgibt. Deshalb entfällt die Bindungswirkung nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, wenn der Verweisungsbeschluß offensichtlich fehlerhaft ist und im Ergebnis eine willkürliche Verlagerung des gesetzlichen Richters bedeutet (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 1970 2 BvR 48/70, BVerfGE 29, 45; vom 7. Juli 1982 1 BvR 787/81, BVerfGE 61, 37, Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 15. März 1978 IV ARZ 17/78, BGHZ 71, 69; Urteil vom 13. Februar 1980 3 StR 5/80 (S), Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 1586; Beschlüsse vom 10. Dezember 1987 I AZR 809/87, BGHZ 102, 338; vom 16. Dezember 1987 IVb ARZ 46/87, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1988, 521; vom 22.September 1988 I AZR 555/88, NJW 1989, 461; vom 17. Mai 1989 I AZR 254/89, NJW 1990, 53). In diesem Fall muß die Rechtsfolge des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinter dem Rechtsgedanken des Art. 101 des Grundgesetzes zurücktreten. So ist auch der Streitfall gelagert. Der Beschluß des FG Köln vom 12. August 1992 ist offensichtlich rechtsfehlerhaft, weil er im Gesetz keine Rechtsgrundlage findet. Er bedeutet eine willkürliche Verlagerung des gesetzlichen Richters auf das FG Düsseldorf. Eine solche Rechtswirkung ist durch § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG nicht mehr gedeckt.
Fundstellen
Haufe-Index 419121 |
BFH/NV 1993, 676 |