Leitsatz (amtlich)

Der Erwerb eines bebauten Grundstücks durch eine Gemeinde ist in Nordrhein-Westfalen nicht deshalb von der Grunderwerbsteuer befreit, weil die Gemeinde das Gebäude zur Unterbringung Obdachloser verwenden will.

 

Normenkette

NRW-GrEStGemG § 1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde, hat ein bebautes Grundstück gekauft, um das Gebäude als Obdachlosenunterkunft zu verwenden. Ihrer Ansicht nach ist der Erwerb gemäß dem Nordrhein-Westfälischen Gesetz über Befreiung des Grunderwerbs zu gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken von der Grunderwerbsteuer (GrEStGemG) vom 14. Juli 1964 (GVBl 1964, 258) von der Grunderwerbsteuer befreit. Das FG hat ihren Antrag abgelehnt, die Vollziehung des gegen sie ergangenen Grunderwerbsteuerbescheids auszusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Gebietskörperschaften gehören als Grundstückserwerber nicht deshalb zu dem durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStGemG begünstigten Personenkreis, weil sie im Interesse des gemeinen Wohls öffentliche Aufgaben erfüllen; der Begriff der Gemeinnützigkeit sowohl im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStGemG als auch des § 17 StAnpG ist enger (Urteil des BFH vom 31. Januar 1973 II R 51/69, BFHE 109, 383). Für § 1 GrEStGemG deutet darauf auch die ausdrückliche Enumeration nur spezieller begünstigter Zwecke in Absatz 2.

§ 1 Abs. 2 GrEStGemG greift ebenfalls nicht ein. Er nimmt Erwerbe von Körperschaften des öffentlichen Rechts von der Besteuerung aus, wenn das Grundstück unmittelbar zur Verwendung als Schule, Hochschule, Krankenhaus, Altersheim, Erholungsheim, Jugendheim oder Friedhof bestimmt ist. Diese Aufzählung mag zwar einer extensiven Auslegung, ja sogar der Interpolation innerhalb der enumerierten Alternativen (z. B. für Pflegeheime im Hinblick auf die Begünstigung der Krankenhäuser einerseits, der Altersheime andererseits) zugänglich sein. Es ist aber nicht ernstlich zweifelhaft (§ 69 FGO), daß auf diesem Wege die Befreiung des Grundstückserwerbs zur Obdachlosenunterbringung nicht erreicht werden kann. Denn bei der Obdachlosenunterbringung steht nicht der Zweck im Vordergrund, Personen zu unterstützen, die infolge ihrer körperlichen oder geistigen Beschaffenheit oder ihrer wirtschaftlichen Lage der Hilfe bedürfen (vgl. § 18 StAnpG), obwohl auch dies der Erfolg der Obdachlosenunterbringung ist oder sein kann. Anders als der Betrieb von Krankenhäusern, Alters- oder Erholungsheimen ist die Unterbringung Obdachloser nicht Ermessensaufgabe der fürsorgenden Verwaltung, sondern Pflichtaufgabe der ordnenden Verwaltung, also eine "polizeiliche" Aufgabe im Sinne früheren Sprachgebrauchs.

Der bei Erfüllung der allgemeinen Verwaltungsaufgabe der Obdachlosenunterbringung zugleich erreichte oder weitgehend erreichbare fürsorgerische Erfolg kann nicht dazu führen, den Zweck der Obdachlosenunterbringung den in § 1 Abs. 2 GrEStGemG aufgeführten Zwecken gleichzustellen. Denn wie sich aus der Fassung des § 1 Abs. 1 GrEStGemG einerseits und des § 1 Abs. 2 GrEStGemG andererseits ergibt, sollen Grundstückserwerbe von Gebietskörperschaften selbst dann nicht stets von der Steuer befreit sein, wenn das erworbene "Grundstück unmittelbar für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke bestimmt ist". Andernfalls hätte es der eingangs erwähnten Anforderung (subjektiven Qualifikation), daß die "inländische Körperschaft ... ausschließlich und unmittelbar" gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, für Körperschaften öffentlichen Rechts nicht bedurft.

Folglich müssen die in § 1 Abs. 2 GrEStGemG beschriebenen Zwecke, soweit sie den "gemeinnützigen" oder "mildtätigen" zugerechnet werden können, selbst bei extensiver oder sinnvoll interpolierender Auslegung der Vorschrift spezieller verstanden werden als die allgemeineren Begriffe der Gemeinnützigkeit (§ 17 StAnpG) oder Mildtätigkeit (§ 18 StAnpG). Demnach kann es keinem ernstlichen Zweifel begegnen, daß Grundstückserwerbe zwecks Erfüllung einer Ordnungsaufgabe der öfffentlichen Hand nicht in die Vergünstigung des § 1 Abs. 2 GrEStGemG einbezogen werden können, selbst wenn dadurch unter anderem gemeinnützige oder mildtätige Erfolge zu erreichen sind.

Die rechtspolitische Seite dieser Spezialisierung und Unterscheidung hat der Bundesfinanzhof nicht zu beurteilen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70207

BStBl II 1973, 764

BFHE 1974, 64

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